Den wahren Kostenaufwand kennt niemand

Ausschuss inspizierte Einfachstwohnungen und kritisiert unklare Gesamtkosten bei der Sanierung

Der Bauchfachmann in der Verwaltung, Dirk Weiß (l.), führte die Ausschussmitglieder um den Vorsitzenden Hubert Schmitt (r.) durch die seit Jahren verlassenen Räumlichkeiten des östlichen Blocks der Einfachstwohnungen.
(gus/Fotos: Steinacker)

 

BISCHOFSHEIM (gus) – Die Debatte über das Vorgehen bei der Sanierung der Einfachstwohnungen Am Ginsheimer Sand, die als Notunterkünfte für Obdachlose hergerichtet werden sollen, wirft immer mehr Fragen auf, als dass sich eine Entscheidung über das Vorgehen anbahnen würde. Die Verwaltung hatte den Gremien eine Auswahl an Sanierungsvarianten vorgestellt, aus denen die Fraktionen, so die Vorstellung des Rathauses, die ihnen genehme herauspicken und beschließen sollten. Doch inzwischen wird das gesamte Vorhaben von einzelnen Fraktionsvertretern in Frage gestellt.

Grund dafür sind, wie sich an der Angriffslust besonders von BFW-Fraktionschef Wolfgang Schreiber auf Bürgermeisterin Ulrike Steinbach (SPD) zeigt, der nahende Bürgermeisterwahlkampf und unklare Kostenaufstellungen, da die Verwaltung bisher wenig Details zu dem Vorhaben präsentieren konnte – vor allem auch, was die Kostenschätzungen angeht.

Klar scheint, dass die Fraktionen der Verwaltungsvorlage nach bisher nur über den Weg und Umfang der energetischen Sanierung entscheiden sollen. Da waren sie sich recht schnell einig geworden, angesichts des Alters und der begrenzten Perspektiven des Gebäudes aus den 60er-Jahren nicht die teuerste Variante zu wählen. Aber mit den 62.000 Euro, die eine Kellerdeckendämmung, der Austausch der Fenster und Türen sowie der Einbau einer neuen Ölbrennwertheizung kosten soll, mag das Gebäude energetisch intakt zu bekommen sein, wohnen kann in dem verwunschenen Schloss dadurch noch niemand.

Das machte der Ortstermin des Ausschusses Kultur, Bauen, Umwelt und Soziales (KUBuS) an dem zuletzt als Ginsheim-Gustavsburger Jugendzentrum genutzten Komplex deutlich. Bauamtsmitarbeiter Dirk Weiß führte die Fraktionsvertreter durch die seit zehn Jahren ungenutzten Räume, denen wegen seiner letzten Nutzung die Trennwände fehlen.

Was für die Begehung äußerst praktisch war, zeigt schon den ersten von vielen weiteren Punkten, die neben der energetischen Sanierung anstehen werden, ehe aus der halben Ruine nutzbare Wohnungen werden – selbst, wenn sie als Übergangslösungen für Obdachlose gedacht sind und daher keinen hohen Standard erfüllen müssen. Doch eine Auskunft scheint zu stimmen: Die Grundsubstanz des Gebäudes ist in Ordnung, insbesondere gibt es kein Feuchtigkeitsproblem in den Räumen.

Das wurde auch von den Kellern der ursprünglich fünf Wohnungen behauptet, aber das zu belegen, gelang Weiß ganz und gar nicht. Obwohl der Generalschlüssel zu den Kellertüren passte, öffnete sich letztlich nur eine einzige nach einem kräftigen Ruck – und schon standen die mutigsten Ausschussmitglieder im Wasser.

Das allerdings, wurde ziemlich schnell klar, war nicht das Resultat eines allzu feuchten Kellers, sondern der mangelnden Instandhaltung des Gebäudes. Denn ein abgerissenes Fallrohr am Fuße des Treppenabganges dürfte dafür gesorgt haben, dass das Wasser bei den jüngsten Starkregen in Massen die Treppe hinunterfloss und sich so unter der Tür durchdrückte.

Der Einbau der Ölbrennwertheizung ist für den Keller unter der mittleren Wohnung vorgesehen, in den kamen die Ausschussmitglieder aber nicht. Anzunehmen ist, dass nichts gegen das geplante Vorgehen bei der energetischen Sanierung spricht. Doch was kostet es die Gemeinde, bis die gesamten weiteren Arbeiten bezahlt sind, die noch zur Herrichtung der Räume benötigt werden? Weiß bezifferte dies bei der Fortsetzung der Ausschusssitzung im Palazzo mit rund 129.000 Euro.

Damit käme die Gemeinde für dieses Projekt, weil beim Betrag für die energetische Sanierung die Mehrwertsteuer nicht mit aufgeführt war, auf über 200.000 Euro. „Es wäre gut zu wissen, ob dies dann das Ende ist, oder ob da noch etwas nachkommt, etwa für den Innenausbau“, sagte GALB-Fraktionschef Wolfgang Bleith und formulierte damit gemeinverträglicher, was Wolfgang Schreiber deutlich schärfer ausgedrückt hatte.

Der BFW-Fraktionsvorsitzende griff die Verwaltung an, weil sie den Fraktionen bisher keine Einzelaufstellung der bei der Sanierung anstehenden Aufgaben präsentieren konnte. „Das reicht mir nicht als Grundlage für eine Entscheidung, wir wollen ordentliche Vorlagen“, begründete er die Weigerung seiner Fraktionsvertreter, über den Tagesordnungspunkt abzustimmen. Darin wähnte er eine „Strategie“ der Verwaltung, die vor einem Dreivierteljahr bereits bei den Fraktionen per Mail den favorisierten Sanierungsstandard abgefragt hatte und nun dennoch nicht viel weiter sei.

Es kam sogar ein bisschen Attich-Diskussionsflair auf, als Schreiber die Frage stellte, ob die Gemeinde am Ende nicht besser damit fahre, das Gebäude schlicht abzureißen und dort etwas Neues hinzustellen, „das später einmal als Eigentumswohnungen verkauft werden kann“. Ingo Kalweit (CDU) erinnerte an die Bürgerhaus-Debatte, „da haben wir gelernt, dass es sich ab 70 Prozent Sanierungskosten im Vergleich zu einem Neubau nicht mehr rentiert zu sanieren“. Daher müssten die Fraktionen unbedingt eine Gesamtkostenaufstellung vorgelegt bekommen.

Die könnten die Fraktionen durchaus haben, gestand Steinbach zu. „Aber das verschiebt die Entscheidungen natürlich weiter nach hinten“. Brigitte Raab (SPD) fand die 192.000 Euro auf die fünf Wohnungen gerechnet, die dadurch entstehen, als „doch überschaubar“. Sie kritisierte von Schreiber ins Spiel gebrachte Überlegungen, den Gesamtkomplex als solchen zu belassen und durch einen gemeinschaftlichen Sanitärbereich Ausbaukosten zu sparen. „Das gibt nur Ärger“, warnte sie vor solchen Überlegungen.

Zurück zur Frage Bleiths: Kommt da noch etwas? Das konnte Dirk Weiß konkret nicht beantworten, weil es sich offenbar tatsächlich nur um eine Grobkalkulation handelt, mit der die Verwaltung arbeitet. Somit ist zu vermuten, dass die wahren Kosten des Projekts noch nicht bekannt sind. Und das mögen Kommunalpolitiker ganz und gar nicht, die zuvor über den Sinn jedes Einzelpostens bei der Haushaltsaufstellung zu beratschlagen hatten.

 

 

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