Delfine kämen im Rathaus bestens zurecht

Feierliche Verabschiedung Angelika Muncks und Amtseinführung Dirk Westedts im Kurfürstensaal

Gummibärchen und Regenschirm – das sollen nicht etwa die etwas ärmlichen, Reichsapfel und Zepter ersetzenden Machtinsignien einer verschuldeten Stadt des 21. Jahrhunderts sein. Mit dem, was Stadtverordnetenvorsteher Egbert Opheys (l.) dem neuen Hochheimer Bürgermeister Dirk Westedt zur Amtseinführung überreichte, dürfte einem demokratisch gewählten Rathauschef unserer Zeit einfach gut geholfen sein: Mit dem Hochheim-Schirm und Süßware für den Energieschub.    ?(gus/Fotos: Steinacker)

 

HOCHHEIM (gus) – Was ist das? Da treffen sich die politischen Gestalter der Stadt zu einer Stadtverordnetenversammlung im Kurfürstensaal des Hochheimer Hofes, jede Partei schickt einen Redner ans Pult – und doch bleiben alle nett und freundlich zueinander? Das gibt es nur alle paar Jahre, vor allem, wenn im Rathaus die Chefposition neu besetzt wird. Der Wechsel von Angelika Munck zu Dirk Westedt erfolgte formal in einer Parlamentssitzung. Und in der verbot es sich selbstverständlich – auch wenn die aus dem Amt scheidende Person noch quicklebendig ist – in offizieller Runde Schlechtes über die Arbeit der Bürgermeisterin zu erzählen.

 

