Alte „Geldreserven“ für Stiftungskapital gesucht

Stiftung „Hattersheim evangelisch“ hofft, über Spenden in Form ehemaliger Währung den Etat erhöhen zu können

Die Stiftung „Hattersheim evangelisch“ sammelt DM zur Erhöhung des Stiftungskapitals – Gemeindepädagogin Johanna Kaus, Stiftungsrats- und Kirchenvorstandsmitglied Dietrich Muth, Stiftungsratsvorsitzender Hans-Eberhardt Hildebrandt und Krippenleiterin Daniela Schneider (von links) freuen sich über jeden Pfennig!?(Foto: A. Kreusch)

 

HATTERSHEIM (ak) – Seit 2009 gibt es nun die Stiftung „Hattersheim evangelisch“. Sie wurde gegründet, um Projekte der Hattersheimer evangelischen Kirchengemeinde zu unterstützen: Für die Jugend- und die Seniorenarbeit bleibt im Etat der Gemeinde nicht genug übrig. „Der Rückfluss der Kirchensteuer an die Gemeinden orientiert sich an den Mitgliederzahlen und ist unabhängig von der Lage vor Ort – dadurch haben die Gemeinden sehr unterschiedliche Möglichkeiten“, erklärt der Initiator von „Hattersheim evangelisch“, Stiftungsvorstand Hans-Eberhardt Hildebrandt. „Auch aus dem Sozialbericht des Main-Taunus-Kreises geht hervor, dass eigentlich in Hattersheim Schwerpunktarbeiten geleistet werden!“

 

Nicht nur die rückläufige Mitgliederentwicklung (trotz enormen Zuzuges nach Hattersheim hat sich die Zahl der Gemeindemitglieder seit 2003 von damals 3.390 auf heute 3.100 verringert) schmälert den Etat der Gemeinde, sondern auch die jährliche „Neubemessung“ des Rückflusses durch die Kirche ist ein „Unsicherheitsfaktor“ für die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde: „Es kann durchaus sein, dass man uns „von oben“ im nächsten Jahr einige Euro weniger zugesteht pro Gemeindemitglied – und aus diesen Mitteln muss die Gemeinde alle ihre Kosten decken: von der Sekretärin über die Gebäudeerhaltung bis zur Briefmarke, nur der Pfarrer selbst muss nicht davon bezahlt werden. Die fixen Kosten steigen, Mitgliederzahlen sinken, für Dinge, die einem am Herzen liegen, bleibt da aus dem normalen Etat nichts mehr übrig“, weiß Hildebrandt.

Kirchenaustritte im Trend
Dass der Ruf der Kirchen in der letzten Zeit etwas gelitten hat, trifft die Gemeindearbeit da genauso wie die Einspar- beziehungsweise Sparwut der Menschen, Hildebrandt ist sich da ziemlich sicher: Während die einen keine Kirchensteuer auf ihre Kapitalerträge bezahlen wollen (obwohl das schon immer Pflicht war – früher über die Steuererklärung, nun aber „automatisiert“ und in den Medien daher noch einmal sehr hervorgehoben und diskutiert), bekommen auch viele Bauherren oder die Erwerber von Immobilien heute schon bei der Finanzierungsberatung den Tipp, doch „einfach“ die Kirchensteuer einzusparen und aus der Kirche auszutreten. Das könnte einer der Gründe dafür sein, dass der Anstieg der Einwohnerzahlen in Hattersheim sich nicht spürbar positiv auf die Anzahl der Gemeindemitglieder auswirkt.
Die Stiftung soll der Gemeinde da helfen: Mit 100.000 Euro als Anfangskapitalstock aus den Mitteln der Gemeinde gegründet, hat sie mittlerweile ein Grundkapital von 170.000 Euro erreicht, sie wirft momentan 8.000 Euro Zinsen im Jahr ab. Das Stiftungskapital muss unangetastet bleiben – je höher es wird, desto mehr Zinsen wird es abwerfen. „Die Stiftung ist keine Augenblicksangelegenheit, sie ist in die Zukunft gerichtet“, erklärt der Vorsitzende des Stiftungsrates. „Wir freuen uns über jede Spende, die ihr zufließt und das Grundkapital erhöht – auch Vermächtnisse können ihr zukommen, etwa von Menschen, die ihr Erbe nicht einfach an den Staat fallen lassen möchten, sondern die Gewissheit haben wollen, dass es etwas Gutes bewirkt.“ Er selbst hat an seinem 80. Geburtstag seine Gratulanten gebeten, anstatt Geschenke für ihn zu kaufen, etwas für die Stiftung zu spenden.

