Flerschemer Kerb bewegt die Herzen

Fröhliches grün-blaues Fest verbindet die Generationen / Kerbeborsch als Zukunfts- und Hoffnungsträger von Kirche und Gemeinde

„Die Flerschemer Kerb is doo!“ – Beim traditionellen Kerbeeumzug wurde natürlich auch dem Kerbeplatz ein Besuch abgestattet.
(Fotos: R. Dörhöfer)

FLÖRSHEIM (drh) – Die Flörsheimer haben ihre Kerb ins Herz geschlossen – selbst im Sonntagsgottesdienst schmückte Pfarrer Sascha Jung seinen Ambo mit einem großen roten Luftballonherz zur Predigt. Mit dem jährlichen Gedenken an die Kirchweihe des Gotteshauses werde bewusst, dass das Herz der christlichen Gemeinschaft bei der Kirche schlage. Am Altar verdichte sich das sakramentale Leben der Gemeinde, wenn die Eucharistie gefeiert werde und das Leben der Menschen pulsiere, wenn sie mit dem Herzen glauben, hoffen und lieben. Glaube sei aber nicht nur eine Herzenssache, sondern auch eine intellektuelle Herausforderung. Das Fest der Kirchweihe könne dem Glauben trotz Fragen und Zweifel neuen Anstoß geben und ihm zu einer neuen Vitalität und zu einer stärkeren Lebendigkeit verhelfen.

So ganz vital waren die Kerbeborsch im Sonntagsgottesdienst nach einer durchfeierten Nacht des Kerbetanzes zwar noch nicht, aber sie hörten die Botschaft, ihr eigenes „Herz an die Angel“ zu hängen. Die Kerbeborsch seien Zukunfts- und Hoffnungsträger der Kirche und der Gemeinde. „Wer mit wachem Verstand und hörendem Herz glaubt, kann die Herzen der Mitmenschen bewegen“, sagte Pfarrer Sascha Jung.

Wie sehr das Brauchtum der Kerb manch Herz bewegte, zeigte sich in ganz kleinen Momenten am Rande des Trubels. Wenn der Enkel im schicken Anzug mit Kappe und Schärpe am Kerbebaum ganz spontan mit dem im Rollstuhl sitzenden Großvater auf die Kerb anstößt oder sich eine Großmutter durch den Hintereingang zum Kerbetanz schleicht, um fast unbemerkt nur einen Blick auf die jungen Burschen beim Einzug der Kerb zu erhaschen, wurden Erinnerungen und Gefühle geweckt. Etliche Jahrgänge feierten ihr 10-, 20- oder gar 30-jähriges Kerbeborschjubiläum und auch sie ließen alte Zeiten und Freundschaften wieder lebendig werden.

Die ehemaligen Jahrgänge zählten noch mehr Mitstreiter, im Jahr 1986 hielten beispielsweise noch 25 Burschen das Brauchtum hoch. Sie luden zum Kerbetanz in die Stadthalle und hinterließen Bürgermeister Dieter Wolf eine besondere Nachricht auf dem Schreibtisch: „Kerbeborsch 1986“ schrieben die Burschen um Kerbevadder Michel Schleidt dem damaligen Stadtoberhaupt beim Weckruf am Kerbemontag einst mit Senf aufs Pult.

Bei den „96ern“ kamen 15 von einst 22 Kerbeborsch zum 20-jährigen Jubiläum zusammen und fanden trotz unterschiedlichster Lebensentwicklungen sofort Gesprächsstoff. Man erinnerte sich an legendäre Kerbediscos und einem von Vizekerbeborsch abbestellten Kran beim Baumstellen.

Waldgang und Glockengeläut
Der aktuelle Jahrgang ist mit nur elf Mitstreitern zwar kleiner, doch auch die Kerb 2016 sorgt für ihre ganz eigenen Anekdoten. Im Wald erhielten die Burschen am Samstagmorgen beispielsweise schon Besuch von einer Polizeistreife, die vom Brauchtum des Baumholens nichts wusste und sich fragte, wer zu fast nächtlicher Zeit sein Unwesen im Wald treibt und sich an einem 700 Kilogramm schweren Baum versucht. Nur mit tatkräftiger Hilfe einiger Exkerbeborsch und unter dem Kommando des ehemaligen Kerbevadders von 1986 wurde der Koloss verladen und zum Kerbeplatz gebracht. Kaum thronte Kerbebobb „Lissi“ über dem Kerbeplatz, läuteten gar die Glocken von St. Gallus. Zwar handelte es sich beim Geläut nur um ein zufälliges Wartungsläuten, doch die Burschen nahmen es als Zeichen für eine gute Kerb 2016.

m Abend hielt Kerbevadder Luca Rohmann seine Kerberede vor dem mit Besuchern gut gefüllten Gemeindezentrum, dankte Exkerbeborsch, Eltern und Sponsoren für die Unterstützung. Bürgermeister Michael Antenbrink stach zum zehnten Mal ein Apfelweinfass bei einem Kerbetanz an und die Kerbemädchen freuten sich auf den Eröffnungstanz mit ihren Kerbeborsch. 

Bis tief in die Nacht wurde im Gemeindezentrum gefeiert, bevor dann die Glocken von St. Gallus erneut erschallten und zum Sonntagsgottesdienst riefen.

Um 14 Uhr machten sich Kerbeborsch, Vize und einige Exe zum Kerbeumzug auf. Unter Begleitung des Musikvereins wurde Bürgermeister Michael Antenbrink am Rathaus zum Ehrenkerbeborsch ernannt. Alle Beteiligten zogen zum „Joffche“ und machten der Kerbekneipe ihre Aufwartung, bevor der Zug den Kerbeplatz ansteuerte. Die Karussells drehten sich bei strahlendem Sonnenschein längst im Dauermodus und Kerbevadder Luca Rohmann war erneut zum Halten seiner Kerberede gefordert. Bis zum Frühschoppen am Montag war Kerbebobb „Lissi“ auch von ihrem hohen Platz am Baum verschwunden. Die Exkerbeborsch des Jahrganges 2009 hatten einen ihrer Kameraden mit Hilfe eines Krans der Schausteller zu Lissi emporschweben lassen, um die Holde zu holen.

Pfarrer Jung hatte seine Predigt mit dem Rat geschlossen, sich eben „ein Herz zu fassen“ und dranzubleiben, wenn sich der Intellekt dem Gefühl, wenn der Kopf sich dem Herzen in den Weg stelle. Er zitierte den Song des Sängers Joris: „Und immer wenn es Zeit wär zu gehen, vergess ich, was mal war und bleibe stehen / Das Herz sagt bleib, der Kopf schreit geh – Herz über Kopf, Herz über Kopf“ und wünschte allen, dass Gott die Herzen der Menschen erleuchten möge.

Kerbeborsch 2016 sind: 
Felix Preuhs, Marco Treber, Marius Hübner, Marcel Rieger, Tim Degenhardt, Leon Fughe, Florian Simon, Kevin Beciragic, Jonas Nauheimer, Luca Rohmann (Kerbevadder), Lukas Jerskat.

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