Entschleunigung der Entscheidungsprozesse

CDU, GALF, dfb und FDP können miteinander – Vier Fraktionen, eine Meinung: Es muss sich etwas ändern an der Diskussionskultur

Freie Kooperation statt Koalition: Die vier Fraktionsvorsitzenden (von links) Renate Mohr (GALF), Marcus Reif (CDU), Thorsten Press (FDP) und Thomas Probst (dfb) kündigten am Dienstag an, fortan politisch eng zusammenarbeiten zu wollen.
(Foto: A. Noé)

FLÖRSHEIM (noe) – Im Flörsheimer Stadtparlament wird es auf unbestimmte Zeit keine Koalition geben. Das steht spätestens seit dem Pressegespräch am späten Dienstagnachmittag fest, zu dem die Fraktionen von CDU, GALF, dfb und FDP geladen hatten. Bereits im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die vier Parteien zukünftig enger zusammenarbeiten wollen; so lagen der Stadtverordnetenversammlung, die am Donnerstag abend, 2. Juni, zur Beratung und Beschlussfassung zusammentrat, drei gemeinsam abgefasste Anträge vor. Auch in Zukunft wolle man Anträge möglichst gemeinsam einbringen, deshalb sei eine Verständigung und intensivere Kooperation jenseits der Gremien notwendig, hieß es von Seiten der Fraktionen.

Nun werden gemeinsame Anträge naturgemäß von einer Koalition gestellt – doch von einer solchen wollen CDU, GALF, dfb und FDP nichts wissen. Man habe – wie aus einem gemeinsam entwickelten Positionspapier ersichtlich – lediglich „eine Vereinbarung für eine Zusammenarbeit geschlossen“, die trotz unterschiedlicher politischer Überzeugung dazu führen soll, dass in den nächsten Jahren „bessere Entscheidungen“ getroffen werden können und eine „bessere Politik“ gemacht werden kann. Die Fraktionsvorsitzenden Marcus Reif (CDU), Renate Mohr (GALF), Thomas Probst (dfb) und Thorsten Press (FDP) betonten, dass damit weder das jeweilige Profil, noch eine eigenständige Politik verlorengehe. Jede Fraktion behalte sich vor, eigene Anträge zu stellen und gegebenenfalls gegen die anderen Fraktionen zu stimmen. Von einer Koalition oder gar einer „Gleichschaltung“ könne demgemäß keine Rede sein.

Gemeinsame Schnittmenge
Man werde sich, sofern die Zielrichtung des betreffenden Antrags mit der „großen gemeinsamen Schnittmenge“ der vier Parteien harmoniert, gegenseitig unterstützen – auf dieser Basis könne, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Marcus Reif, vernünftig diskutiert werden, denn eine freie, konstruktive Zusammenarbeit sei dem Druck, der in einer Koalition erfahrungsgemäß erzeugt werde, allemal vorzuziehen. Man wolle wertschätzend miteinander diskutieren und zukünftig offener aufeinander zugehen, unterstrich die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr: „Davon profitieren alle!“ Nämlich auch die SPD-Fraktion und – der Bürgermeister. Jener, so Reif, müsse nun im Parlament „um seine Interessen werben“ und könne sich nicht auf die Stimmen einer ihn unterstützenden Koalition verlassen. Damit seien fortan ergebnisoffene Debatten, gerade zu entscheidenden, zukunftsweisenden Themen möglich. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thorsten Press teilte diese zuversichtliche Einschätzung: die zwischen den vier Parteien in großer Runde geführten, ausführlichen Gespräche seien von Beginn an von Offenheit und hoher Wertschätzung geprägt gewesen. In persönlichen Gesprächen habe man durchaus vorhandene Vorbehalte schnell ausräumen können. Man wolle pragmatisch vorgehen und werde sich Kompromissen nicht verschließen, erklärte Press.

