Archäologische Pralinen

Grabungsleiterin Jessica Meyer berichtete von den bisherigen Erkenntnissen aus den Grabungen

HATTERSHEIM (ak) – Nachdem schon der „Tag der Offenen Grabung“ im Spätsommer letzten Jahres sehr großes Interesse nicht nur bei den Hattersheimer Bürgern hervorgerufen hatte und viele damals die Gelegenheit wahrgenommen haben, ein Archäologisches Grabungsfeld unter der fachkundigen Leitung von Jessica Meyer M.A. einmal selbst zu begehen und dabei sogar Archäologen bei ihrer täglichen Arbeit zusehen zu könne, nahmen auch am 14. März wieder zahlreiche Interessierte die Gelegenheit wahr, sich von der Archäologin in gewohnt kompetenter, lockerer und verständlicher Art die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse aus diesen Grabungen vortragen zu lassen – der Hessensaal im Alten Posthof war bis auf den letzten Platz voll besetzt.

 

Mit einigen einleitenden Bildern führte Jessica Meyer die Zuhörer noch einmal zurück auf das Grabungsgelände, wo während der vom 18. April bis 4. November 2011 dauernden Grabungs-Kampagne auf einer Fläche von 2 ha von ihrem 10-köpfigen Archäologen-Team 500 sogenannte „Befunde“ aufgenommen und 447 „Profile“ angelegt wurden. Dabei wurden mehr als 2100 Fundtüten mit meist keramischen Fundstücken zusammengestellt, welche jetzt für eine spätere genauere Auswertung in immerhin 120 Kisten im Landesamt für Denkmalpflege lagern. Außerdem haben die Archäologen 126 botanische Sedimentproben entnommen, die nun ebenfalls auf eine nähere wissenschaftliche Bestimmung warten.
Die ältesten Funde aus dem Sarotti-Gelände stammen aus der Jungsteinzeit, deren Menschen der sogenannten „Michelsberger Kultur“ wohl in der Zeit zwischen 4400 und 3500 v. Chr. die Gegend von Hattersheim besiedelten. Bemerkenswert sind diese Funde deswegen, weil es sonst außer in Echzell wenig Zeugnisse und somit wenig Erkenntnisse über das Leben dieser Menschen in ihren ländlichen Siedlungen in Hessen gibt. In Hattersheim auf dem ehemaligen Sarotti-Gelände haben die Menschen der „Michelsberger Kultur“ in zahlreichen Gruben Tonscherben, Beile, Horn- und Geweihfragmente sowie Mühlsteinfragmente zurückgelassen. Außerdem konnten zwei in „Hockerstellung“ in einer ehemaligen Vorratsgrube bestattete Skelette aus dieser Zeit freigelegt werden. Von den in dieser Grube ebenfalls gefundenen Scherben von für die Michelsberger Kultur typischen „Tulpenbechern“ und „Backtellern“ nimmt Jessica Meyer an, dass es sich um Gefäße als Grabbeigaben gehandelt haben könnte.
Die nächste Zeitspanne, in der das Sarotti-Gelände sicher besiedelt war, war die Bronzezeit zwischen 2200 und 800 vor Chr. . Wohl aus der ersten Hälfte dieser Zeit stammt dort ein großer Komplex von Gruben, die den Wissenschaftlern durch ihre Verfüllung mit Keramik, Knochen, Essensresten, Werksteinen und vielem anderen Material als reinste „Fundgruben“ für Hinweise auf das tägliche Leben damals dienen. Angelegt wurden diese Gruben von den Menschen der Bronzezeit wohl zur Lößgewinnung für den Hausbau, der Lehm wurde wohl mit Rinderdung vermischt und mit der Masse wurden die Gefache der Wände ihrer Holzhäuser verstrichen. Auf dem Hattersheimer Sarotti-Gelände wurden in einer solchen Grube sogar in Hockerstellung bestattete Skelette mit bronzenen Armreifen gefunden – ob es in dieser Zeit üblich war, Tote auch in solchen Gruben zu bestatten. Oder ob man damals witterungsbedingt oder aus anderen Gründen einfach nur schnell ein Grab brauchte, kann nicht gesagt werden.
