„30 Jahre und ein bisschen weise“

Grünes Sofa, Grüne Soße und Bio-Eier – Hattersheimer Grüne feiern Jubiläum

Betkin Goethals und Reinhard Odey weihten mit einem Zwiegespräch das mobile „Grüne Sofa“ ein, auf das die Partei in Zukunft auch andere Bürger einladen möchten.
(Fotos: A. Kreusch)

HATTERSHEIM (ak) – Mit einem großen und vergnügten Fest feierten die Hattersheimer Grünen am Sonntag, 21. Juni, ihr 30-jähriges Bestehen in der „Roten Kuh“, der Galerie im Nassauer Hof in Hattersheim.

Durch den Nachmittag führten „aus dem Stehgreif, wie bei uns Grünen üblich“ Betkin Goethals und Winfried Pohl, allerdings war ein Programmablauf schon geplant.
Optische Anziehungspunkte der Feier waren ein „Grünes Sofa“ und ein mit „grünen“ Themen gedeckter „Politischer Tisch“, beides soll in Zukunft die Gesprächsbereitschaft der Hattersheimer Grünen auch bei Einsätzen an öffentlichen Orten signalisieren. „Wir wollen Leute einladen, sich zu uns auf’s ,Grüne Sofa' zu setzen und mit uns zu reden – wir überlegen noch, wie man das Sofa am besten mit dem Fahrrad transportieren könnte“, erklärte Jochen Schnick schmunzelnd dazu, und Marga Schmitt-Reinhard erzählt, dass auf dem gedeckten „Politischen Tisch“ die Symbole mit Absicht nicht so offensichtlich gewählt sind: „Wir wollen die Leute damit ja zum Nachdenken bringen – wir stellen uns vor, den Tisch vielleicht mal auf dem Hattersheimer Markt aufzustellen und so die Aufmerksamkeit der Menschen auf unsere Themen zu lenken.“
Das „Grüne Sofa“ kam gleich das erste Mal zum Einsatz, einer der ersten Programmpunkte der Feier war ein Zwiegespräch, welches Betkin Goethals mit Reinhard Odey führte und in dem es um „Grüne Inhalte früher und heute“ ging. Dabei wurde unter anderem das „Grüne Weltbild“ und „Sind wir eigentlich noch ökologisch?“ hinterfragt. Reinhard Odey stellte in dem „Interview“ seine pragmatische und realitätsnahe Sicht dar: „Unser Weltbild ist bestimmt von Toleranz und nicht davon zu bestimmen, was andere tun sollen – die vom missionarischen Flügel unserer Partei kommen manchmal in eine Lage, in der sie damit kollidieren“, weiß er. Allerdings empfindet er auch, dass „sich nicht damit abfinden, was passiert“ als eine positive Auswirkung des „Grünen Weltbildes“: „Wir wollen immer Lösungen suchen, mit denen alle leben können und bestimmte Dinge eben nicht einfach so akzeptieren, auch wenn nicht gleich Lösungen parat sind. Unsere Lösungsansätze haben meist weniger Nebenwirkungen als die anderer, das macht uns selbstbewusst“, betonte Reinhard Odey überzeugt.

Rückblick auf 30 Jahre
Während die Gäste der Veranstaltung sich am Buffet mit Salzkartoffeln, Bio-Eiern und leckerer Grüner Soße bedienen konnten, ließ die Hattersheimer Erste Stadträtin Karin Schnick 30 Jahre grüner Politik in Hattersheim Revue passieren. Sie erinnerte daran, dass sich der Ortsverband 1984 hauptsächlich aus Gegnern der Startbahn 18 West am Frankfurter Flughafen gegründet hatte und seitdem Einfluss auf die ökologische Entwicklung der Stadt genommen hat. Karin Schnick stellte die grüne Arbeit in Hattersheim zu den Stichworten Atomkraft, erneuerbare Energien, Klimaschutz und Energiewende noch einmal vor und rief die Lokale Agenda 21 ins Gedächtnis der Zuhörer. Schmunzelnd erzählte sie davon, dass sogar Ranga Yogeshwar eine ganze Sendung „Quarks & Co“ der Stadt Hattersheim und dem grünen Kampf gegen die Strom-Monopolisten widmete.
Auch Ökologie und Naturschutz sind wichtige Themen bei den Hattersheimer Grünen: „Dass die Umsetzung ökologischer Maßnahmen für die uns folgenden Generationen unabdingbar, aber auch der Schuldenberg kein attraktives Erbe ist, macht es notwendig, kreativ an die Aufgabenstellung heranzugehen“, weiß Karin Schnick. Sie führte auf, dass die Grünen schon lange daran arbeiten, den Radverkehr in Hattersheim attraktiv zu machen: „Durch die Öffnung der Einbahnstraße gegen die Fahrtrichtung für Radfahrer, durch den Abbau von Hindernissen und durch die gute Ausschilderung der Wege konnten wir die Attraktivität für Radfahrer hier steigern“, verbucht sie auf dem Konto der Hattersheimer Grünen, stellt dem aber zur Seite, dass vor allem die schwächsten Verkehrsteilnehmer – die Fußgänger – auf den Straßen besonders geschützt werden müssen.
Die solidarische Stadtgesellschaft in Hattersheim ist ebenfalls ein Thema, für das sich die Grünen immer stark gemacht hatten. „Projekte wie Soziale Stadt, Generationenwohnen, Willkommenskultur und Inklusion wurden von uns mitinitiiert und intensiv begleitet“, führte Karin Schnick auf und zitierte die Leitlinien der Grünen: „Wir wollen Menschen zusammenführen und einer Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken, und wir wollen denen helfen, die sich nicht selbst helfen können“. Selbstverständlich gab die Erste Stadträtin auch einen Ausblick auf die im nächsten Jahr anstehenden Kommunalwahlen: „Zum Umgang mit den politischen Mitbewerbern gehört für uns Grüne vor allem gegenseitiger Respekt und Wertschätzung. Wir werden auch im kommenden Wahlkampf unsere Ideen darstellen und für unsere Ziele kämpfen und nicht die politische Konkurrenz als Gegner oder Feind betrachten und schlechtmachen“, versprach Karin Schnick ihren Partei-Freunden.

