„Offen gegen Rassismus vorgehen“

Mahnwache und Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht

FLÖRSHEIM (drh) – Eine Mahnwache in der Synagogengasse und eine Gedenkveranstaltung in der Kulturscheune sollten in diesem Jahr die Erinnerung an die Gräueltaten der Reichspogromnacht wach halten. Am Freitagabend traf man sich in der Synagogengasse und am Samstag gedachten rund 40 Bürgerinnen und Bürger den jüdischen Opfern in der Kulturscheune. Klezmermusik von Roman Kuperschmidt vermittelte den Teilnehmern ein Gefühl der jüdischen Empfindungen zu Zeiten des Grauens.

 

Kuperschmidt spielte Melodien, die im Konzentrationslager oder im Warschauer Ghetto komponiert wurden. Mit „wir leben ewig“ sei die KZ-Komposition überschrieben, die Kuperschmid gefühlvoll auf der Klarinette wiedergab. Ergreifend auch die Gedanken des in Paris verfassten Gedichtes „Flerschem in Paris“ des jüdischen Mitbürgers Leo Mannheimer. Peter Keller, Schauspieler des Flörsheimer Amateur-Theaters (FAT), verlas die Zeilen und auch das Gedicht „Nachtgedanken“ von Heinrich Heine, vorgetragen von Jens Kroonstuiver, griff die Stimmung auf. In Mannheimers Textzeilen hieß es: „Lieber arm sein in Paris, als reich in Buchenwald.“ Leo Mannheimer entkam zwar zunächst dem Konzentrationslager in Buchenwald, ging dann nach Paris, wurde später aber dann doch in einer Gaskammer ermordet.
Franz Kroonstuiver, Vorsitzender des SPD-Ortsbezirkes Flörsheim, mahnte in einer Rede ein Vergessen der Geschichte an , wäre es doch ein Unding, dass im Jahr 2012 Rabbiner bedroht und auf Schulhöfen „Jude“ als Schimpfwort gebraucht werde. Kollektivschuld gebe es zwar nicht, aber massenhafte individuelle Schuld und so sollte jeder einzelne Zivilcourage zeigen und auch 74 Jahre nach der Reichspogromnacht offen gegen Rassismus vorgehen. Kroonstuiver erinnerte aber auch an die wenigen Flörsheimer, die ihren jüdischen Nachbarn bis zuletzt zur Seite standen und ihnen beispielsweise ihr Brot noch backten, obwohl dies längst verboten war. Dennoch konnte Kroonstuiver auch nicht verheimlichen, dass in Flörsheim die jüdischen Wohnungen in der Reichspogromnacht zerstört wurden und die Einrichtung der Synagoge komplett demoliert wurde. Den jüdischen Totenwagen hatte man zerstört und in den Main gestoßen. „Waren es wirklich nur NS-Schergen oder gab es auch andere Täter und Mitwisser?“, fragte Kroonstuiver in die Runde. Die Namen der jüdischen Flörsheimer Opfer wurden von den beiden Messdienerinnen Lucy Richter und Nathalie Vogt verlesen.
1933 lebten 52 Juden in Flörsheim, 24 kamen in Konzentrationslagern um und nach dem Krieg lebte kein jüdischer Bürger mehr in der Stadt. Die beiden Pfarrer Martin Hanauer und Frank-Peter Beuler sprachen geistliche Worte und Psalmen, bevor auch der Frankfurter Rabbiner Schlomo Raskin einige Worte fand. Für ihn sei es noch wichtiger als die bloße Akzeptanz, einander zu verstehen.
Noch keine Bewertungen vorhanden


X