Einmal ausgehoben wurden solche Gruben dann auch zur Vorratshaltung benutzt – eingefülltes Getreide konnte mit einem Lehmdeckel luftdicht verschlossen werden, mit den sich an den äußeren Grubenwänden durch die Erdfeuchte bildenden Getreidekeimen wuchs ein „natürlicher“ Wasser- und Mäuseschutz heran, der Vorrat im Inneren hielt sich daher vor Fäulnis und Nagern sicher und lange.
Auch von Menschen aus der Hallstatt- bzw. Frühlatêne-Zeit zwischen 800 und 475 vor Chr., den Kelten, stammende Silos und Vorratsgruben wurden auf dem Sarotti-Gelände gefunden, in denen ebenfalls bestattete Menschen lagen, in einem Fall sogar zwei Erwachsene und ein Kleinkind übereinander. Besonders viele Rätsel gibt immer noch das aus dieser Epoche stammende kopfüber in einer Vorratsgrube gefundene Skelett auf, welches kurz vor dem „Tag der Offenen Grabung“ freigelegt und so damals von vielen Besuchern an Ort und Stelle besichtigt werden konnte. Ob der oder die Tote in die Grube gefallen ist oder ob sie vielleicht hineingestoßen wurde, diese Frage wird möglicherweise immer offen bleiben. Beim weiteren Freilegen hatte diese Grube aber sogar noch mehr Besonderheiten zu bieten: Unter den Händen des Skelettes fand sich eine Ansammlung von zahlreichen großen Keramik-Scherben, die Jessica Meyer Hoffnung machen, dass noch ganze Gefäße daraus wieder zusammengesetzt werden können. Möglicherweise hat man in Hattersheim sogar Hinweise auf den Hausbau in dieser Zeit gefunden: In einer der Gruben wurden verbrannte Holzreste freigelegt, zwischen denen sich auch „verbackene“ Lehmstücke befanden – es könnte sich also um die Reste von mit Lehm ausgefüllten Hausgefächern handeln.
Leider kann eine auch auf dem Gelände vorgefundene sogenannte „Darre“, zum Trocknen etwa von Nahrung zur Bevorratung, zeitlich noch nicht eingeordnet werden, da sich in deren Nähe keine anderen zeittypischen Gegenstände, wie etwa Keramik- scherben oder Werkzeuge fanden. Allerdings wurden Pflanzenreste gefunden, die man eventuell bei der weiteren Auswertung über eine botanische Analyse zeitlich einordnen kann.
Den neuzeitlichen Graben, den die Archäologen auf dem Sarotti-Gelände fanden, ordnen sie als sogenannte „Landwehr“ ein, unter anderem deshalb, weil es zur Zeit der Entstehung eine Gebietsgrenze zwischen dem kurmainzischen Hattersheim und dem isenburgischen Okriftel gab, und auch weil noch viele Flurnamen in diesem Gebiet auf eine solche „Landwehr“ hindeuten. Ob zwischen den beiden Orten allerdings tatsächlich öfter Zwietracht herrscht, der eine oder andere Streit aus dieser Zeit ist wohl urkundlich belegt, und deshalb eine solche Grenze an der Stelle notwendig war, oder ob die Nord-Süd-Ausrichtung des Grabens nicht doch eher auf eine andere Bedeutung des ausgehobenen Grabens spricht, kann jedoch weiter nur vermutet werden.
Als Fazit trug Jessica Meyer vor, dass sich zwei der Fragestellungen von vor Beginn der Grabung auf dem Sarotti-Gelände jetzt schon eindeutig mit „ja“ beantworten lassen: „Ja, es sind Hinweise auf eine keltische Siedlung, zu der die Nekropole im Baugebiet Südwest gehört hat, gefunden worden und ja, es gab wie erhofft weitere aufschlussreiche Befunde zur Michelsberger Kultur!“, freute sie sich zu berichten. Allerdings müssen nun auch zwei weitere Fragen, die zu Beginn der Grabung im Raum standen, mit einem deutlichen „Nein“ beantwortet werden. Es gab dort keine Relikte aus der Urnengräberzeit und es konnten auch keine Funde aus der Zeit um 500 nach Chr. gemacht werden. Ob die Endung „heim“ im Ortsnamen also auf eine fränkische Gründung Hattersheims hinweist, konnte auf dem Sarotti-Gelände leider nicht geklärt werden.

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