DaD-Verhinderer vollenden ihr Werk Kreistag lehnt wie erwartet weitere Untersuchungen eines Projekts "Deponie auf Deponie" in Wicker ab

Auf der Wickerer Deponie wird es auch in der Stilllegungsphase noch einiges zu tun geben. Die große Geschäftsidee mit dem Weiterbetrieb im Verfahren "Deponie auf Deponie" ist mit dem Kreistagsbeschluss allerdings erledigt.

Kreistag lehnt wie erwartet weitere Untersuchungen eines Projekts "Deponie auf Deponie" in Wicker ab

In der Zielrichtung waren sich längst alle Seiten einig. Keine Fraktion im Kreistag wollte nach den Eindrücken und Ereignissen der vergangenen Monate noch die Bestrebungen der Rhein-Main-Deponie GmbH (RMD) unterstützen, die Betriebsdauer der Wickerer Anlage um bis zu 20 Jahre durch das Geschäftsmodell „Deponie auf Deponie“ (DaD) zu verlängern. Es ging bei der Diskussion der vorliegenden Anträge zum Thema nur noch um die Hoheit der Entscheidungsvorgabe. Letztlich kamen Koalition und SPD nach einer Sitzungsunterbrechung soweit zusammen, dass beide Hauptanträge in eine kombinierte Version aufgingen, die in den entscheidenden Punkten einstimmig beschlossen wurden (siehe Infokasten).

Die SPD-Fraktion hatte sich durch den schon vor Ostern eingereichten Antrag zum „Stopp der Deponie auf der Deponie” frühzeitig um die führende Rolle als DaD-Killer bemüht. Die CDU/Grüne/FDP-Koalition wollte da natürlich dagegenhalten, nachdem auch sie zum Ergebnis gekommen war, das Projekt abzulehnen. Ein schon im Februar vorgelegter FWG-Antrag hatte die Verlängerung der Nutzung dagegen "ökologisch und ökonomisch als ein Vorteil für die gesamte Region" eingestuft und forderte nun die Prüfung von „Kompensationen für die Bürger von Flörsheim und Hochheim“. Vorschläge hierzu sollten Kreisausschuss und RMD vorlegen, doch dieser Antrag hatte sich durch das aktuelle Geschehen praktisch erledigt.

Die Linke schaffte es trotz Oppositionsstatus immerhin mit ihren Antrag „Risiken und Gefahren des Vorhabens ,Deponie auf Deponie‘ benennen" zu einer Verweisung mit abschließender Beratung in den Ausschuss. Dies war als Zugeständnis der anderen Fraktionen zu werten, dass eine Stellungnahme der Führungsebene der RMD zu den jüngsten Entscheidungen, wie sie die Fragestellung im Linken-Antrag anstößt, durchaus angebracht scheint.

Frühzeitiger SPD-Vorstoß gegen eilige Koalitionsaktion: „Hätten wir den Antrag nicht eingebracht, wir würden heute nicht das Ende der Pläne beschließen“, warf der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Philipp Neuhaus, gegen Ende der Debatte in die gelichtete Runde – coronabedingt tagte das Gremium ausnahmsweise mit nur 41 statt 81 Fraktionsvertretern. Schon vor seinen Ausführungen entschuldigte er sich dafür, dass er mit seinem Beitrag wohl eine neue Runde Wortmeldungen auslösen werde. Dem war dann nicht so, die für den Kreistag schon ungewöhnlich lange Debatte wollten die Fraktionen nicht weiter in die Länge ziehen.

Neuhaus hatte sich daran gestört, welches Bild die Koalition in den vorausgegangenen Redebeiträgen vom Weg zur wahren Erkenntnis gezeichnet hatte. Wie die Fraktionschefs des Dreierbündnisses es schon bei ihrer Pressekonferenz eine Woche vor der Kreistagssitzung betont hatten, war der jetzige Beschlussvorschlag der Koalition das Ergebnis eines vom Aufsichtsrat beauftragten Prüfungsprozesses, ob das Modell „Deponie auf Deponie“ eine Möglichkeit sein könnte, die maroden Bilanzen der RMD aufzubessern und so Geld für die Nachsorgekosten nach der endgültigen Stilllegung zu verdienen. Dies sei, so bemühten sich vor allem die Grünen hervorzuheben, mit einer sehr frühen Bürgerbeteiligung einhergegangen. Es sei klar gewesen, dass gegen die Akzeptanz der Bevölkerung der Weiterbetrieb in der Deponie nicht möglich sein werde, wie die zuständige Kreisbeigeordnete und RMD-Aufsichtsratschefin Madlen Overdick (Grüne) erneut hervorhob.

