Sanfte Erneuerung großartiger Kunst

Jupp Jost prägte mit seinen Arbeiten die kirchlichen und weltlichen Bauten einer ganzen Region

HATTERSHEIM (ak) – Bei Sonnenschein ist ein Blick durch die von Prof. Jupp Jost (geboren 1920 in Hattersheim, gestorben 1993) entworfene große Fensterfront des Saales des wiedererstandenen „Hauses der Begegnung“ in Königstein ein ganz besonderes Erlebnis: „Das Muster der Fenster ist ganz zart, und dieses Farbenspiel jetzt wieder... also ganz toll! Dazu noch die Chopin-Musik, die mein Vater so liebte, ich war so beeindruckt, mir kamen die Tränen“, erzählt Gudula Stein, die Tochter von Jupp Jost, die zur feierlichen Wiedereröffnung des originalgetreu renovierten Baudenkmales am 24. März eingeladen war.

 

In den letzten Jahren ist sie so etwas wie eine „Retterin“ vieler Werke ihres Vaters geworden, sie forscht nach seiner Kunst etwa im Internet und setzt sich für die Erhaltung der Werke ein, so gut es in ihrer Macht steht. „Davon, dass das ,Haus der Begegnung' in Königstein abgerissen werden sollte, hatte ich 2006 im Internet erfahren und mich sofort mit den entsprechenden Stellen in Verbindung gesetzt – da hatte sich aber Gott sei Dank schon eine Interessengemeinschaft in Königstein gegründet und Unterschriften für ein Bürgerbegehren zum Erhalt gesammelt. Ich habe dann noch an Bischof Kamphaus und an den Bürgermeister von Königstein geschrieben“, erzählt sie. „Das Haus sollte abgerissen werden und eine neue Stadthalle sollte dort gebaut werden, das musste doch unbedingt verhindert werden!“
Gudula Stein war als Kind mit ihrem Vater viel auf der großen Baustelle in Königstein, auf der damals der Gebäudekomplex als ein Priesterseminar mit einem Gästehaus für die sogenannten „Speckpater“ entstand. Sie erinnert sich, wie oft Jupp Jost mit dem Architekten Hans Busch über alle möglichen Dinge, auch Kleinigkeiten wie etwa Türgriffe und Lampen, diskutiert hat. „Mein Vater war Perfektionist, bei ihm musste alles hundertprozentig zusammenpassen – und das sieht man auch heute wieder, es ist alles so gut gelungen.“ An einen Besuch mit ihrem Vater beim damaligen „Hausherrn“ Prälat Dr. Kindermann kann sie sich noch besonders gut erinnern, die kleine Geschichte dazu über ihre damalige kindliche Angst vor fremden Männern und „vergifteten Pralinen“, die ihren Vater und den Prälaten sicher amüsierte, hat sie in ihrem Buch „Kleine Splitter“ festgehalten.
Bei der Renovierung des Hauses der Begegnung wurde sie immer wieder gefragt, was im Sinne ihres Vaters gewesen wäre und was nicht. Das große Haus wurde total entkernt und alles sollte möglichst originalgetreu wiederhergestellt werden. Als man sie fragte, ob die gelben Pastelltöne dort in Grautöne geändert werden könnten, konnte sie zustimmen: „Mein Vater war so ein Graufreak, da wäre er bestimmt auch einverstanden gewesen“, sagt sie heute lachend dazu. „Damals habe ich noch gedacht, die kriegen das alles nie wieder so hin, wie es mal war“, wundert sie sich jetzt noch immer, „aber sogar diese ganz besondere, mit Rechtecken verschiedenfarbiger Acella, einer weichen, für die 50er Jahre typischen PVC-Folie, plastisch bespannte Decke im großen Saal ist wieder genauso makellos und schön, wie sie früher war.“
Die wunderschöne, 33 Meter breite und fast zehn Meter hohe Glaswand des Gebäudes war lange Zeit zum großen Teil mit Vorhängen verhangen oder gar mit Brettern vernagelt und kann, nun von diesen befreit, wieder ihren vollen Zauber entfachen: Hier hatte man nach einem Entwurf von Jupp Jost tausende von pastellfarbenen Scheiben zu einem riesigen, leuchtenden Mosaik zusammengefügt, welches nicht nur von innen betrachtet, sondern auch schon von außen dem Haus der Begegnung eine ganz besondere Note gibt. „Der Himmel spiegelt sich in der riesigen Glasfront, das sieht großartig aus“, schwärmte Gudula Stein von ihrem ersten Eindruck vom