Die Gespräche unter den vier Parteien seien „ohne Druck und sehr angenehm“ verlaufen, betonte der dfb-Fraktionsvorsitzende Thomas Probst, zudem seien Ideen „nicht gleich in der Luft zerrissen“ worden. Die freie Kooperation zwischen CDU, GALF, dfb und FDP biete eine „gute Chance“ eine Aufgabe „aus verschiedenen Blickwinkeln“ zu betrachten und vor diesem Hintergrund an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten, meinte Probst. Der dfb-Fraktionsvorsitzende fügte hinzu, dass auch die SPD an diesem Arbeits- und Einigungsprozess teilhaben könne, sofern sie dazu bereit sei. Die SPD habe nämlich, so Probst mit Blick auf das Familienzentrum, „auch gute Anträge“ gestellt. Selbst für Bürgermeister Antenbrink, der in den letzten Tagen und Wochen von CDU, GALF, dfb und FDP mitunter heftig kritisiert wurde, fand der Fraktionsvorsitzende der Freien Bürger – gemessen an dem im politischen Alltag üblichen Schärfegrad – versöhnliche Worte. „Er hat ja auch gute Ideen“, räumte Probst ein. Sogleich betonte er jedoch: „Für ihn ging es in den letzten Jahren zu einfach.“

Stur und kompromisslos habe der Bürgermeister versucht, seinen Kurs als den für die Stadt einzig richtigen durchzusetzen, Bedenken seien stets vom Tisch gewischt worden, so CDU, GALF, dfb und FDP unisono. Dabei sei, mit dem Hinweis auf verstreichende Fristen oder entgehende finanzielle Zuwendungen, allzu oft eine Drucksituation aufgebaut worden, die es den Fraktionen nicht erlaubt habe, sich in der Sache auf angemessene Weise zu beraten. Im Ergebnis seien – etwa hinsichtlich der Entwicklung des ersten Abschnitts des Gewerbegebietes West V – übereilt Beschlüsse gefasst worden, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Marcus Reif. Ähnliche Szenarien, gerade in puncto Stadtentwicklung, sollten dringend vermieden werden. Es müsse künftig mit mehr Weitblick geplant werden, forderte die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr, bislang werde zu oft „aus der Hüfte geschossen“, ohne daran zu denken, was für die Stadt in zehn bis fünfzehn Jahren wichtig sein könnte.

Keine Blockadepolitik
Dabei, sind sich die vier Fraktionen einig, müsse stets die Konsolidierung des Haushaltes im Auge behalten werden. In diesem Zusammenhang stärkten die Fraktionsvorsitzenden dem Ersten Stadtrat und Kämmerer Sven Heß den Rücken: Heß sei „der richtige Mann am richtigen Platz“. Dieser arbeite gut und vertrauensvoll mit Bürgermeister Antenbrink zusammen, das sei erfreulich und wichtig für Flörsheim, sagte Mohr.

Bei aller Kritik an Bürgermeister Antenbrink werde man keinesfalls eine Blockadepolitik betreiben, betonen CDU, GALF, dfb und FDP – allerdings soll, so die Quintessenz des Pressegesprächs, der politische Entscheidungsprozess ergebnisoffen gehalten und im Bedarfsfall entschleunigt werden. Kurzum, die vier Fraktionen begreifen ihre Zusammenarbeit als ein dickes Plus für die demokratische Kultur. Bereits die heutige Stadtverordnetenversammlung wird zeigen, ob die Zuversicht der vier Fraktionen gerechtfertigt ist.

Zunächst ist zweierlei anzumerken. Erstens: Es gibt quasi keinen finanziellen Handlungsspielraum, die Haushaltskonsolidierung gibt den Ton an. Diese zwingt den Blick auf die nächsten beiden Jahre – man fährt also auf Sicht. Wer aber auf Sicht fährt, kann nicht mit Weitblick planen. Zweitens: Letztlich hat allein der Wähler und nicht der Bürgermeister die Fraktionen von CDU, GALF, dfb und FDP dazu gebracht, eine sachorientierte, konstruktive und kompromissbereite parlamentarische Zusammenarbeit anzukündigen – die im Übrigen eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. 

Ein Gedankenspiel: Ob es wohl dazu gekommen wäre, wenn die CDU bei der Kommunalwahl am 6. März 40 Prozent und die FDP 11 Prozent erreicht hätte?

 

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