Die Flörsheimer Erste Stadträtin Renate Mohr (Grüne) unterstützte das Vorgehen Overdicks. „Zu viele Ängste standen im Raum, die Bürgerbeteiligung war daher wichtig“, sagte sie und bedauerte gar, dass durch den Ausstiegsbeschluss nun weitere dieser Veranstaltungen obsolet werden. „Ich hätte mir gewünscht, den Prozess der Bürgerbeteiligung fortzuführen, um die Zahlen besser kennenzulernen.“

Die Bürgerbeteiligungen als fortgesetzte Erkenntnisabende, da ging Neuhaus nicht ganz mit. „Spätestens nach der ersten Bürgerbeteiligung und den Beschlüssen der beiden Stadtverordnetenversammlungen war klar, dass für die Pläne keine Mehrheit da ist, dennoch hat die Kreisbeigeordnete die Bürgerbeteiligung weiterbetrieben“, kritisierte der SPD-Fraktionschef. Dass es aus Reihen der Koalitionsfraktionen vereinzelt Applaus für die Ausführungen Overdicks zur Bürgernähe des Diskussionsprozesses gegeben hatte, begegnete er mit der Aussage: „Heute ist nicht der Tag für Sonderapplaus für die politisch Verantwortlichen. Was passiert ist, war eine schwache Leistung.“

Schon der erste Redner der Debatte, Michael Antenbrink, dessen Beitrag Fraktionskollege Neuhaus als unerwartet zahm wahrnahm, hatte hervorgehoben, dass der Ausstieg aus der „Deponie auf Deponie“-Debatte nichts zum Feiern ist. „Es gibt politische Erfolge, bei denen will keine rechte Freude aufkommen.“ Dass das Projekt nicht durchzusetzen sein würde, sei eigentlich klar gewesen. „Mit einem Wortbruch den Betrieb um zwei Jahrzehnte zu verlängern, war nicht zu vermitteln“, verwies der Flörsheimer Ex-Bürgermeister auf die klare Erwartung der Bürgerinnen und Bürger, dass die Anlieferungen in Wicker (und damit die Verkehrsbelastungen) im aktuellen Ausmaß nun ein Ende haben würden. Dies war viele Jahre lang schließlich der Sachstand der Zukunftsszenarien für die Deponie.

Alle Seiten deuteten an, dass sie die wirtschaftlichen Probleme des Unternehmens durchaus nachvollziehen können. „Die Finanzkrise und die anhaltende Niedrigzinsphase“ haben laut CDU-Fraktionschef Frank Blasch die finanzielle Schieflage der RMD verursacht. „Es gab aber zweifelsohne auch unternehmerische Fehlentscheidungen.“ Die macht er eher mit den Versuchen der Geschäftsführer fest, die Lage zu verbessern. Die Deponie als Ort der Strom- und Wärmeversorgung, auf diese Leistung für rund 34.000 Haushalte im Jahr 2018 verwiesen auch Antenbrink und Neuhaus. Doch während der SPD-Fraktionschef fragte, warum die RMD nicht beauftragt wurde, diesen „viel beachteten Beitrag zum Klimaschutz“ fortzuschreiben und mit neuen Projekten weiterzuentwickeln, hält Blasch diese Geschäftsfelder zwar für „nicht falsch“, es gebe aber bei solchen Unternehmungen keine Garantie, dass sie wirtschaftlich funktionieren – und die Anlagen auf der Deponie Wicker verdienten eben nicht das Geld, das die Bilanzen aufbessern könnte.

Dass die Landkreise Main-Taunus und Hochtaunus als gemeinsame Gesellschafter der RMD in Zukunft Mittel aufbringen müssen, um den Deponiebetrieb auch über die vielen, noch anstehenden Jahre der Nachsorgephase zu finanzieren, sei schon lange klar, führte Blasch weiter aus. Dies machte schon vor zwei Jahren die Zusage der Landkreise deutlich, bis 2027 über 30 Millionen Euro in die Kasse der RMD zuzuschießen – so hatte es das im Frühjahr 2018 vorgelegte Sanierungsgutachten als notwendig beschrieben.

