Damals wie heute zählt die Hoffnung Der 354. Verlobte Tag war trotz der Einschränkungen durch Corona eine würdige Veranstaltung

Prozession als Videoereignis: Weil nur die Geistlichen und städtischen Vertreter am Zug von Altar zu Altar teilnehmen durften, wurde dieser erstmals per Livebild auf eine große Leinwand am Gallusplatz sowie in den sozialen Medien übertragen.

Der 354. Verlobte Tag war trotz der Einschränkungen durch Corona eine würdige Veranstaltung

Der Verlobte Tag ist ein besonderer Tag im Flörsheimer Kalender, diesmal war er

besonders

besonders. Schon in „normalen“ Zeiten verlangt diese Veranstaltung mit ihrer über 350-jährigen Tradition die Mitarbeit einer Menge Menschen ab, das verstärkte sich in diesem Jahr deutlich. Niemand hatte die Möglichkeit eines Probelaufs zu diesem außergewöhnlichen, 354. Verlobten Tag, der mit vielen technischen und organisatorischen Neuerungen aufwartete – aufwarten musste, um diese traditionelle Großveranstaltung trotz aller Beschränkungen durch die Coronakrise auch 2020 durchzuführen.

Das hat doch sehr gut funktioniert, darf man der Kirchengemeinde und der Stadt bestätigen, die sich seit Monaten ausgiebig und intensiv mit dieser ungewöhnlichen Situation auseinandergesetzt hatten und viele Ideen entwickeln mussten, um die jahrhundertealte Reihe nicht abbrechen zu lassen. So gut, dass vielleicht manche, in diesem Jahr zwangsweise eingeführte Neuerung eine Überlegung wert ist, sie auch ohne Pandemie-Rahmenbedingungen fortzuführen.

Pfarrer Friedhelm Meudt gab am Ende der knapp vierstündigen Veranstaltung Bürgermeister Bernd Blisch die Bitte mit, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den städtischen Ämtern für ihre Unterstützung bei der coronagerechten Organisation des Verlobten Tags zu danken. Ein Stoßgebiet ging aber auch in Richtung Himmel, denn der zeigte sich am Montagvormittag zwar wolkenverhangen, ließ aber kein Tröpfchen auf die Flörsheimer Gläubigen fallen – nun gut, das durften sie aber auch erwarten, nachdem schon am Sonntagabend wahre Fluten auf die Stadt herabgestürzt waren und das Serenadenkonzert des Musikvereins verhindert hatten (siehe Bericht).

Nicht zuletzt lobte Meudt den Einsatz der Kantorei unter der Leitung von Andreas Großmann, denn auch die musikalisch-chorale Begleitung der Veranstaltung zu sichern war in diesem Jahr schwieriger als sonst. Die Musikerinnen und Musiker mussten sich auf einer recht großen Fläche am östlichen Rand des Gallusplatzes verteilen, mit ausgemessenen Abständen zueinander. Das war durch die damit eingeschränkte Kommunikation untereinander nicht gerade günstig, um als harmonisches Ensemble aufzutreten, doch in diesem Rahmen bekamen die erfahrenen Kantoreimitglieder dies sehr gut hin.

Am stärksten wirkten sich die Corona-Auflagen auf den Gottesdienst aus, der erstmals seit Menschengedenken von der Kirche auf den Gallusplatz verlegt werden musste, so dass wegen der Abstandsregeln nur einer begrenzten, angemeldeten Menge Menschen das direkte Erlebnis der Zeremonie beizuwohnen vergönnt war. Wer es nicht – mit einer gelb-weißen Schärpe behangen als dazu berechtigt ausgewiesen – auf den mit Absperrgittern und Eingangskontrollen umrahmten Platz geschafft hatte, konnte das Geschehen dank zahlreicher, leistungsstarker Lautsprecher in der gesamten Altstadt und selbst am Mainufer zumindest akustisch gut verfolgen.

Bei der Prozession, die sich nach dem eineinhalbstündigen Gottesdienst gegen 10.30 Uhr auf den üblichen Weg von Altar zu Altar machte, mussten die Teilnehmer Schutzmasken aufziehen. Zuschauer am Wegesrand der Gassen waren nicht verboten, aber angehalten sich ebenfalls an die Abstandsregeln zu halten. Vereinzelt hatten Bürger wieder eigene kleine Altartischchen aufgebaut oder die Fenster festlich geschmückt, dennoch blieb es ein kleiner Kreis Bürger, der an den Bürgersteigen zuschaute.

Auch durch die fehlende Begleitung der „normalen“ Gläubigen war es in der Hauptstraße und Untermainstraße sowie später am Konrad-Adenauer-Ufer ungewohnt leer. Für die auf dem Gallusplatz Verbliebenen wurde die gesamte Prozession von einer Film-Produktionsfirma mit ihrer professionellen Kameraausrüstung begleitet und nicht nur auf den Platz, sondern auch auf der Facebookseite der Kirchengemeinde live übertragen. Die ebenfalls vorgesehene Übertragung im YouTube-Kanal der St. Gallus-Gemeinde fiel wegen eines technischen Problems aus.