Politikprominenz zu Gast
Selbstverständlich waren auch Gäste zur Jubiläumsfeier der Grünen nach Hattersheim gekommen, es wurden viele nette und anerkennende Grußworte gesprochen und kleine Geschenke überreicht – so hatte die Hattersheimer Bürgermeisterin Antje Köster für ihre Koalitionskolleginnen und -Kollegen eine große Sonnenblume mitgebracht, die in einem SPD-roten Übertopf steckte. Sie erzählte von fruchtbaren Gesprächen und von vielen Parallelen mit den Koalitionspartnern. Antje Köster wünschte, dass die Grünen im Ballungsraum Rhein-Main noch viele Jahre ihre Akzente setzen werden. SPD-Vorsitzender Ralf Meik brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Koalition mit den Grünen im Hattersheimer Stadtparlament noch lange bestehen bleibt. Auch das Mitglied des Hessischen Landtages Frank Kaufmann, der Grünen-Sprecher für Haushalt, den Frankfurter Flughafen, Landesentwicklung und Regionalplanung, war am Sonntag bei der Jubiläumsfeier des Ortsverbandes zu Gast. „Unabhängig davon, dass wir dagegen waren und immer noch dagegen sind – die Landebahn ist da, und jetzt versuchen wir eben daran zu arbeiten, die Folgen für die Anwohner zu verbessern“, erklärte er, „aber es ist ein erhebliches Problem, unter den zurzeit geltenden Gesetzen da etwas zu machen – da muss der Bund und Berlin helfen.“ Kaufmann verteidigte die Hessische Koalition der Grünen mit der CDU: „Die CDU ist im Moment für uns der bessere Ansprechpartner, in der SPD gibt es zu vielen Dingen, die uns bewegen, keine Position, und wenn es eine gibt, wird nicht klar, welche.“
Die Grüne Bundestagsabgeordnete Cordula Schulz-Asche brachte ein buntes Strickstück für den „Trophäen-Schrank“ der Hattersheimer Grünen mit. „Das politische Stricken habe ich hier in Hattersheim gelernt“, schmunzelte sie, „die tolle Aktion in der Hattersheimer Siedlung werde ich immer in Erinnerung behalten!“ Ihr kleines Strickkunstwerk fing mit grün an und endete mit grün. „Aber dazwischen habe ich viele verschiede Stimmungen gestrickt, so wie die Vielfalt der Grünen ist – und ich habe extra kein kleines Karo, sondern eher große Karos gemacht. Es ist toll, dass ihr hier schon so lange regiert, wir hoffen in den nächsten Jahren in Berlin auf eure Erfahrungen zurückgreifen zu können!“

Würdigungen für Grüne Arbeit
Mit ganz persönlichen kleinen Geschenken würdigten die Hattersheimer Grünen auf ihrer Feier nicht nur Mitglieder der ersten Stunde, sondern auch solche, die frischen Wind in die Parteireihen gebracht hatten. So bekam etwa Gerhard Schuster eine „ganz schön scharfe“ Paprikapflanze überreicht, Reinhard Odey eine Fahrradluftpumpe, damit „die Luft drin“ bleibt ,und Karin Schnick eine Flasche „Zaubertrank“, auf dessen Kronkorken zu lesen war: „Ohne Schnick-Schnack“.
Auch wenn etwa von Gründungsmitglied Jörg Stein oder dem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Journalisten Joachim Wille geäußert wurde, dass man sich die Grünen wieder „etwas radikaler“ wünschen würde, herrschte eine zufriedene Stimmung in der „Roten Kuh“.
Uwe Broschk hatte sich für den Jubiläums-Anlass ein Politisches Quiz ausgedacht, in dem so schwierige Fragen wie „Welches Atomkraftwerk war das erste in Deutschland?“, „Wieviel Einwohner hat Hattersheim?“ und „In welchem Bundesland erzielten die Grünen bisher das beste Ergebnis bei Landtagswahlen?“ zu beantworten waren.
Uli Schuster unterhielt die Veranstalter und Gäste mit seiner humorigen „Rede über unsere Kindheit“, die beiden „Barden“ Ernst Turba und Chris Savage umrahmten die Feier gekonnt und auch manchmal mitreißend musikalisch.

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