Rückenwind für ein totes Projekt

Widerstand gegen geplante Kita „Berliner Straße“: Anwohner fordern Erhalt des Spielplatzes / Ortsbeirat gibt keine Empfehlung ab

Wer hat Lust auf eine Schneeballschlacht? Auch im Winter ein idealer Platz zum Toben – der Spielplatz an der Berliner Straße.

WEILBACH (noe) – Bei Ortsbeiratssitzungen ist es guter Brauch, den Bürgern aus gegebenem Anlass Rederecht zu gewähren. Bei der Beratung des Aufstellungsbeschlusses zum Bebauungsplan der Kindertagesstätte „Berliner Straße“ im Ortsbeirat Weilbach war dieser Anlass ohne jeden Zweifel gegeben. Allein die Tatsache, dass am Montag mehr als 50 Bürgerinnen und Bürger die Sitzung besuchten, verdeutlichte nämlich, dass ein höchst sensibles Thema zur Debatte stand. Parteiübergreifend wurde betont, dass das hohe Interesse der Öffentlichkeit erfreulich sei; die Anregungen der Bürger wolle man bei den Beratungen gerne berücksichtigen, hieß es.

Anregungen gab es vereinzelt, sie bezogen sich vornehmlich auf die Suche nach alternativen Kita-Standorten. Vor allem gab es aber eine klare Ansage, die Anwohner Michael Eyben gleich zu Beginn der Diskussion machte: „Wir brauchen diesen Spielplatz!“ Eyben brachte damit das Hauptanliegen aller zur Ortsbeiratssitzung erschienenen Anwohner auf den Punkt. Ruhig, aber bestimmt konfrontierte er den Ortsbeirat mit den Argumenten, die (nicht nur) aus seiner Sicht gegen die Beseitigung des zwischen Faulbrunnenweg und Berliner Straße liegenden Spielplatzes sprechen. In unmittelbarer und weiterer Nachbarschaft hätten sich in den letzten Jahren viele junge Familien mit Kindern angesiedelt, er selbst sei mit seiner Frau vor sechs Jahren in die Wingertstraße gezogen. Wie die anderen Kinder aus der Nachbarschaft, brauche auch sein zweijähriger Sohn einen Platz zum Toben und Spielen. Des Weiteren werde es im Falle der Realisierung des Bauprojektes zu einer Verschärfung der vor Ort ohnehin kritischen Verkehrssituation kommen, gab Eyben zu bedenken. Eine Kindertagesstätte in der geplanten Größenordnung – in der Begründung zur Vorlage ist von einer Einrichtung mit zwei U3-Gruppen und einer Ü3-Gruppe die Rede – werde bei laufendem Betrieb zweimal täglich von etwa 50 Fahrzeugen frequentiert. Damit werde nicht nur das lokale Verkehrsaufkommen, sondern auch das bereits jetzt bestehende Parkplatzproblem erhöht, unterstrich Eyben. Die Infrastruktur sei ganz einfach nicht dazu geeignet, noch mehr Verkehr zu bewältigen: „Die Zu- und Abfahrt wird zum Chaos!“

„Sie reden uns das Wort“, stimmte Martina Pokowietz (SPD) ihrem Vorredner zu. Die problematische Verkehrssituation in dem betreffenden Bereich sei wohlbekannt, genau aus diesem Grund habe man vor zwei Jahren für eine Einbahnstraßenregelung gesorgt. Die SPD erkenne auch die Notwendigkeit des Spielplatzes: „Er wird für Kinder jeden Alters gebraucht. Wir möchten deshalb gerne auf eine Kita dort verzichten, haben im Stadtparlament auch dagegen gestimmt.“ Die vom Bürgermeister angestrebte Erweiterung der Kita „Pusteblume“ an der Frankfurter Straße wäre in jeder Hinsicht die beste Lösung gewesen, die aber, so Pokowietz, am Widerstand von vier Parteien gescheitert sei.