Dieses Gutachten empfahl auch ausdrücklich, ein Projekt „Deponie auf Deponie“ zu prüfen, womit sich für die Koalition die Chance bietet, die Verantwortung für das Beschreiten des Fehlwegs einem fürstlich entlohnten Fachstatement zuzuschreiben. „Das Gutachten hat potenzielle Chancen für die RMD genannt, es war unsere Aufgabe, uns das anzusehen“, verteidigte Blasch die lange währende Offenheit gegenüber dem DaD-Konzept.

Ähnlich beschreibt es der Hochheimer Bürgermeister und FDP-Fraktionsvorsitzende Dirk Westedt. Er hebt hervor, dass die Deponie besonders im Stadtteil Massenheim schon von den Anfängen an nicht gewollt war und gar die Gründung einer bis heute aktiven Bürgerinitiative auslöste. Als er im Aufsichtsrat der RMD von dem Konzept Deponie auf Deponie erfuhr, „habe ich gleich gesagt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass das so läuft“. Aber man höre sich als Aufsichtsrat solche Ideen eben an. Eine Akzeptanz in Hochheim hätte es seiner Einschätzung nach für ein Verfüllen der Senke gegeben, wo derzeit ein Strommast die Ablagerung ausbremst, „aber das lohnt sich nicht“.

Das Desaster mit dem DaD-Projekt scheint zu belegen: Die Sanierungsgutachter haben aus rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungen heraus das Modell entworfen und von den Widerständen, die dies im Wohnumfeld auslösen muss, nichts geahnt. Dies zeigt auf, wie schnell fachlich möglicherweise korrekte Rechnungen nicht aufgehen, wenn man als Gutachter nicht über den Tellerrand hinwegzublicken versteht und daher politische Stimmungslagen nicht beurteilen kann. Ganzheitlichkeit hat eben seine Vorteile.

Die Koalition, erläuterte Blasch, habe ihre Entscheidung über die Zukunftsfähigkeit der DaD-Idee nun ganz sachlich anhand der vier von ihr aufgestellten Kriterien (Wirtschaftlichkeit, Entsorgungssicherheit, Auswirkungen, Akzeptanz in der Bevölkerung) einer Bewertung unterzogen und sei vor allem wegen des letzten Punktes zum Entschluss gekommen, das Projekt nicht weiterzuverfolgen.

Die DaD-Idee war zunächst einmal bestechend, gestand Beate Ulrich-Graf (Linke) zu, „das wurde uns in schönen Bildern gezeichnet und klang plausibel“. Umgestimmt hat die Oppositionsrednerin letztlich die Aufklärungsarbeit des Hochheimer Vereins „Gegenwind“. Die Probleme, die dieser aufzeigte, machten den Linken klar, dass auch sie der Weiterverfolgung des Vorhabens eine Absage erteilen sollten.

Zutage getretene Vorgänge der Vergangenheit machten Ulrich-Graf klar, dass es einige Ungereimtheiten in der Geschäftspraxis des Unternehmens aufzuarbeiten gibt. Sie erinnerte an den Dumpingpreis der RMD von 20 DM für die nur per Sondergenehmigung mögliche Annahme einer Tonne Salzschlacke in Wicker – auf der eigentlich angebrachten Sondermülldeponie wären seinerzeit 180 Mark fällig gewesen.

Die Aufarbeitung soll auch nach dem Ausstieg aus dem DaD-Modell gewährleistet sein, möchte die Linke sicherstellen, so vor allem auch, „warum die Fakten bisher nicht bekannt waren und dennoch so geplant wurde“. Für Antenbrink ist die Fokussierung auf die Verantwortlichkeiten der Geschäftsführer allerdings ein Ablenkungsmanöver, „es stellt sich die Frage der Verantwortung der Gesellschafter“, also der beiden Landkreise.

Alle Fraktionen gehen davon aus, dass die Deponie die Steuerzahler noch wesentlich mehr Zuschüsse kosten wird als die 30 Millionen bis 2027. Die (gesetzlich verlängerte) Nachsorgephase bis 2075 ohne bedeutende Gegeneinnahmen kann noch teuer werden. Das kann man so akzeptieren oder nach Schuldigen suchen. „Populismus und aggressives Verhalten“ machte Renate Mohr in der Diskussion der vergangenen Monate aus. „Das hätten wir nicht gebraucht.“ Sie wollte sich einen Seitenhieb auf den Verein „Gegenwind“ nicht verkneifen, der sich auch auf die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratschefin Overdick fokussiert hatte.