Das ist schon fast putzig in einer Stadt, in der die Rathauschefin ohne Parlamentsmehrheit auskommen musste und in manchen Phasen ganz andere Töne zu hören bekam als nun bei ihrem Abtritt im Rahmen der Sondersitzung der Stadtverordneten mit vielen geladenen Gästen am vorvergangenen Sonntag. Munck ging in ihrer Rede sehr wohl auf die für sie wenig erquickliche Situation ein, von mehreren Seiten gleichzeitig in der Kritik zu stehen und betonte, damit irgendwann besser zurecht gekommen zu sein.
„Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass die Familie bleibt und habe mir dafür etwas mehr Zeit genommen“, erläuterte Munck. Mit ihrer Gesamtbilanz der zwölf Jahre zeigte sich die Bürgermeisterin, deren Amtszeit offiziell am 30. September endet, im Reinen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen, Fehler macht man natürlich immer“, sagte sie. „Aber ich muss mich nicht schämen und nichts muss mir peinlich sein – auch, wenn die Stadt finanziell nicht so gut dasteht“, ergänzte sie später.
Mit Leidenschaft habe sie ihr Amt immer ausgeübt, ein weinendes Auge gebe es bei ihr daher durchaus wegen des Endes der Rathauslaufbahn. Gut für ihre Bilanz sei es gewesen, dass es ihr zuletzt gelungen sei, „Entwicklungen mit anzustoßen, die dem Haushalt der Stadt guttun“, sagte die 60-Jährige vor allem mit Blick auf den Erhalt der Tetra-Pak-Zentrale in Hochheim.
Ihr sei damals, zu Beginn ihrer ersten Amtszeit im Jahr 2002, durchaus bewusst gewesen, dass sie in manchen Kreisen für nicht ganz voll genommen werde. „Wenn man nicht staatlich bestätigt intelligent ist, hat man in unserer Leistungsgesellschaft eben ein Problem“, sagt Munck, die vor dem Wechsel ins Rathaus beruflich als ausgebildete Fotolaborantin arbeitete. Vielen, die das erführen, „geht die Kinnlade runter“.
Sie habe nach der für viele, vor allem die Konkurrenten überraschenden ersten Wahl eine Zeit des Einarbeitens in den Rathausjob benötigt, aber auch festgestellt, „dass das kein Hexenwerk ist“. Zumindest, wenn man eine funktionierende Verwaltung vorfindet. „Die Mitarbeiter waren das große Pfund für mich“, betonte Munck. Aber auch die Zusammenarbeit mit dem Magistrat sei toll gewesen.
Zwischen Munck und ihrem Nachfolger gibt es durchaus einige Schnittpunkte. Wie Munck als FWG-Kandidatin, wird auch Dirk Westedt als FDP-Mitglied im Parlament um die Unterstützung ringen müssen, auch wenn er als unabhängiger Kandidat in den Wahlkampf gezogen war. Der FDP sei er seinerzeit beigetreten, „weil die SPD zu sehr der Klientel verhaftet ist und die CDU mir damals zu konservativ war“, erläuterte der 50-Jährige nun.
„Wir sind beide sozial engagiert und haben gemeinsam für den Erhalt eines nicht sehr hübschen Kastens namens Hallenbad gekämpft“, ergänzte Westedt. Und beide haben ihre Lieblingstiere. Munck ist bekanntlich der Schildkröte zugeneigt, Westedt mehr den Delfinen, wie er verriet. „Man sagt von denen, sie fänden sich gut zurecht in chaotischen Systemen“, zitierte der neue Bürgermeister die Fachliteratur. Offensichtlich die Anspielung, dass er delfinische Qualitäten als hilfreich für die Arbeit in einer Verwaltung und mit der Kommunalpolitik ansieht.
Westedt widmete den Großteil seiner Rede den Verdiensten Muncks, Er selbst sehe seine Qualitäten in seinen Eigenschaften „erfahren, teamfähig und geduldig“, wobei ihm vor allem letztere Qualität für seine neue Aufgabe von besonderem Wert zu sein scheint, erläuterte der bisherige Erste Stadtrat und Kämmerer in Kelkheim.
Der formale Ablauf der Sitzung war zunächst die Verabschiedung Muncks durch Stadtverordnetenvorsteher Egbert Opheys (CDU), die Ernennungsurkunde erhielt Westedt danach hingegen aus der Hand Muncks. Das Kammerorchester verabschiedete sich zwischen den Reden der bisherigen und des neuen Bürgermeisters mit einer Interpretation von „Auf Wiedersehen“. Die Rednerliste war lang und länger, wie es bei solch einer Gelegenheit allerdings unvermeidlich scheint.
Neben Opheys sowie Walter Dieckmann (CDU) als Magistratsvertreter, die zum offiziellen Akt redeten, war nach den „Formalien“ Landrat Michael Cyriax der nächste Redner. Er bescheinigte Munck, die weiter im Kreistag kommunalpolitisch aktiv bleiben wird, eine „geordnete Stadt mit finanziellen Herausforderungen“ zu übergeben. Von der Direktion des Hessischen Städtetages war Jürgen Dieter erschienen, es folgten Claudia Weltin (FWG) für die Stadtverordnetenversammlung, Eric Müller für die FWG-Fraktion, sowie seine Amtskollegen Adam Bösz (CDU), Marcus Hesse (SPD) und Andreas Kammerbauer (Grüne), Johannes Helders (UFH), Hans-Peter König (FDP) und Hans-Michael Merkel (GAL).
Die Reden zeigten, dass Westedt von den Fraktionen als Kenner der Hochheimer Materie anerkannt ist und die Hoffnung auf eine konstruktive Zusammenarbeit des Bürgermeisters mit den Gremien vorhanden ist. Die mit Abstand distanzierteste Rede hielt ausgerechnet Westedts Parteikollege. FDP-Fraktionschef König ist mit Westedt im Gegensatz zu den meisten anderen Parteispitzen per Sie und wünschte Westedt „Demut“, die er brauche, wenn er sich Mehrheiten im Parlament suchen müsse. Womit sich vielleicht auch Marcus Hesses Sorge erledigt. Der erinnerte in seiner Rede Westedt daran, dass er als unabhängiger Kandidat in die Wahl gezogen sei und mahnte an, dies nun nicht zu vergessen.

 

 

 

 

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