„Die Pusteblume ist keine Lösung“, erwiderte Jörg Duchmann (FDP). Durch den Ausbau hätte sich die Kita bis an die Frankfurter Straße und an die Hofheimer Straße ausgedehnt. Die Kinder wären dann direkt mit den auf beiden Durchgangsstraßen erzeugten Abgasen und Lärmemissionen in Kontakt gekommen, so Duchmann. Bürgermeister Michael Antenbrink widersprach vehement, die Planungen seien bekanntlich so vorgenommen worden, dass der Außenbereich eben nicht an den genannten Straßen gelegen hätte: „Lügen Sie den Leuten doch nichts vor!“ Der Rathauschef nutzte die Gunst der Stunde, um die Vorteile des von ihm vorangetriebenen und aus seiner Sicht zu Unrecht gescheiterten Ausbaus der Pusteblume aufzuzählen. Der für den Stadtteil prognostizierte Bedarf an Betreuungsplätzen wäre vollständig abgedeckt worden, die Finanzierung sei wegen der bewilligten Fördermittel sicher gewesen – und, gerade angesichts der Notwendigkeit einer möglichst zeitnahen Lösung: „Wir waren baureif. Binnen eines Jahres hätte mit dem Bau begonnen werden können.“ Er habe immer für die Erweiterung der Pusteblume gekämpft, sei aber von der Mehrheit des Stadtparlamentes mit dem Bau einer dauerhaften Kinderbetreuungseinrichtung auf dem Spielplatzgelände beauftragt worden. Anders als von einigen Bürgern befürchtet, werde während des Realisierungsprozesses niemand „über den Tisch gezogen“. Mit dem zur Beschlussfassung stehenden Aufstellungsbeschluss stehe man am Beginn eines „ganz normalen, klassischen Bebauungsplanverfahrens“, bei dem jeder Bürger mehrfach die Möglichkeit habe, Einwände vorzubringen.

Die Sozialdemokraten und der Bürgermeister erhielten außerparlamentarischen Rückenwind für ein totes Projekt: Nicht eine Bürgerin und nicht ein Bürger übte am Ausbau der Pusteblume Kritik, vielmehr stieß das Viererbündnis mit seiner kategorischen Ablehnung auf Unverständnis. Da half auch die Behauptung des GALF-Stadtverordneten Peter Kluin nichts, dass Kitas in der von Bürgermeister Antenbrink geplanten Größenordnung von allen Pädagogen ein schlechte Zeugnis ausgestellt bekämen. „Ganz sicher nicht von allen Pädagogen“, rief ein Bürger dazwischen.

Wenn die Erweiterung einer bereits bestehenden Einrichtung nicht mehrheitsfähig ist, muss ein anderer Standort gefunden werden. Leichter gesagt als getan. Die vermeintlichen Alternativen können nämlich, wie im Falle des Baugebietes „Krimmling“, laut Stadtverwaltung nicht zeitnah umgesetzt werden. Dass die Beseitigung eines beliebten und seit mehreren Generationen genutzten Spielplatzes als einzige Option übrig bleiben soll, halten die gegen Aufstellungsbeschluss protestierenden Bürger für ein Unding. Aus ihren Reihen wurde die Politik mit Nachdruck aufgefordert, eine andere Lösung zu finden. „Ansonsten hat die Kommunalpolitik gerade ihre Bankrotterklärung abgegeben“, merkte ein Anwohner an.

Die Ortsbeiratsmitglieder von CDU, FDP und GALF warben um Verständnis: Die Bebauung des Spielplatzes sei sicher keine optimale Lösung. Deshalb habe man sich auch nur mit Bauchschmerzen zu dem Bauprojekt durchgerungen. Eigentlich sei eine provisorische Einrichtung angestrebt worden. Es habe sich allerdings herausgestellt, dass nur eine dauerhafte Kita förderfähig und damit finanzierbar sei. „Glauben Sie uns bitte, dass wir uns bemühen“, beschwor der GALF-Stadtverordnete Peter Kluin die versammelten Anwohner. „Und bitte bedenken Sie die Situation für die Kinder, die untergebracht werden müssen.“

Um Bedenkzeit baten die CDU- und FDP-Ortsbeiräte. Man müsse sich in den Fraktionen beraten, der in der nächsten Woche tagende Bauausschuss möge eine Handlungsempfehlung für die Stadtverordneten abgeben. Bürgermeister Antenbrink setzte nach: „Der Ortsbeirat sollte Farbe bekennen. Sich jetzt aus der Verantwortung zu ziehen ist unredlich!“ Die GALF habe kein Problem damit, sofort abzustimmen, betonte deren Fraktionsvorsitzende Renate Mohr. Es sei allerdings guter parlamentarischer Brauch, dem Wunsche nach weiterer Beratung zu entsprechen. Die SPD indes stimmte gegen den beantragten Beratungsbedarf. Die Sozialdemokraten kündigten an, sich weiterhin gegen einen Kita-Bau auf dem Spielplatzgelände auszusprechen. Der Beifall der Anwohner war und ist ihnen damit gewiss.

 

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