Katastrophenübung in Weilbach

17 Verletzte schrien ganz nach Drehbuch um ihr Leben oder mimten einen Bewusstlosen

WEILBACH (drh) – In Anzügen, ähnlich denen der Astronauten, suchten Feuerwehrkräfte am Samstag nach Verletzten im Rahmen einer Großübung für Katastrophenfälle auf dem Landhandelsgelände in der Industriestraße. 17 Laiendarsteller der Notfalldarstellergruppe aus Thüringen waren mit Kunstblut und viel Schminke so hergerichtet worden, dass der inszenierte Gefahrstoffunfall möglichst echt daherkam.

 

Das Patientendrehbuch gab vor, verschiedenste Schockzustände, Verätzungen, den Verlust von Gliedmaßen und tiefe Platzwunden zu mimen. Für die Notfalldarsteller gehört solch ein Szenario zur Routine, werden sie doch regelmäßig für Übungsszenarien gebucht. Bei der Übung am Samstag wurde ein Gefahrstoffaustritt simuliert, wo zum einen ein Herbizid und zum anderen eine Säure ausgelaufen sein sollten. „Die Wirkung von Herbiziden ist mit dem eines leichten Nervenkampfstoffes vergleichbar. Da müssen Profis ran“, meinte Thomas Spengler als Sachgebietsleiter Katastrophenschutz für den Main-Taunus-Kreis.
Der Main-Taunus-Kreis kann auf besonders geschulte Feuerwehr- und Rettungskräfte für den Katastrophenfall im Bereich von Chemie- und Biounfällen zurückgreifen und bot mit dem Szenario am Samstag idealste Übungsbedingungen. Die ausgelaufenen Gefahrstoffe haben Menschen und Maschinen verseucht, so dass die alarmierten Rettungskräfte nur mit Chemieschutzanzügen zur Tat schreiten konnten. Es galt, gehfähige und liegende Personen sowie Fahrzeuge zu entgiften und den Einsatz so abzuwickeln, dass keine weitere Personen gefährdet oder gar kontaminiert werden. „Die Kontamination darf nicht verschleppt werden“, so Spengler.
Die Übungsleiter achteten so beispielsweise auch darauf, dass abgerissene Gliedmaßen erst nach einer Säuberung mit dem ebenfalls gereinigten Patienten ins Krankenhaus verbracht wurden. Ob die geschulten Säuberungsmaßnahmen wirklich erfolgreich abgewickelt wurden, testeten die Organisatoren mit einer UV-Paste, die durchsichtig und abwaschbar ist, aber unter UV-Licht wieder zum Vorschein kommt, wenn beim Waschen gepfuscht wurde. „Wir können dann sehen, ob die Reinigung gründlich war“, so Spengler.
Der Hof des Landhandels war mit Mehlstaub und Rauchbomben präpariert worden, so dass sich den eintreffenden Rettungskräften ein authentisches Bild bot. Die 17 Verletzten hatten zwischen großen Silos, auf hohen Laufanlagen und in Lagerräumen Quartier bezogen und schrien ganz nach Drehbuch um ihr Leben, wimmerten sachte oder mimten einen Bewusstlosen. „Inmitten der Rhein-Main-Region ist das Gefahrenpotential für Chemieunfälle nicht unerheblich. Eine gesetzliche Bestimmung für die Vorhaltung von Katastrophenschutzgruppen gibt es aber nicht“, so Spengler.
Der Kreis habe jedoch nach den Warnungen zur Maul- und Klauenseuche und durch die Auflagen zur Schweinepest und Vogelgrippe Zug um Zug in die Ausbildung von Fachkräften für Gefahrstoffunfälle investiert. Am Samstag kam beispielsweise auch erstmals ein neuer Materialcontainer zum Einsatz. Zu den besonders geschulten Rettungskräften zählen Wehrleute aus Kriftel, Liederbach und Flörsheim sowie Rettungskräfte vom Roten Kreuz Bad Soden. Die besondere Schwierigkeit bei Gefahrstoffunfällen liege vor allem auch im Erkennen der Stoffe, denn nur so könne die richtige Art der Behandlung gewählt werden. Seien Menschen mit Säuren kontaminiert, gelte es zunächst vor allem die Säure mit Wasser zu verdünnen, bei Viren und Bakterien käme Essigsäure zum Einsatz, um die Keimzahl zu minimieren. „Bei Fahrzeugen muss der Einsatz von Essigsäure aber gut abgewogen oder mit einem weiteren Stoff gearbeitet werden, sonst ist Lack und Fahrzeug ruiniert“, so Spengler.
Der hohe Platzbedarf stelle die Einsatzkräfte zudem vor große Herausforderungen, brauchte eine Waschwanne für einen LKW doch schnell mal einen Platz von 20 Metern Länge und 6 Metern Breite.
Täuschend echt sahen die geschminkten Wunden der Laiendarsteller am Samstag aus.
 
In orangefarbenen Vollgummianzügen suchten die Wehrkräfte auf dem kontaminierten Gelände des Landhandels im Rahmen der Übung nach Verletzten. ?(Fotos: Dörhöfer)
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