„Solang hier stehet Stein auf Stein“

Beeindruckende Musicalinszenierung zum 350. Jubiläum des Verlobten Tages

Ergreifende Szenen im Musical „Solang hier stehet Stein auf Stein".
(Fotos: R. Dörhöfer)

FLÖRSHEIM (drh) – Mitten im Leben der Tod! – so erschreckend der Satz, so ergreifend auch die Musicalinszenierung zum 350-jährigen Jubiläum des Verlobten Tages. In drei Aufführungen zeigten über 200 Mitwirkende am 23., 24. und 25. September zum einen, in welcher Not sich die Flörsheimer vor 350 Jahren befanden, und zum anderen, wie auch heute noch Menschen, ohne dass die Pest als Krankheit Angst und Schrecken verbreitet, in ähnlich bedrohliche Situationen geraten.

Die Inszenierung war weit mehr als ein Historienspiel. Es rückte den Menschen mit all seinen Emotionen in den Mittelpunkt. Szenen der Liebe und Freundschaft wechselten mit Momenten der Angst, des Neides und der Missgunst sowie der Trauer. Der Frankfurter Pfarrer Eugen Eckert schrieb das Libretto für „Solang hier stehet Stein auf Stein“, und Schüler des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums komponierten die Musicalmelodien zusammen mit ihrem Musiklehrer Bernhard Frank. „Es ist ein beeindruckendes Meisterwerk“, lobte Antenbrink nach der Premiere am Freitag, die bei vielen Zuschauern eine Gänsehaut verursachte und mit stehendem Applaus belohnt wurde.

Eindringliche Inszenierung
Ein schlichtes Bühnenbild, einfache Kostüme, aber umso raffiniertere szenische Darstellungen, die die gesamte Stadthalle als Spielfläche nutzten, zeichneten das Werk aus. Regisseurin Petra Spies wollte ganz bewusst Assoziationen zur Gegenwart durchblicken lassen, und so erschienen auch auf der Leinwand nicht nur die Originalnamen der Totenlisten des Kirchenbuches von 1666, sondern auch Bilder, wo der Tod auch heute noch Menschen mitten aus dem Leben reißt. Bilder von Hungernden, Naturkatastrophen, Flüchtlingen waren zu sehen. Mitten in aller Tragik der Pest, wo die vier Kinder des Schneider Schumachers starben, die Totengräber ein Kreuz nach dem anderen errichteten und das Absondern der Kranken zur Pflicht wurde, keimten stets Momente der Hoffnung. Der Glaube an Gott, das Wirken von Pfarrer Münch, das Lachen von Kindern und die Liebe an sich ließen die getroffenen Flörsheimer nicht aufgeben. „Wo bist Du, Gott? Sieh doch unsre Not, diesen Kinder droht der Tod“, hieß es von den verzweifelt Betroffenen. Pfarrer Münch stand den Familien bei, half bei der Versorgung der Kranken und versuchte, der Gemeinde in der Not Halt zu geben. Auch er fragte jedoch: „Habe ich genug getan oder habe ich versagt?“. Münch blieb als guter Hirte bei seinen Schafen und stellte sich auch den Anschuldigungen des Intriganten Eberweins, der ihn unter anderem der Weiberei bezichtigte.

18 Monate Arbeit zahlten sich aus
Der Jugend-Musicalchor unter der Leitung von Musiklehrerin Wiebke Vella und ein großer Erwachsenenchor unterstützten die Darsteller im Gesang und holten durch ihr Singen auf Ebene des Publikums sogleich auch alle Besucher mit ins Geschehen. In der Saalmitte ein Brunnen, wo sich Kinder und Gänse tummelten. Inmitten der Besucherplätze auch Pestopfer, die still und fast unbemerkt von dannen geholt wurden. Gerade der Verzicht auf eine chronologische Abhandlung der historischen Ereignisse machte das Musical zu einem modernen Werk, das auch jungen Menschen die Ereignisse des Verlobten Tages näherbringen kann. Das Streichorchester des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums unter der Leitung von Katrin Pons und der Flörsheimer Musikverein waren für den instrumentalen Part verantwortlich und zeigten eine ebenso beeindruckende Leistung wie alle Mitwirkenden, die gemeinsam das Ziel hatten, die Idee des Verlobten Tages für Menschen aller Altersklassen lebendig werden zu lassen. Eineinhalb Jahre hatten die Vorbereitungen für das Musical gedauert, doch sei der Geist des Verlobten Tages so auch wieder ein Stück zukunftsfähiger geworden. 
Das eigentliche Musical endete mit dem ergreifenden Gelöbnis der Flörsheimer, doch mit der Zugabe wurde der Verlobte Tag auch in die Zukunft transferiert. Auf der Leinwand erschien die Berichterstattung der Flörsheimer Zeitung aus dem Jahr 2021, und Navigationsgeräte blendeten das Datum des Verlobten Tages im Jahr 2066 ein

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