Flerschem mag es frech und fröhlich

Fastnachtsspaß mit Seitenhieben: KAB-Sitzung lässt kein Auge trocken / Pfarrer Jung plädiert unter Applaus für Narrenfreiheit

Die Kindertanzgruppe „Flerschemer Meedscher“ hatte mit technischen Unwägbarkeiten zu kämpfen. Sitzungspräsident Daniel Schleidt rettete die Situation mit einer spontanen Schunkeleinlage.
(Fotos: R. Dörhöfer)

 

FLÖRSHEIM (drh) – „Es lebe die Freiheit der Flerschemer Fassenacht!“ Ein Ausruf, der die erste KAB-Sitzung am Samstag, 4. Februar, im Gemeindezentrum St. Gallus prägte. Ausgesprochen wurde er von Pfarrer Sascha Jung, der sich mit diesem Satz unmissverständlich gegen den vom KAB-Vorsitzenden ausgesprochenen Maulkorb zur Wehr setzte. Kaum war der Satz erklungen, sprang das Publikum förmlich von den Stühlen und stärkte Jung, der sich nun mal weder von einem Bischof noch von einem katholischen Vereinsvorsitzenden so einfach den Mund verbieten lässt, applaudierend den Rücken. 

Zum Hintergrund: In einem Zeitungsbericht einer örtlichen Tageszeitung war ein Vortrags-Zitat von Jung aufgegriffen worden, was nicht nur Leserbriefe hervorrief, sondern auch dem KAB-Vorsitzenden genügte, um Zensur zu üben. „Ein einzelnes Zitat ohne Zusammenhang – mein Vortrag wurde hier noch nicht einmal gehört“, beklagte sich Jung öffentlich und sprach sich für die Redefreiheit in der Flörsheimer Fastnacht aus. In seinem Sitzungsprogramm ließ Jung die entsprechenden Passagen, um nicht unnötig Öl ins Feuer zu gießen, zwar weg, doch die Sitzungsbesucher beschäftigte das Gehörte deswegen nicht minder.

„Unser Pfarrer zeigt doch nicht nur auf der Bühne Herzblut. Er ist doch mit mindestens genauso viel Herzblut Seelsorger“, so Angelika Woller, die aufgrund ihres Berufes als Bestatterin immer wieder beobachten kann, wie Jung auch im Amt des Pfarrers eine besondere Nähe zu Angehörigen zeigt und mit persönlichen Worten in schwersten Stunden Beistand leistet. Und tatsächlich hat Jung bei seiner Tour durch die närrischen Hallen auch stets ein offenes Ohr für seelsorgliche Belange. Hat ein Akteur einen Angehörigen verloren, findet er auch hinter den Kulissen in der Garderobe und Maske noch Worte des Trostes und kommt jemand in der Sitzungspause spontan auf ihn zu, um ihn um eine Segnung des neuen Eigenheimes zu bitten, zückt er den Terminkalender.

„Ich bin ein Missionar der Fröhlichkeit“, eröffnete Jung sein Bühnenprogramm als Schlussredner in der KAB-Sitzung am Samstag. Durch offene, direkte Sprache, durch im wahrsten Wortsinn reizende Gags und Untertöne („Da muss auch der Papst mal den Tatsachen ins Auge sehen“) macht der Pfarrer auf so manches Dilemma der Kirche aufmerksam.

„Wixit“ und „Flerschem First“
Auf Probleme im Ort fokussierte sich die nunmehr im 19. Jahr aktive Gruppe „Mainstein“, die mit Witz und Ironie den Bau des neuen Rathauses oder auch das akute Kneipensterben kommentierte. Die Flörsheimer Warte und die leerstehende Gallusstubb sprachen zum Publikum, und angesichts des baubegeisterten Bürgermeisters empfahlen die Mainsteiner mit einem Augenzwinkern in Anlehnung an den englischen Brexit für Wicker den Ausstieg mit einem „Wixit“. Die Wappenzeichen „FF“ ließen sich im Nu zu „Flerschem First“ umdeuten und ein Mäuerchen zwischen Wicker und Flörsheim sei bestimmt ebenso schnell gebaut wie ein 90-tägiges Einreiseverbot für die Weilbacher erlassen wäre. In diesem Jahr musste Bürgermeister Michael Antenbrink bei einer weiteren Programmnummer so manchen Seitenhieb einstecken, sangen Stefan Pavone und Daniel Schleidt in ihren Rollen als Kaplan und Pfarrer doch in puncto Rathausneubau „über so manch goldene Kante – mein Gott Ante“.

Zu einem Besuch im Hotel „Zur wilden Wildsau am Wickerbach“ lud die Gruppe „Los Chaos“ ein. Olivia Jones und Udo Lindenberg gehörten zu den Gästen im Hotel, wo noch die Restbestände von Tapeten-Ruppert die Wände zieren. Die Show zeichnete sich durch besonders einfallsreiche und aufwendige Requisiten aus.

Die junge Gruppe „Kaleidoskop“ brachte in diesem Jahr die Story des Musicals in ihrer Gänze auf die KAB-Bühne und die eigene KAB-Nachwuchstanzgruppe „Flerschemer Meedscher“ hatte aufgrund einer Technikpanne die Bühne zunächst wieder verlassen müssen, um dann einen neuen Versuch zu starten. Sitzungspräsident Daniel Schleidt war noch in die Bresche gesprungen und hatte versucht, mit einer spontanen Schunkeleinlage die Panne zu überbrücken, doch die Musik wollte einfach nicht erklingen.

Ein Problem, das die beiden jüngsten Fastnachtsaktiven einmal nicht ereilen wird, griffen doch die beiden 7- und 8-Jährigen schon selbst zur Gitarre und stimmten ein erstes Gitarrensolo an. Luca Pavone und Simon Schleidt steckt die Fastnacht in den Genen, und so gaben sie gemeinsam mit Hannah Frantz einen humorvollen Einblick ins doch anstrengende Schülerleben von heute.

Ein weiteres Duo mit geerbtem Fastnachtssinn sind die beiden „Dollbohrer“ Marc und Patrick Elsener. Die beiden „Apollonia“-Söhne leben inzwischen fernab der Heimat im hohen Norden, doch kehren sie stets zur Fastnachtszeit zu ihren Wurzeln zurück, wo sie in diesem Jahr als Auswanderer begeisterten.

Jutta Schlosser stand viele Jahre mit der Gruppe „Los Chaos“ auf der KAB-Bühne, hielt Zwiegespräche, brillierte in der Figur der „Aische“ und erfand für die aktuellste Ausgabe der Sitzung die neue Figur der „Olga“, die mit ihrem Mann „Igor“ und ihrer warmen Pelzkappe an so einigen Fettnäpfchen nicht vorbeikam. Rednerin Melanie Wallenwein empfahl der Männerwelt ein Barthaarpeeling und eine Brustwarzentönung, was sicherlich auch für die Herren des KAB-Männerballetts eine Herausforderung wäre. Die Männertruppe eroberte als Cowboys die Bühne.

Weitere Tanzdarbietungen gab es von den Ballettgruppen des Flörsheimer Narrenclubs: „Teenies“, „Mancomania“ und „FNC-FunFactory“. Mit musikalischen Darbietungen am Anfang, in der Mitte und am Ende der Sitzung bereicherte die Truppe „Wummigs“ das Programm.

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