Erinnerungen an eine schöne Tradition

Mit Spaß und vereinten Kräften: 16 „Goldbachlerchen“ feierten vor 55 Jahren Hattersheimer Kerb

Es waren stattliche junge Männer, die Kerbeborsch „Goldbachlerchen“ des Jahrgangs 1941.?(Repro: Schmidl)

 

HATTERSHEIM (idl) – Wer kann sich noch daran erinnern, an die guten alten Zeiten, in denen auch in Hattersheim eine zünftige Kerb gefeiert wurde? Mit Kerbebaum und Kerbehammel, Gickelschlag und Kerbeball...

 

Lang ist es her. Die letzte selbständig organisierte, vereinsunabhängige Kerbegesellschaft hörte auf den schönen Namen „Goldbachlerchen“ und der Hattersheimer Stefan Böhm war einer der damaligen Kerbeburschen. „Mein Anliegen ist, an diese schöne Tradition zu erinnern“, erzählt Stefan Böhm. „Der Zahn der Zeit nagt schließlich an uns allen und es wäre schade, wenn die Erinnerung an das schöne Brauchtum vollends verloren geht.“
55 Jahre ist es her, dass sich Stefan Böhm und 15 andere junge Burschen der Jahrgänge 1940 und 1941 im Januar trafen, um mit der Planung der Kerb zu beginnen. „Es gab viel zu besprechen und zu organisieren“, erinnert sich Stefan Böhm, „schließlich musste ja ein mehrtägiges Programm auf die Beine gestellt werden.“

„Da ging es hoch her“
Eine Kerb ohne Kerbebaum ist natürlich undenkbar. Ein stattliches Exemplar wurde unter Führung und Anleitung von Julius Hoss im Wasserwerkswald geschlagen und mit dem Pferdegespann in die Hattersheimer Innenstadt, vor die Gastwirtschaft „Zur Krone“ transportiert. „Dort wurde der Baum dann geschmückt und mit vereinten Kräften vor der Krone aufgestellt“, berichtet Stefan Böhm. Kraft und Geschick waren dabei von Nöten, denn moderene Hilfsmittel wie Lastenkräne standen den Kerbeborsch vor 55 Jahren natürlich nicht zur Verfügung. Einen Kerbehammel hatten sich die Goldbachlerchen schon vorher bei Schäfer Mayer besorgt. „Um die Unkosten zu decken, verkauften wir Lose. Irgendwie musste das Kerbetreiben ja finanziert werden“, so Stefan Böhm. Das Lager beziehungsweise die Anlaufstation der jungen Männer befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft; es handelte sich um den „Schloßbauer Schweikhart“ in der Erbsengasse.
Höhepunkt des Kerbetreibens bildete der Kerbeball am Samstagabend in der Krone. „Da ging es hoch her“, schmunzelt Stefan Böhm. „Die Stimmung war klasse, es wurde getanzt, gesungen und gefeiert.“ Im Verlauf des Kerbeballs wurden der Kerbebaum und der Kerbehammel verlost und am Ende musste noch einer bestimmt werden, der die auf dem Baum thronende „Kerbebobb“ zu bewachen hatte. Denn es gab und gibt für Kerbeburschen kaum eine größere Schmach, als wenn ihnen die „Schutzpatronin“ ihrer Kerb stibitzt wird. Zumal für die Rückgabe in aller Regel ein nicht unerhebliches, zumeist „flüssiges“ Lösegeld zu entrichten ist.

Gickelschlag auf dem Kirchplatz
Viel Zeit zum Ausschlafen blieb den Goldbachlerchen nicht, denn am Sonntagmorgen ging es mit dem Weckruf weiter. Es folgte ein Umzug durch die Stadt Hattersheim, gefolgt vom gemeinsamen Kirchgang und einem zünftigen Frühschoppen.
Der traditionelle „Gickelschlag“ wurde am Montag auf dem Kirchplatz durchgeführt. Natürlich ging es keinem echten Hahn an den Kragen. Die Teilnehmer bekamen die Augen verbunden und versuchten, mit einem Dreschflegel einen Keramiktopf zu zerschlagen. Unterstützung erhielten sie dabei nur von den Zuschauern, die den Gickelschlägern die „richtige“ Position zuriefen. Klar, dass der Gickel immer mal wieder vor dem entscheidenden Schlag verrückt wurde. „Das war eine ebenso spannende wie lustige Angelegenheit, mancher Schlag ging wuchtig daneben“, lacht Stefan Böhm. „Der Sieger durfte dann freilich einen echten Hahn mit nach Hause nehmen.“
Den Abschluss fand das Kerbetreiben mit der Beerdigung der Kerbebobb auf der „Schwarzbachinsel“, die sich im Bereich der heutigen Grünanlage am Stadtweiher befand. „Wir trugen alle schwarze Anzüge und einige von uns hatten sich sogar stilecht mit einem Zylinder bekleidet“, weiß Stefan Böhm. „Es war natürlich ein sehr trauriger Abend und es flossen reichlich Tränen, weil ja nun die Kerb endgültig vorbei war.“
Ein Gruß von Stefan Böhm gilt allen ehemaligen Kerbeborschen, die damals mit viel Spaß und mit großem Einsatz mit von der Partie waren.

 

 

 

 

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