BISCHOFSHEIM (gus) – Wenn der Baum
in die Vertikale geht, dann ist Kerwemittwoch,
und dann fängt alles an. Und endet
erst am späten Montagabend mit der letzten
Neige im Glas. Nicht alle Bischofsheimer
werden die tollen Tage in den Gassen
von Beginn an bis zum letzten Tropfen und
Musikton durchweg gefeiert haben, das
hielte kein Körper aus. Die Buden in der
Darmstädter Straße und den Nebengassen
und somit die eigentliche Straßenkerb beginnt
ja auch erst am Samstagnachmittag
gegen 15 Uhr.
Um 17 Uhr durfte Bürgermeisterin Ulrike
Steinbach ihre erste Kerweeröffnung
zelebrieren, der Liesempfang durch die
Kerweborsch und -mädcher ist fester Bestandteil
dieser Zeremonie.
Trotz des guten Rufs und des steigenden
Zuspruchs, den die Veranstaltung mittlerweile
auch bei vielen Menschen genießt,
die in der näheren und weiteren Umgebung
Bischofsheims leben, bewahrt die Bischemer
Kerb ihren Charakter als Treffpunkt
von alten Bekannten, die schon immer da
waren, wenn Kerb ist. Da sind das
Schwätzchen und das gemeinsame Feiern
wichtiger als der Trubel, der sich anderswo
vornehmlich um die natürlich auch dazu
gehörenden Fahr- und Kaufbuden tummelt.
Was bot die Bischemer Kerb Neues in
diesem Jahr? Vornehmlich zwei Dinge:
Offensiv betreiben die Organisatoren um
Kulturamtsleiter Bernd Schiffler die Weiterentwicklung
des Festes zur „Musikkerb
in der Mainspitze“. Als solche bezeichnet
sich zwar auch die vor wenigen Jahren aus
der Taufe gehobene Gustavsburger „Flurgrabenkerb“
im gleichnamigen Industriegebiet.
Aber das Konzept ist anders, denn
in Bischofsheim gibt es viele Bühnen, auf
denen sich nicht unbedingt Top-Acts einfinden,
aber solide Musiker aus dem
Nachwuchsbereich, wie auch viele bekannte
Gruppen der Region.
Die Volksbank-Bühne, die übrigens weiterhin
viele Besucher an der Volksbank suchen
und nicht finden, ist im Weindorf,
dem Parkplatzgelände in der Weisenauer
Gasse, der größte Spielort für Liveunterhaltung.
Dort spielte zunächst am Samstagabend
die Sixties-Band „The Barons“
auf, am Sonntag folgten das Weiterstädter
Musikorchester und die Jazz-Formation
Mac & Friends“, am Montag schließlich
die Karibik-Jungs vonViva Creole und wie
schon im Vorjahr „Die Schlawiner“.
Reichlich Musik bot aber auch die Bühne
bei der Feuerwehr (am Samstag mit
Coverzone“ und „Jever“). Die Bühne an
der Shell-Tankstelle bot am Samstag zunächst
Hardride“, danach „Summerwine“
mit Jürgen Haberberger am Mikro.
Am Montag schlossen die Coverband
Flapjack“ und die Rüsselsheimer Hardrocker
von „Gun Smoke“ den Reigen unter
dem schützenden Dach.
Am Samstagabend war der Auftritt von
Joe Blob & The Sixtyniners“ medial begleitet.
Kameras des Fernsehsenders Sat1
schwirrten vor der Shell-Bühne umher und
filmten den Bischofsheimer Auftritt der
Band für ein Präsentationsvideo für einen
Wettbewerb, an dem die Band teilnimmt,
das im Spätherbst zu sehen sein wird.
Aber auch die Vereine beteiligen sich
stark an dem Musikangebot. Der TV 1883
hatte in seinem Innenhof eine eigene kleine
Bühne aufgebaut, auf der am Samstagabend
Mission Possible“ auftrat. Am
Sonntagmorgen lockte ein Frühschoppen,
der ebenfalls Livemusik bot.
Auf handgemachte Gitarrenmusik irischer
Prägung setzte die SV 07, die auf
dem Platz vor der Volksbank zwar nicht
die vielgesuchte Volksbank-Bühne, dafür
aber den Flair eines irischen Pubs zu bieten
versuchte. Der „Kerwe-Pub“ bot, neben
echtemWhisky Musik von der grünen
Insel, mit „Molly Alone“, Matthieu
Cleijne und am Montag gar dem wahren
Iren Louis Fitz.
Musik ohne große Bühne gab es auch zu
hören, so im Germania-Hof in der Weisenauer
Gasse mit der „Lady of Music“, Alleinunterhalterin
Marlene Krethen, die
gleich mehrfach aufspielte. Auf dem Platz
vor der evangelischen Kirche und auch am
Stand des Italienischen Familienvereins
gab es Playback-Gesang zu italienischen
Weisen zu hören.
Der zweite Trend ist schleichend: Die Bischofsheimer
und ihre Gäste entdecken zunehmend
das gute Glas Wein aus der Region
als Getränk ihrerWahl, die Bierkerb verliert
an Gewicht. Auch daran beteiligen sich
die Vereine, indem sie den einen oder anderen
guten Tropfen anbieten.
Aber auch Winzer kommen inzwischen
mit eigenen Ständen an die Kerb und stöhnen
etwas ob der günstigen Preise, zu denen
die „Konkurrenz“ der Vereine den Wein anbieten.
Insgesamt bieten Musik, klassischer
Rummel und die kulinarischen Angebote
der Vereine eine perfekte Mischung für ein
Feiererlebnis, bei dem kein Wunsch unerfüllt
blieb. Nicht zuletzt gehört zu dem bunten
Bild der Bischemer Kerb die Künstlermarkt-
Meile auf dem Ortsdamm. Es ist eine
Oase der Ruhe, etwas abseits des großen
Trubels gelegen, die am Samstag und Sonntag
Muße zum Stöbern und Kaufen bot.
Die klassischen Aktivitäten des Kerwejahrgangs
durften natürlich nicht fehlen. So
zog am Sonntagmittag der Kerweumzug
durch die Gassen, auf der Volksbank-Bühne
waren sie Samstagnacht für die „Mitternachtsshow“
verantwortlich. Am Sonntag
traten die Kerweborsch zum Stampeswettessen
im Turnerhof an, bis die Ohren Brei
spuckten.
Der Haupt-Feiertag war wetterbedingt
eindeutig der Samstag, an dem sich rund
7000 Besucher in den Gassen aufgehalten
haben sollen – wie auch immer das jemand
zählen will. Am Sonntag wurde die ganze
Region dann zur Schechtwetterzone, so
dass viele verständlicherweise wenig Lust
verspürten, sich ins nasse Getümmel zu
werfen.
Wiederum sehr gut gefüllt waren die
Straßen dagegen am Montag, obwohl an
diesem letzten Tag die Bischofsheimer traditionell
vornehmlich unter sich bleiben.
Aber die Sonne verwöhnte die Bischemer
zum Finale ihres Straßenfestes noch einmal
so richtig. Das fand in diesem Jahr übrigens
seit 25 Jahren wieder im Ortskern
statt, nachdem es bis 1986 auf dem Friedrich-
Ebert-Platz in zunehmend beengten
Verhältnissen an die Grenzen gestoßen
war.
Das kleine Jubiläum spielte am Wochenende
allerdings keine Rolle.