Pleiten, Pech und Pannen

Kerb: Gülle im Baumstellloch / Fahnenstange bricht / keine Gans / Kappe und Scherpe vergessen / doch das Wetter hielt

FLÖRSHEIM (drh) – Mit „Willkommen beim Sommerfest“ begrüßten sich die „Flerschemer“ beim Kerbeumzug am Sonntagnachmittag, konnte sich doch niemand an eine solch sonnige und vor allem warme Kerb zurückerinnern: „Eigentlich heißt es ja: An Kerb holt mer de Wintermantel raus, doch heut genügt ein T-Shirt“. So freuten sich Kerbeborsch und Schausteller über guten Zuspruch am ersten Kerbewochenende 2012. Weniger Freude kam auf, als die Burschen um Kerbevatter Alexander Oetter am Samstagmorgen beim Baumstellen ein mit Kuhdung und Gülle gefülltes Baumstellloch entdeckten. Ex-Kerbeborsch hatten sich den Schabernack ausgedacht und die biologischen Hinterlassenschaften besorgt. Diesen Streich konnten die Kerbeborsch ihren Vorgängern allerdings leicht nachsehen, hätten sie ohne die Hilfe der Erfahrenen den Baum vermutlich nicht nach Flörsheim bekommen. Nur sieben des aktuell 16-köpfigen Jahrgangs der Rot-Gelben hatten den Weg in den Wald auf sich genommen, und wären dann da nicht noch gut zehn starke Ex-Kerbeborsch dabei gewesen, würde der große Baum vermutlich immer noch im Wald sein Dasein fristen. Mit vereinten Kräften aber schafften die Jungs den Abtransport zum Kerbeplatz, wo bald schon der Kran aufs Aufstellen des geschmückten Baumes wartete. Die Kerbepuppe, Würste und Lichterkette durften natürlich auch nicht fehlen. Das Aufstellen der großen Leiter wurde für die jungen Burschen zur Herausforderung, doch bis zehn Uhr in der Früh war das Unterfangen weitestgehend gemeistert und man konnte sich den Vorbereitungen für den Kerbetanz im Galluszentrum widmen.

 

Kaum war hier alles gerichtet, stand auch schon die offizielle Kerbeplatz-Eröffnung an. Erstmals präsentierten sich die Herrschaften in dunklen Anzügen, mit Scherpen und Kappen. Auffällig jedoch, dass nur noch wenige in Besitz ihrer eigenen rot-gelben Kappe waren, und kaum waren die letzten Kerbelieder auch verklungen, sollte auch die Fahne nicht mehr im Besitz der Burschen sein. Eine Horde von Ex-Kerbeborsch stürzte sich auf die Fahne und entfachte ein Gerangel, was mit dem Bruch der Fahnenstange endete. Eltern und auch ehemalige Kerbeborsch kommentierten das Handeln der Jugend mit Unverständnis. „Hier geht es zu weit“, „Die Fahne wird doch noch gebraucht“, „Das hat nichts mit Tradition zu tun, kostet es doch nur unnötig Geld“ waren die Meinungen. Im Gespräch mit älteren Jahrgängen wurde zunächst der Fehler beim aktuellen Jahrgang gesucht: „Sie hätten halt loslassen müssen“, prahlten die vermeintlichen Sieger. Dann schien doch noch ein Funken Vernunft die Gemüter zu erreichen und eine gewisse Einsicht zeigte zumindest bei manch Älterem, dass das Fahnen-, Kappenklauprozedere und das Übermalen der Werbeschilder wohl doch nichts mit tiefer Tradition zu tun hat. „Ähnliche Traditionen gab es früher wohl auch, doch lief es damals nicht ganz aus dem Ruder“, meinte ein Grün-Roter, der vom Vater über die wahren Traditionen aufgeklärt worden war. Den Kappenklau hätte man früher ganz einfach mit dem Ausgeben eines Glases „Äppelwoi“ oder einem Autoscooter-Chip rückgängig machen können und auch beim Klauen der Fahne sei es nicht auf ein maßloses Muskelmessen hinausgelaufen, sondern eher auf Geschick und Tücke. „Da gab es schon vorher ein verhandeltes Lösegeld und das Fahnenklauen kam dann auch nur einmal an Kerb vor“, so der Grün-Rote, der die Erinnerungen seines Vaters zum Besten gab. „Aber wie man jetzt den Teufelskreis der neuen Auswüchse durchbrechen kann, wissen wir auch nicht“, so die Burschen.
Den aktuellen Kerbeborsch blieb so oder so kaum Zeit zum Nachdenken, musste bis zum Abend doch eine neue hölzerne Fahnenstange organisiert werden. Aus Holz war in diesem Jahr aber nicht nur die Fahnenstange, sondern auch das Maskottchen des Jahrganges. Den Rot-Gelben war es nicht gelungen, eine Gans für den Kerbeumzug zu organisieren, hätten zahlreiche Gänsebesitzer doch eine Mitfahrt am Kerbeumzug für ihr Tier nicht gestattet. Schade für die kleinsten Kerbbesucher, die stets gern die lebenden Maskottchen im Wagen der Burschen bestaunten, so aber nur einen leeren Käfig und eine Holzgans mit der Überschrift: „Aus Tierschutzgründen“ zu Gesicht bekamen. Beim Kerbetanz am Abend nahm Bürgermeister Michael Antenbrink den Fass?anstich vor und stolz wie eh und je präsentierten sich die Burschen mit ihren rausgeputzten Kerbemädels.
Um 10.30 Uhr war die Nacht für alle Burschen am Sonntag dann zu Ende, riefen die Kirchenglocken doch zum Gottesdienst. Pfarrer Frank-Peter Beuler nahm in der Predigt Bezug zum verkaufsoffenen Sonntag in den Kolonnaden und äußerte Kritik am Kommerzialisieren des Festtages, was von den Gottesdienst-Besuchern mit Applaus belohnt wurde. In den Kolonnaden nahm man jedoch zumindest in der Gestaltung Bezug zur Kerb und schmückte in rot-gelb und verloste Karussell-Fahrchips. Beim Kerbeumzug musste vor allem Kerbevatter Alexander Oetter seine Fitness unter Beweis stellen: Kappe und Scherpe für den Bürgermeister waren im Hause Oetter vergessen worden, sodass der Kerbevatter persönlich einen kurzen Sprint nach Hause einlegte, um die wichtigen Utensilien für den zweiten Ehrenkerbeborsch der Stadt zu holen. Mit Schweißperlen auf der Stirn zurück, ernannte Oetter den Bürgermeister zum Ehrenkerbeborsch, der sich mit „Pluns und Äppelwoi“ bedankte. Wohl dekoriert nahm Antenbrink neben Pfarrer Beuler in der Kutsche Platz und der Zug steuerte unter Begleitung des Musikvereins den Kerbeplatz an.
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