Streitpunkt Abwärmenutzung

Rechenzentrum im Kastengrund: Grüne fordern fest definierten Ausgleich im städtebaulichen Vertrag

Auf dem Kastengrund-Areal soll ein großes Rechenzentrum entstehen. Insbesondere die künftige Nutzung der Abwärme beschäftigte die Stadtverordnetenversammlung.

Zur jüngsten Stadtverordnetenversammlung bekamen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier einen Beschlussvorschlag des Magistrats bezüglich des Bauleitverfahrens zum "Kastengrund" vorgelegt. Demnach sollte der Entwurf des städtebaulichen Vertrages zum Bebauungsplan beschlossen werden. Dieser Vertrag regelt die Durchführung und Realisierung des geplanten Bauvorhabens und soll zwischen der Stadt Hattersheim am Main und Digital Frankfurt 2 B.V. als Vorhabenträgerin geschlossen werden. Im Rahmen des Vertrages werden unter anderem Angelegenheiten wie die Erschließungsmaßnahmen, der Natur- und Artenschutz, die Nutzung von Abwärme und die Fassadengestaltung geregelt. Zudem wird die Übernahme der entstehenden Kosten für Planung und Realisierung festgelegt.

Ausgleich für schlechte Energiebilanz

Die Bühne der Stadtverordnetenversammlung wurde von den Hattersheimer Fraktionen noch einmal ausgiebig genutzt, um die eigenen Positionen zum Bauvorhaben zu konkretisieren.

Alessio Dale (Bündnis 90/Die Grünen) machte keinen Hehl aus seiner Skepsis: "Wir können nicht verstehen, wie die Stadtregierung den Kastengrund als angebrachte Fläche für die Installation eines Rechenzentrums ansehen kann." Der Kastengrund grenze an Agrarflächen, Grünwiesen und ein Naturschutzgebiet. Zudem befinde sich das Areal inmitten eines Wasserschutzgebietes und sei umringt von natürlichen Habitaten für Flora und Fauna.

Ein Rechenzentrum in ein derart sensibles Gebiet zu platzieren, halten die Hattersheimer Grünen für unangebracht. "Unserer Auffassung nach ist die festgelegte Bauhöhe zu groß, der angeregte Grünring zu klein und die Neuversiegelung zu stark", so Dale. Die 540 Bäume, die sich innerhalb des Plangebietes befinden, müssten wahrscheinlich größtenteils gefällt werden.

Ein weiteres Manko aus Sicht der Grünen ist der Umstand, dass weder die dezentrale Stromversorgung durch Photovoltaikanlagen, noch eine Begrünung der Fassaden aktiv beworben werde. Auch sollte die Abwärme, die als Abfallprodukt des Rechenzentrums entstehen wird, garantiert sinnvoll genutzt werden. Dale mahnte an, dass man sich in dieser Hinsicht nicht auf die "fragile Hofheimer Stadtregierung" und die tatsächliche Realisierung des umstrittenen Neubauprojekts Marxheim II verlassen sollte.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Nathalie Ferko stellte zudem klar, dass die Ansiedlung von Rechenzentren finanziell sicher gut für die Stadt Hattersheim am Main sei und dass ihre Fraktion diese auch nicht grundsätzlich ablehne. Rechenzentren hätten aber nun einmal eine katastrophale Energiebilanz. "Da muss man was ausgleichen und dafür muss man die Initiative ergreifen", so Ferko.

Sozialdemokraten begrüßen die gewerbliche Nutzung

Ein weitgehend anderes, unkritischeres Bild zeichnete Dr. Marek Meyer, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Hattersheimer Parlament. Früher gab es auf dem Gelände eine Industrienutzung, nun komme ein neues Gewerbe dorthin - das sei schon in Ordnung so.

Einen Punkt erachtete Dr. Meyer dennoch als besonders diskutabel: Die Regelung der Abwärmenutzung sei nicht optimal. Dem städtebaulichen Vertrag zufolge stellt der Vorhabenträger die entstehende Abwärme zur Nutzung durch Dritte an der Grundstücksgrenze unentgeltlich zur Verfügung. Er steht jedoch nicht dafür ein, dass die Abwärme von Dritten tatsächlich nutzbar ist oder genutzt wird. Der SPD-Fraktionsvorsitzende hätte es vorgezogen, wenn man den Investor dazu verpflichten würde einen Abnehmer für die Wärme zu finden, damit diese auf jeden Fall Verwendung findet. Statt dessen sei nun die Stadt in der Bringschuld, einen solchen Abnehmer zu finden. "Das muss dann auch geschehen", stellte Dr. Meyer klar und kündigte an, dass seine Partei darauf drängen wird, dass dies tatsächlich passiert.

Ansonsten begrüßt die SPD-Fraktion die neue Nutzung des Kastengrunds und dass dort wieder Gewerbesteuereinnahmen generiert werden.

Möglichkeiten der Abwärmenutzung werden geprüft

Bürgermeister Klaus Schindling hält eine Nutzung von Abwärme für grundsätzlich richtig und wichtig. Für die Vorstöße der Oppositionsparteien zeigte er Verständnis, verwies aber auch darauf, dass man in Regierungsverantwortung einem Investor gegenüber in Verhandlungen keine Forderungen postulieren könne, von denen man noch gar nicht weiß, ob diese auch technisch umsetzbar und finanzierbar sind. Deshalb wirkte er in dieser Sache für den städtebaulichen Vertrag auf zurückhaltendere Formulierungen hin. "Sie wissen, wie es in der Politik ist: Versprechen, die man nicht hält, sind doof", brachte Schindling es auf den Punkt.

Zudem liege der Kastengrund nicht in unmittelbarer Nähe zu anderen Objekten, die beheizt werden müssen. Marxheim II sei auch hier nur "eine wackelige Alternative"; es gebe noch weitere, die jedoch noch nicht spruchreif seien. Zudem stellen sich auch die technischen Fragen, wie weit man denn die Abwärme womöglich transportieren kann oder ob es Möglichkeiten zur Speicherung oder Pufferung gibt. Können damit eventuell große Gewächshausanlagen beheizt werden, wie es in den Niederlanden gemacht wird? Wo könnten diese gegebenenfalls stehen, wo sind diese genehmigungsrechtlich möglich? Es gibt eine Fülle an Möglichkeiten, so Schindling. Aber es verbiete sich, diese schon jetzt festzuzurren - weil einfach noch nicht klar ist, ob und wie diese realisiert werden können. "Das wäre alles in einem Konjunktiv gesprochen", stellte der Bürgermeister klar. Deshalb sagt die Verwaltung zu, dass sie in dieser Sache am Ball bleiben werde und dass man fest davon ausgeht, dass man eine sinnvolle und praktikable Möglichkeit zur Nutzung der Abwärme finden wird. "Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher", zeigte sich Schindling optimistisch. Und diese werde man dann in der Stadtverordnetenversammlung diskutieren und beschließen - sobald diese hinreichend konkret präsentiert werden kann.

Die Beschlussvorlage wurde schließlich mehrheitlich angenommen, bei Ja-Stimmen von CDU, FDP, FWG und der PARTEI und Ablehnung durch Bündnis 90/Die Grünen.

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