Der Hochheimer Verein (2011 als Anti-Fluglärm-Initiative ins Leben gerufen) habe sich bisher wenig für das Thema Deponie interessiert gehabt, „und wird uns auf dem Weg der Nachsorge wohl nicht begleiten“. Neuhaus empfahl Mohr daraufhin, ihren Ärger wegen der polemischen Stimmung mit ihren Flörsheimer Koalitionspartner Marcus Reif zu besprechen. Er kritisierte die aggressive Formulierung des CDU-Fraktionschefs in einer Pressemitteilung, bei der er von einem „politischen Rattenrennen“ darum sprach, „wer denn der beste Gegner der Deponieerweiterung ist“.

Neuhaus verwies später auf das „komplette Zerwürfnis“ mit dem Hochtaunus-Kreis durch die Entwicklungen der jüngsten Monate und Jahre als realer Konflikt, der den weiteren Umgang mit der Deponie beeinflussen dürfte. Ein Bogen zu einem weiteren Beschluss des Kreistags an diesem Tag, der die Zukunft der Rhein-Main Abfall GmbH (RMA) und ihrer Auftragnehmer wie die RMD betrifft. Nicht diskutiert allerdings wurde die von Landrat Michael Cyriax (CDU) beklagte Schieflage im Gesamtkonstrukt der Abfallwirtschaft im Rhein-Main-Gebiet mit dem Generalunternehmen RMA. Dass die RMD am Ende der „Nahrungskette“ nur noch geringen Anteil an den Einnahmen aus dem Abfallgeschäft hat, hatte der Landrat seinen Aussagen zufolge in der jüngsten Vergangenheit durch Gespräche mit den Verantwortlichen in dem Unternehmen erfolglos zu verbessern versucht. Umso seltsamer erscheint es, dass nun auch im Kreistag der Vorschlag des Landrats, den Kooperationsvertrag mit den an der RMA beteiligten Kommunen (die Städte Frankfurt und Offenbach, die Landkreise Offenbach, Hochtaunus und Main-Taunus sowie die Stadt Maintal) vorzeitig zu verlängern, ohne größere Diskussion durchgewunken wurde.

Der Kreistag folgte damit, wie es nicht unüblich ist, vertrauensvoll dem Votum des zuständigen Beteiligungsausschusses und des Kreisausschusses. Cyriax erläuterte bisher zwar, dass er mit der Realität der Zusammenarbeit nicht recht glücklich ist, jedoch nicht, welchen Vorteil er sich daraus verspricht, dennoch so frühzeitig eine Verlängerung des Grundlagenvertrages zur Kooperation um zehn Jahre bis Ende 2033 auf den Weg zu bringen.

Einem Fußballprofi wird eine vorgezogene Vertragsverlängerung üblicherweise mit einer deutlichen Gehaltssteigerung vergütet, der Telefonanbieter beschenkt Kunden für die vorzeitig zugesagte Treue für weitere Jahre gerne mit einem Tablet. Was der Kreis Main-Taunus von diesem Schritt hat, wurde bisher nicht klar. Die Kündigungsfrist der Mitglieder läuft erst 18 Monate vor Ende der aktuellen Laufzeit zum 31. Dezember 2023, also im Sommer 2022, aus. Die Linke scheiterte mit ihrem Antrag, die Vorlage zurückzuziehen, um weitere Verhandlungen mit den Vertragspartnern zu führen. Auch, ob der Kreis mit anderen Partnern besser fahren würde, sollte untersucht werden.

Der Vorstoß erhielt allerdings keine Unterstützung, die Verlängerung des Vertrages wurde bei drei Gegenstimmen beschlossen. Der einzige Redner zum Tagesordnungspunkt aus der Koalition, CDU-Fraktionsmitglied Alexander Feist, stellte klar, dass die Abfallentsorgung juristisch und technisch heutzutage eine komplizierte Angelegenheit sei. Der Beteiligungs- und der Haupt- und Finanzausschuss hätten sich mit der Vorlage beschäftigt, "auf Grundlage der Verträge haben wir uns dazu entschlossen zuzustimmen", erläuterte der Krifteler Christdemokrat so knapp wie wenig erhellend.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X