frisch restaurierten Haus der Begegnung in Königstein. Das riesige Sgraffito „Der Engel mit der Posaune“ rechts neben der großen Fensterfront wurde ebenso wie sein Gegenpart „Der Engel mit der Fackel“ zu einem Wahrzeichen nicht nur für die Kunst der damaligen Zeit, sondern auch für die Stadt Königstein, er wird dort sogar auf Briefpapier verwendet. Als Symbol für das Haus der Begegnung selbst wurde der Posaunenengel sogar von einem Königsteiner Goldschmied zu einem versilberten Schlüsselanhänger verarbeitet, mit dessen Kauf man den Förderverein des Hauses der Begegnung bei seiner Erhaltung unterstützen kann. „Ein Ausflug nach Königstein lohnt sich jetzt noch mehr – man sollte sich dort nicht nur die Burg und den Opel Zoo ansehen, sondern auch das Haus der Begegnung, es ist in seiner mächtigen Ausstrahlung der Burg sicher ebenbürtig“, ist Gudula Stein überzeugt. „Königstein hat sehr gut daran getan, es zu erhalten.“
Jupp Jost hat nicht nur in Königstein denkmalschutzwürdige Kunst geschaffen, er war im ganzen Bistum Limburg künstlerisch sehr aktiv. „Mein Vater hat so unglaublich viel gemacht in seinem Leben, ich weiß gar nicht, wie er das alles geschafft hat, die meisten Werke hat er eigenhändig fertig gestellt“, wundert sich Gudula Stein bei der Aufzählung von Arbeiten ihres Vaters. „Zum Beispiel im Westerwald gibt es in fast jeder Kirche eine Arbeit von ihm.“ Besonders schöne Glasfenster von Jupp Jost kann man etwa auch in Eltville sehen, in der Hedwig-Kirche in Frankfurt Griesheim hat man extra ein „Haus im Haus“ gebaut, anstatt die Kirche mit ihrem von Jupp Jost entworfenen großartigen, ausdrucksstarken Altarbild abzureißen und neu zu bauen, um mehr Platz im Gemeindehaus zu bekommen. Auch hier hatte sich Gudula Stein sehr für den Erhalt eingesetzt, auch hier ist das Ergebnis der „sanften“ Erneuerung wunderschön und stimmungsvoll geworden. 
Selbstverständlich hat Jupp Jost auch in Hattersheim vieles künstlerisch gestaltet, so zum Beispiel die Fenster der Friedhofskapelle, die Betonglasfenster im Barbara-Haus oder Sgraffiti an Hauswänden, wie etwa an der Katholischen Kindertagesstätte in der Schulstraße. Er war eine bekannte Größe im Hattersheim seiner Zeit, viele Hattersheimer ließen ihn auch ihre Privathäuser verschönern, etwa mit einer Arbeit von ihm über dem Kachelofen im Wohnzimmer des Bäckers Mohr oder mit dem Entwurf eines Schmiedes bei der Arbeit für die Hauswand der Schmiede-Familie Weber. Auch hier ist das eine oder andere schon unwiederbringlich verloren gegangen, sehr zum Bedauern seiner Tochter Gudula Stein: „In der Robinson-Schule gab es eine wunderbare Betonwand mit Edelsteinen von ihm – fort ist sie, einfach abgerissen!“ empört sie sich. Auch einige Grabsteine auf dem Hattersheimer Friedhof hat Jupp Jost gestaltet, dort kann man auch noch den Grabstein ihres Bruders bewundern, der als Kind verstarb. Hier hat Jupp Jost mit einem wunderbar farbigen Mosaik die Geschichte der „Auferweckung des Jüngling von Nain“ für seinen so früh gestorbenen Sohn festgehalten. Das Grab läuft nun bald ab, Gudula Stein hat den künstlerisch gestalteten Grabstein der Stadt Hattersheim geschenkt und hofft nun, er bleibt dem Friedhof an anderer Stelle als Blickfang erhalten. „Die Alternative wäre mein eigener Garten als neuer Standort gewesen – aber auch andere sollen den Stein doch sehen können, mein Vater hat sich bei der Gestaltung doch etwas gedacht!“ 
So weltoffen der Künstler Jupp Jost war, war er doch als gläubiger Christ in der Bibel sehr belesen und wusste immer genau, was er mit seiner Kunst ausdrücken wollte. Vielleicht sind es diese hinter seinen Kunstwerken stehenden Gedanken, die sie – trotz oft einfacher Linien – so besonders ausdrucksstark machen und die auch dem heutigen Betrachter seine Kunst noch so gut zugänglich werden lassen.

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