Der 354. Verlobte Tag stand unter einem Zitat aus dem ersten Petrusbrief: „Gebt Zeugnis von der Hoffnung, die euch erfüllt.“ Die „Hoffnung“ war der zentrale Begriff des Verlobten Tages, der es auch auf die gelb-weißen Bänder geschafft hatte. Pfarrer Meudt erläuterte, dass es bei dieser Feier um „eine Bitte um Stärkung unserer Hoffnung von Gott her“ gehe, aber auch darum, „von unserer Hoffnung Zeugnis abzulegen“. Durch die aktuelle Pandemie sei die Verbundenheit mit dem Jahr 1666 „vielleicht deutlicher als in anderen Jahren“ zu spüren.

Nach der Predigt, die Pfarrer Meudt selbst hielt, und den Fürbitten folgte die Eucharistiefeier, bei der die Spende der Kommunion in diesem Jahr auf eine spezielle Weise ablief: Wer sie empfangen wollte, wartete stehend an seinem Platz, dass sie zu ihm gebracht wird. Keine Schlangenbildung wie sonst in der Kirche, wo Abstand zu halten unmöglich gewesen wäre. Den Überblick zu behalten, wer noch nicht versorgt war, ist bei dieser neuen Methode allerdings etwas schwierig.

Dann hieß es: Monstranz mit dem Allerheiligsten packen, untern den Baldachin schlüpfen – und schon ging es auf die Strecke. Die Lektoren, die während der Prozession insgesamt 16 Impulstexte vorlasen (Lesungen, Gebete, Meditationen und Bitten), taten dies vom Gallusplatz aus und waren über die Lautsprecher überall entlang der Strecke gut zu hören. Der Ablauf der Prozession war, abgesehen von der fehlenden Begleitung durch die Gläubigen, nicht anders als sonst: Über die Hauptstraße ging es bis zum Pestkreuz an der Ecke Untermainstraße, weiter zum Karthäuser Hof und schließlich ans Mainufer zur Gedächtnisstele, die 2016 anlässlich des 350. Verlobten Tages gestiftet worden war.

Zum vierten und letzten Anlaufpunkt ging es zurück zum Gallusplatz, wo Pfarrer Meudt vor dem Allerheiligsten ein Gebet unter Glockengeläut sprach. Zum Abschluss bekräftigten Meudt, sein evangelischer Kollege Martin Hanauer und Bürgermeister Bernd Blisch das Gelöbnis zum Verlobten Tag gemeinsam auf der Altarbühne mit kurzen Bekundungen. „Auch, wenn manches anders sein musste und uns manche Beschränkung auferlegt wurde, so wissen wir uns der Tradition und dem Vermächtnis verbunden“, sagte Meudt.

Pfarrer Hanauer betonte, dass die Corona-Epidemie nicht mit der Pest zu vergleichen sei, könnten die heutigen Menschen nun doch die Sorge und Ängste vergangener Generationen besser nachvollziehen. „Wie unsere Vorfahren sind wir gehalten alles zu tun, was in unserer Kraft steht – aber auch voll Vertrauen auf Gottes Beistand zu hoffen und ihn um Hilfe anzurufen.“

Der Bürgermeister schlug den Bogen zwischen den Gläubigen und der Gesellschaft an sich. „Katholische und evangelische Christen, Mitbürgerinnen und Mitbürger verschiedener anderer Religionen und Konfessionen und auch Menschen in unserer Stadt, die sich keinem Glauben und keiner Religion verbunden fühlen, erhoffen und erbitten ein Ende der Krise und einen guten Weg für Flörsheim und alle Menschen in die Zukunft hinein“, sagte Bernd Blisch.

Nach dem Te Deum, dem „Tentum ergo“ der Kantorei und dem Sakramentalen Segen brachte Pfarrer Robert-Jan Ginter das Allerheiligste zusammen mit zwei Messdienern zum sicheren Aufbewahrungsort zurück, dem Tabernakel in der Kirche. Die Kantorei stimmte das Schlusslied „Ihr sollt ein Segen sein“ an, mit dem Auszug vom Gallusplatz war der gerettete Festgottesdienst zum 354. Verlobten Tag zu Ende.

Die Gläubigen durften erfahren, dass auch eine mit gewissen Abstrichen verbundene Veranstaltung wie die des Jahres 2020 immer noch weit besser war als mit der Tradition zu brechen. Der Verlobte Tag bestand zudem auch aus Veranstaltungen, die von den Einschränkungen weniger betroffen waren. So führte der Bürgermeister eine 20-köpfige Gruppe schon am Samstagnachmittag zu den entscheidenden Orten, die in Flörsheim mit dem Verlobten Tag in Verbindung stehen. Am frühen Montagmorgen begannen die Feierlichkeiten für die Geistlichen mit Eucharistiefeiern in St. Gallus und St Josef.

Am Nachmittag versammelten sich eine ganze Reihe Bürger auf dem Alten Friedhof, um der Enthüllung eines Gedenksteins für die Dominikanerinnen beizuwohnen, die einst im Marienkrankenhaus Dienst am Menschen leisteten (siehe Bericht). Und als letzter Akt folgte wieder in der Galluskirche am frühen Montagabend ein Vespergottesdienst. Hätten die Schleusen auch am Sonntagabend dicht gehalten, wäre wenigstens dieses Rahmenprogramm ganz nach Plan verlaufen.

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