Stiftungskapital soll wachsen
Dietrich Muth, Mitglied im Kirchenvorstand der evangelischen Gemeinde Hattersheim und im Stiftungsvorstand, peilt als mittelfristiges Ziel ein Stiftungskapital von 250.000 Euro an. „Hauptnutznießer der Stiftung sind nach ihrem festgelegten Stiftungszweck die Jugendlichen und die Kindergartenkinder der Gemeinde, auch für die Senioren über 70 Jahre werden etwa die Adventsfeiern oder die 'Geburtstagscafés', die alle zwei Monate veranstaltet werden, aus den Stiftungszinsen bezahlt, dadurch entstehen der Gemeinde dafür gar keine Kosten“, führt er an. Auch für die Jugendarbeit der evangelischen Kirche in Hattersheim werden Gelder aus dem Stiftungsertrag verwendet: „Dadurch, dass wir in Hattersheim zurzeit anstatt der hier eingeplanten 1,5 Pfarrerstellen nur eine halbe Stelle besetzt haben, fehlt uns zum Beispiel für den Konfirmandenunterricht ein ganzer Pfarrer – die Zeit, die ein Pfarrer für die Betreuung der Konfirmanden aufwendet, wird so hier nun nicht aus dem 'Pfarrer-Etat' bezahlt, die Gemeinde muss sie selbst aus dem eigenen Etat finanzieren. Dafür geben wir hier nun etwa 3.000 bis 3.600 Euro aus, aber die Jugendarbeit ist uns das wert!“, versichert Muth. Dass Gemeindepädagogin Johanna Kaus, die auch den Jugendtreff „Exil“ betreut, diese Aufgabe mit sechs Stunden in der Woche seit Juli diesen Jahres übernommen hat und weiterhin führen wird, solange die Pfarrerstellen der Gemeinde nicht voll besetzt sind, ist allerdings gar nicht so schlecht, denn so kann ihre Arbeit ineinander übergreifen – die Jugendlichen, die sie im Konfirmandenunterricht und im Jugendausschuss betreuen wird, könnten dann ja auch ins „Exil“ kommen. Auch in der Zeit, in der es in Hattersheim noch genügend Pfarrer gab, hat die Stiftung schon Mittel für Konfirmanden bereitgestellt. „Wir haben auch da geholfen, wo etwa einkommensschwache Eltern die Kosten für die Konfirmandenfreizeit nicht tragen konnten, es ist ja wichtig, dass da kein Jugendlicher ausgegrenzt wird“, berichtet Dietrich Muth.
Ein weiterer Schwerpunkt, bei dem Stiftungserträge eingesetzt werden, ist die Ausstattung der evangelischen Kindertagesstätte. „Die im Gemeinde-Etat vorgesehenen 2.000 Euro sind da einfach zu wenig, und die Möglichkeiten der Stadt – die sich eigentlich mit 50 Prozent daran beteiligen müsste – als Schutzschirmkommune sind begrenzt, daher springt auch hier die Stiftung ein: Wir haben uns zum Beispiel an der Anschaffung einer großen Spülmaschine beteiligt und auch für 3.000 Euro Spielzeug für die Krippenkinder auf dem Außengelände angeschafft“, erzählt Muth. „Man glaubt das gar nicht, wenn man die Rutsche und den Sandkasten sieht, was diese Dinge kosten – aber die Krippenkinder dürfen ja manche Spielgeräte der 'Größeren' noch gar nicht benutzen, das war für die Betreuerinnen immer schwierig, sie davon abzuhalten, solange noch kein altersgerechtes Spielzeug auf dem Außengelände war.“ Daniela Schneider, die Leiterin der Krippe, bestätigt das, auch sie ist sehr froh über die neuen Spielgeräte.
Im Hinblick auf das „angepeilte“ Stiftungsvermögen von 250.000 Euro gibt es allerdings für „Hattersheim evangelisch“ ein Hauptproblem: Wie kommt man an weitere Gelder, die das Stiftungskapital aufstocken?
„Wir haben eine Person in der Gemeinde, die jedes halbe Jahr 500 Euro an die Stiftung spendet, auch einige andere spenden jährliche Beträge – aber es ist sehr mühsam, Geld zusammenzubekommen“, berichtet Dietrich Muth. Hans-Eberhardt Hildebrand vermutet: „Die älteren Jahrgänge, die mit einer gewissen Spendenkultur aufgewachsen sind, fallen im Laufe der Jahre auch leider weg, es ist überall schwieriger geworden, Spender zu motivieren, dabei wird die Stiftung ja immer wichtiger für die Gemeinde werden.“

Idee: DM soll helfen
Der findige Stiftungsvorstand hatte eine Idee: „Man weiß ja, dass in deutschen Haushalten noch Milliarden an alten DM-Scheinen und -Münzen existieren – aber die Banken lehnen mittlerweile den Umtausch ab, man kann das alte Geld nur mit erheblichem bürokratischem Aufwand bei der Bundesbank umtauschen. Vielen Leuten ist dieser Aufwand einfach zu groß. Darum bitten wir die Hattersheimer – beziehungsweise wir fordern sie auf – ihre DM einfach bei uns vorbeizubringen und für die Erhöhung des Stiftungskapitals zu spenden! Wir übernehmen dann gerne den Umtausch!“
Das Glas, in dem die alten Scheine und Münzen gesammelt werden sollen, ist schon mit 50 DM gefüllt – und wartet darauf, mehr „altes Geld“ aufzunehmen. Es steht bis Ende des Jahres im Pfarrbüro der evangelischen Kirchengemeinde in der Schulstraße 12 in Hattersheim von Montag bis Freitag ab 9 bis 12 Uhr bereit. „Wer da keine Zeit hat, vorbeizukommen, kann seine DM aber auch am Sonntag in den Klingelbeutel werfen – wir sortieren das dann gerne aus“, sind sich Hans-Eberhardt Hildebrandt und Dietrich Muth lachend einig.

 

 

 

 

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