Marmor Stein und Eisen bricht,aber Gottes Liebe nicht

 

527. Eröffnung des Hochheimer Marktes - zum ersten Mal mit Propst Rink

 

 

HOCHHEIM (pm) – 4. November, aus den Lautsprechern im Festzelt schallt Glockengeläut. Auf der Bühne steht ein Altar mit Kreuz und Kerzen. Die einzige Schaustellerpfarrerin in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Christine Beutler-Lotz, hat alles sorgfältig vorbereitet. Gleich soll der Hochheimer Markt, der bereits zum 527. Mal stattfindet, mit einem ökumenischen Gottesdienst eröffnet werden. Niemand weiß, ob es auch früher geistliche Feiern auf dem Festgelände gab. Kurt Vogler ist Protestant und seit zehn Jahren in Pension. Seitdem gehört für ihn der Marktgottesdienst zum Markt. Bürgermeisterin Angelika Munk und die Weinkönigin Sabine Wagner (19) haben an den vorderen Biertischen Platz genommen. Auf den blonden Haaren der Studentin glänzt eine silberne Krone der Hochheimer Majestätin. Pfarrer Dr. Martin Fedler-Raupp ist in Begleitung seiner Frau gekommen. Der Hochheimer Pfarrer hat den Markt in den vergangenen Jahren eröffnet. Heute darf er zuschauen. Sein katholischer Amtsbruder, Pfarrer Markus Schmidt, sitzt mit auf der geistlich ausstaffierten Bühne. Zum Schluss wird er eine entscheidende Gebetsbitte vortragen: Dass alle Hochheimer und die weiteren Besucher vor Gewalt und Diskriminierung auf dem Festplatz geschützt bleiben.
Frau Beutler-Lotz begrüßt die sicher 900 Seelen zählende Festgemeinde mit einem zackig gerufenen Halleluja, und tatsächlich geben die Schausteller unter den Gästen den Ruf laut zurück. Unkonventionell auch ihre Aufforderung, die eingerückten Zeilen des Psalms 100 möchten nur die lesen, die schwarze Schuhe tragen. Gewöhnlich wechselt das zwischen Bankreihen im Kirchenschiff oder Männer und Frauen.
Propst Rink spricht davon, dass der erstmals im Jahr 1484 ausgerichtete Markt eine unvorstellbar lange Tradition besitze. Ununterbrochen habe er seitdem stattgefunden. Damals war Martin Luther gerade geboren. „Reiche kommen und gehen, der Hochheimer Markt ist geblieben“, lobt er den ursprünglichen Vieh- und Pferdemarkt. Treffend zum Hochheimer Wein spricht er das Gleichnis vom Weinwunder an. Die Weisheit der biblischen Erzählung sei, der Wein habe sich nicht in irgendetwas, sondern in ein Erstes Gewächs oder eine Spätlese verwandelt. Wo Jesus war, wurde gefeiert. „Darin hat er Gemeinschaft mit uns bewiesen“, bestätigt der Propst für Süd-Nassau. In Fröhlichkeit und Unbeschwertem gelte es Gottes Güte zu sehen und die Kraft des Glaubens, ein tiefes Vertrauen zu entdecken.
Rinks Worte sind verständlich und einfach. So, dass ein Journalist später sagt: „Endlich einmal ein Gottesdienst über den man schreiben kann“. Schreiben kann er auch über den ungewöhnlichen Schluss. Kein Kirchenlied beendet die Feier, sondern der Schlager „Marmor, Stein und Eisen bricht, den Beutler-Lotz zu „aber Gottes Liebe nicht“ umgedichtet hat. Die Gemeinde ist begeistert und revanchiert sich mit genau 1001 Euro Kollekte.
In diesem Jahr erwarten die Veranstalter wieder 300.000 Besucher. Bürgermeisterin Munk urteilt: „In Hochheim ist der Markt die wichtigste Veranstaltung überhaupt.“ Sie geht mit den Menschen hinaus, um nach fünf Böllerschüssen und dem Spiel einer Blaskapelle, einen der ältesten Jahrmärkte in Deutschland, auf dem heute noch Vieh und Pferde verkauft werden, für eröffnet zu erklären.
Zur Information: In der Wein- und Sektstadt Hochheim wird seit 527 Jahren nach der Weinlese und den Kelterarbeiten im November der Hochheimer Markt gefeiert. Kaiser Friedrich III. hatte dazu der Stadt am Main ein Privileg erteilt. Früher boten die Winzer ihren Fasswein zum Kauf an, Bauern trieben Vieh und Pferde zusammen. Wer einen besonders guten Wein ersteigerte, musste gleichzeitig auch ein schlechtes Fass mit erwerben.

Weitere Artikelbilder:

Noch keine Bewertungen vorhanden


X