Bürgerwunsch oder Klientelbedienung?

Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich für den kurzen Weg zur Genehmigung der Gastronomie am Altrheinufer

Nicht nur dem Bootshaus, auch dem Seniorentreff „Zur Fähre“ gilt das Verfahren zur Erlaubnis gastronomischer Bewirtung am Altrheinufer. Dies soll aber nicht heißen, dass die Veranstaltungen für die älteren Bürger künftig entfallen oder eingeschränkt werden sollen, beteuern alle Seiten.
(gus/Fotos: Steinacker)

GINSHEIM-GUSTAVSBURG (gus) – Im vereinfachten Verfahren soll der Bebauungsplan Alt-Ginsheim in einem eingegrenzten Bereich des Altrheinufers so verändert werden, dass in dem Bereich gastronomische Angebote künftig zulässig sind. Für diesen Weg entschied sich in der Stadtverordnetenversammlung in namentlicher Abstimmung wie erwartet die Mehrheit aus CDU, Freie Wähler und FDP. Nicht durchsetzen konnte sich trotz Unterstützung durch die Grünen die SPD mit dem Anliegen, das Plangebiet des Änderungsverfahrens auf die Festlegung des Jahres 2014 auszuweiten, wonach das Gebiet bis zum Schiffsmühlenanleger gereicht hätte.

Allerdings war die neue Opposition ganz und gar nicht der Meinung, dass das vorgeschlagene abgekürzte Verfahren überhaupt der richtige Weg ist, die Gastronomiefrage am Altrhein zu klären. Dass es auf Verlangen von Susanne Redlin (SPD) eine namentliche Abstimmung gab, zeigt, dass die Opposition eines Tages den Bürgern Ratsmitglied für Ratsmitglied nachweisen will, wer für diesen Weg gestimmt hat.

Die Stimmung bei dieser Diskussion war ausgesprochen auf Konfrontation gebügelt. SPD und Grüne sehen in dem Vorgehen der Mehrheit die Bedienung einer Klientel. Die Bootshaus-Investoren hätten ihren Antrag auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan zurückgezogen, weil sie sich darüber freuen dürften, dass die Stadt über das nun gewählte Verfahren selbst für die Kosten aufkomme, betonte Verena Scholian (SPD). Die Einbeziehung des Seniorentreffs „Zur Fähre“ in den Geltungsbereich bezeichnete sie als „Feigenblatt“.

Hauptangriffspunkt war für die Opposition aber die Diskrepanz, die sich für sie zwischen der Behauptungen vor wenigen Wochen bei der Bürgerversammlung zur Altrheinuferumgestaltung und dem jetzigen Vorgehen auftue. Hatten dabei inklusive Bürgermeister Thies Puttnins-von Trotha alle Beteiligten die Einbindung der Vorstellungen der Bürger beschworen, sollten nun Entscheidungen getroffen werden, ohne das Ergebnis dieses Prozesses abzuwarten. „Die SPD wird wegen der Missachtung des politischen Beteiligungsprozesses nicht zustimmen“, betonte daher Norbert Lindemann.

Für ihn ist das Vorgehen der neuen Mehrheit vor allem wegen der Vetternwirtschafts-Vorwürfe interessant, die sich seine Partei in den vergangenen Jahren immer wieder anhören musste. „Dieses Verfahren stellt alles in den Schatten“, sagte Lindemann. Letztlich gehe es nur darum, die Interessen der Bootshausbetreiber zu bedienen, „CDU und Freie Wähler sind eng mit dem Bootshaus verwoben, die Freien Wähler gar persönlich“, betonte er. Das damit gemeinte FW-Fraktionsmitglied Klaus Faber hatte den Sitzungsraum während des Tagesordnungspunktes verlassen, wie dies bei Interessenkonflikten üblich ist.

Für CDU und Freie Wähler sind die Vorwürfe eher Ausdruck der Probleme besonders der SPD, sich mit der Oppositionsrolle zurechtzufinden. „Sie haben wegen ihrer Position zu dem Thema Gastronomie am Altrheinufer die Mehrheit verloren“, behauptete Lothar Nachtmann (CDU). Der Umgestaltung in dem Bereich werde auch keineswegs vorgegriffen, hielt Rolf Leinz (FW) fest. „Es ist ein ordentliches Verfahren, die Beteiligungsrechte sind in abgespeckter Form gewährt.“

Alle Fraktionen hätten im März 2015 dem, was nun beabsichtigt sei, bereits einmal zugestimmt, betonte der Bürgermeister. Der Antrag schaffe lediglich die Möglichkeit, eine gastronomische Nutzung in dem Bereich zuzulassen. Puttnins-von Trotha widersprach erneut den Vorwürfen, den Senioren könnte durch das Verfahren der Seniorentreff „Zur Fähre“ als ihr zentraler Veranstaltungsort und Treffpunkt verloren gehen.

