Die Angst vor dem Hochhaus

Zunehmender Protest nach Offenlage: Mehr als 200 Unterschriften gegen das Bauprojekt im Urbansviertel / Anwohner fühlen sich vorgeführt

Auf dem Gelände der ehemaligen Urbansmühle soll ein sieben Stockwerke hoher Neubau entstehen. Das Vorhaben stößt auf den Protest der Anwohner, sie befürchten aufgrund der Nähe und der Größe des geplanten Gebäudes eine Einschränkung ihrer Lebensqualität.
(Foto: A. Kreusch)

HATTERSHEIM (noe) – Es gibt Bauprojekte, die planmäßig und relativ schnell realisiert werden. Es gibt aber auch Vorhaben, deren Umsetzung durch Planänderungen verzögert wird. Kommt ein solches Bauvorhaben in neuem Gewande dann wieder aufs Tapet, ist nicht selten für Aufregung gesorgt. So auch im Falle des Bauprojektes auf dem Gelände der ehemaligen Urbansmühle.

Das zwischen Südring, Schwarzbach und Hessendamm gelegene Areal befindet sich samt des nur noch in Teilen erhaltenen Altbestandes an Gebäuden im Besitz der „Hattersheimer Wohnungsbaugesellschaft“ (Hawobau). Auf dem 10.000 Quadratmeter großen Grundstück erfolgte im Oktober 2012 der Abriss des Silos, damit wurde im wahrsten Wortsinn der Boden für einen Neubau bereitet. Ursprünglich sollte – wie im bereits rechtskräftigen Bebauungsplan N 87 ersichtlich – der sechsstöckige Mehlspeicher aus den 1920er Jahren saniert und zu Wohnzwecken genutzt werden. Nach gründlicher Inaugenscheinnahme der Bausubstanz habe sich jedoch herausgestellt, dass wegen des hohen Anteils an Stahlbeton die Kosten einer Sanierung wirtschaftlich nicht vertretbar gewesen wären, erklärte die Baudezernentin der Stadt Hattersheim, Erste Stadträtin Karin Schnick, im Gespräch mit dieser Zeitung. Zudem hätten die etwa vier Meter hohen Räume des Altbaus nicht optimal genutzt werden können. Eine Entkernung des Silos wäre notwendig gewesen, doch dies sei aus Kostengründen nicht infrage gekommen. Die Hawobau entschied sich als Bauherrin stattdessen für den Abriss des Altbestands und für die Errichtung eines Neubaus.

Der Kurswechsel führte zum Entwurf eines neuen Bebauungsplans, der in seiner Fassung vom 18. April 2016 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Laut Plan sollen auf dem Gelände nun zwei Neubauten entstehen: nämlich ein siebenstöckiges Hochhaus und ein fünf Stockwerke hohes Gebäude. Die Ausmaße der mit hochpreisigen Wohnungen ausgestatteten Häuser entsprächen in etwa dem abgerissenen Altbestand, so die Baudezernentin. Die Fassade soll eine Backstein-Optik erhalten, um dem in der alten Planung festgelegten Erscheinungsbild zu entsprechen.

Die Offenlage des Bebauungsplans begann am 13. Mai und endete vor drei Tagen. Als die Anwohner des Mühlenviertels von dem geänderten Bebauungsplan erfuhren, reagierten sie geschockt. Sie befürchten vor allem aufgrund der Nähe und der Größe des geplanten siebenstöckigen Gebäudes eine Einschränkung ihrer Lebensqualität. Ruth Schoppe legte am 10. Juni bei der zuständigen Verwaltungsstelle Widerspruch ein. Die Anwohnerin aus dem Mühlenviertel überreichte zugleich 100 Unterschriften gegen den Bebauungsplan, die sie in ihrer nahen und erweiterten Nachbarschaft gesammelt hatte. Auch aus dem Südring regt sich Widerstand: Sabrina Schreiber wurde am 13. Juni, dem letzten Tag der Offenlage, beim Magistrat der Stadt Hattersheim vorstellig, um ihren von 105 Unterzeichnern unterstützten Widerspruch einzureichen.

-Inhaltlich unterscheiden sich die Widersprüche nur geringfügig, beide spiegeln die Sorgen und das Unverständnis der Anwohner wider. „Bei der Vielzahl der Neubaugebiete in Hattersheim fällt auf, dass überall maximal dreigeschossig gebaut wird. Aus diesem Grunde ist der Plan, plötzlich an einer Stelle bis zu siebengeschossige hohe Häuser zu bauen, schwer nachvollziehbar“, heißt es etwa in dem Begründungstext, den Ruth Schoppe ihrem Widerspruch beigefügt hat. Sie warnt zudem davor, dass das Stadtbild durch die Errichtung der beiden hohen Bauten im Urbansviertel „extrem unruhig und willkürlich“ wirken könnte. Die Unterzeichner aus dem Mühlenviertel sind auch aus anderen Gründen beunruhigt: „Bereits jetzt sind Unsicherheit und Unzufriedenheit bei den Bewohnern des Mühlenviertes spürbar: zum einen möchte niemand von uns auf ein Hochhaus schauen, zum anderen befürchten wir eine negative Veränderung unseres sozialen Gefüges.“ Das bestätigen auch die Unterzeichner aus dem benachbarten Südring: Hochhäuser seien für den Aufbau guter nachbarschaftlicher Verhältnisse hinderlich und passten außerdem nicht zu dem drei- bis viergeschossigen Bestand im Mühlenviertel. Die geplanten Gebäude würden aufgrund ihres mächtigen Erscheinungsbildes bedrückend wirken und die Anwohner psychisch belasten. „Hier waren niedrigere Häuser und mehr Grünflächen vorgesehen, also ein ganz anderes Stadtbild und Wohngefühl und damit verbunden ein größerer Abstand zwischen den Häusern“, schreibt Ruth Schoppe. „Im Nachgang so deutlich veränderte Prämissen vorzufinden, die teilweise zu anderen Kaufentscheidungen geführt hätten, ist ein weiterer Punkt, der bei uns, den Bewohnern des Mühlenviertels, Unzufriedenheit auslöst. Wir fühlen uns vorgeführt.“

Im Gespräch mit dem Stadtanzeiger betonte Erste Stadträtin Karin Schnick, dass die Änderung des Bebauungsplans fristgemäß und rechtssicher vorgenommen und sowohl vom Aufsichtsrat der Hawobau als auch von den Mitgliedern des Magistrats einstimmig beschlossen worden sei. Nun werde unter Berücksichtigung der eingegangenen Widersprüche das weitere Vorgehen abgestimmt.

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