„Es steht nicht im Raum, diesen Gebäudeteil zu verkaufen, er bleibt in städtischem Besitz“, sagte er. Er sehe aber auch, dass der Treff „genutzt, oder eben auch nicht genutzt wird“, verwies er auf die geringe Auslastung der Räume durch die stark beschränkten Öffnungszeiten der Einrichtung. Und auch der Bürgermeister persönlich sieht sich zu dem Vorgehen von den Ginsheimern beauftragt. „Ich bin auch dafür gewählt worden, damit dort eine Gastronomie möglich wird.“

Die Behauptung von CDU und Freien Wählern, dass die Ginsheimer in ihrer großen Mehrheit eine Gastronomie am Altrheinufer befürworten, stellte Carolin Rethorn (Grüne) in Frage. „Aus dem Bericht der Nassauischen Heimstätte geht das nicht so klar hervor, ob dort wirklich eine Gastronomie gewollt ist“, sagte sie. „Wenn wir eine Kommunalwahl hatten, wozu dann noch Bürgerbeteiligung“, denke sich offenbar die neue Mehrheit, vermutete Fraktionskollege Benjamin Weiß.

Bericht zum Travellervorfall
Einig wurden sich die Fraktionen beim Vorgehen zur Aufarbeitung der Vorkommnisse auf der Ochsenwiese während des viereinhalbtägigen Besuchs von Hunderten irischer Traveller mit rund 100 Wohnwagengespannen. Nachdem dem ursprünglichen Berichtsantrag an die Verwaltungsspitze über die Vorgänge, den die Grünen eingereicht hatten, die Ergänzung um einen schriftlichen Bericht von Polizeiseite hinzugefügt war, konnten sich alle Fraktionen mit dem Antrag anfreunden.

In dem Bericht wird von Verwaltungsseite aber wohl kaum mehr drinstehen, als der Bürgermeister in seiner Stellungnahme zu dem Tagesordnungspunkt vortrug und in dem er im Wesentlichen noch einmal die bekannten Abläufe darstellte. Auch dieses Thema wird dennoch weiter für Streit sorgen, denn die Diskussion zeigte schon, dass sich die Arbeit der Verwaltung in diesen hektischen und krisenhaften Tagen in Gustavsburg selbstverständlich mit parteipolitischer Brille bewerten lässt.

Fest steht, dass die Stadt nicht ohne Kostenbelastung aus diesen Tagen herauskam. Von den Travellern kassierte die Verwaltung als Verhandlungsergebnis 3400 Euro ein, der Schaden auf der Ochsenwiese wird auf rund 10.000 Euro geschätzt. Rund 4000 Euro seien der Stadtkasse durch die Aufräumaktion Freiwilliger am Montagnachmittag erspart geblieben, betonte der Bürgermeister. Das sind keine weltbewegenden Zahlen, und so drehte sich die Diskussion auch darum, wie ein ähnliches Vorkommnis im kommenden Jahr verhindert werden könnte.

Benjamin Weiß (Grüne) hält die Darstellung der Verwaltung, dass die Stadt dem Aufmarsch der Traveller machtlos ausgeliefert gewesen sei, für falsch. Die Iren seien schließlich nur deshalb in Gustavsburg gelandet, weil die Frankfurter Polizei ihnen am Rebstockgelände, wo sie zuerst aufschlugen, den Aufenthalt untersagt habe. Und auch die Maaraue sei nach den Erfahrungen des Vorjahres für die Gruppe keine Option mehr gewesen.

„Warum gab es keine Vorwarnung durch die Polizei, es war schließlich kein neues Phänomen?“, fragte Weiß. Eine Fehleranalyse solle aufzeigen, was künftig besser gemacht werden könne, um solche Ereignisse zu verhindern. Den Grünen schwebt eine Nutzungsverordnung für die Ochsenwiese vor, laut der das Gelände künftig ausschließlich den großen Festen vorbehalten bleiben soll, also im Wesentlichen dem Burgfest, aber auch für den alljährlichen Zirkusbesuch. Nur, weil dieser Antrag nicht wie ursprünglich vorgesehen mit abgestimmt, sondern verschoben wurde, fand der Berichtsantrag der Grünen die Zustimmung der Mehrheit.
Thies Puttnins-von Trotha sieht eine verbesserte Koordination und schnelleren Informationsfluss über anrollende Traveller bereits auf den Weg gebracht. Käme ein entsprechender Hinweis, müssten dann eben die potenziellen Aufstellorte, neben der Ochsenweise auch der Bansen und die Bürgerhausparkplätze, abgesperrt werden. Der Bürgermeister stellte klar, dass alleine die Absperrung der Ochsenwiese nur durch das Aufstellen von sechs abschließbaren Schranken möglich wäre.

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