"Vom Babbedeggel zum Kaddong“: Sonderausstellung zur Rhein-Main-Wellpappe eröffnet

Fast 80 Gäste folgten am Sonntag der Einladung des Hattersheimer Geschichtsvereins ins Stadtmuseum

mpk

Die zweite Sonderausstellung des Hattersheimer Geschichtsvereins beschäftigt sich aktuell mit der Geschichte der hiesigen Wellpappe-Fabrik, die als zweitgrößter lokaler Arbeitgeber zwischen 1957 und 1997 an der Voltastraße "Maßanzüge für Verpackungsgut" herstellte. Zu ihren Produkten zählten, neben der bekannten Wellpappe, auch Verpackungskartons für Lebensmittel-, Getränke- und Spirituosenhersteller. Geplant und umgesetzt wurde die Ausstellung von Ulrike Milas-Quirin, Kirsten Rose und Dr. Andrea Schneider.

Am vergangenen Sonntag hatte der Geschichtsverein zur offiziellen Aussstellungseröffnung ins Stadtmusem eingeladen, und die Resonanz war erstaunlich groß: Etwa 80 Gäste wohnten der Veranstaltung bei.

Hans Franssen, der 1. Vorsitzende des Hattersheimer Geschichtsvereins, umriss in seiner Eröffnungsrede die Bedeutung der Rhein-Main-Wellpappe für die Stadt über vier Jahrzehnte hinweg - und darüber hinaus. Noch bis 2018 standen leere Fabrikgebäude an der Voltastraße stellvertretend für einstmals in Hattersheim aktive Industrieunternehmen, die sich angesichts der guten infrastruktururellen Anbindung mit der Taunusbahn hier niedergelassen hatten. Doch Ende des 20. Jahrhunderts wandelte sich Hattersheim von Industrie- zum Dienstleistungsstandort, und ein tiefgreifendes Symptom dieser Veränderung war das Ende der Rhein-Main-Wellpappe 1997, verbunden mit dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze.

Hans Franssen dankte insbesondere den vielen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rhein-Main-Wellpappe, die den Geschichtsverein mit Informationen und historischem Material versorgt haben. In Vorbereitung zur Sonderausstellung hatte der Geschichtsverein bereits im Juli zu einem "Erzähltreff" eingeladen. Die Idee dahinter war, einstige Angestellte zu befragen und diese zu bitten, von ihrem Berufsalltag zu berichten. Aus diesem Treffen ergaben sich viele wichtige Informationen und Klärungen, die nun auch in der Ausstellung ihren Niederschlag fanden.

Bedeutung der Wellpappe als Arbeitgeber

Die Geschichte der Rhein-Main-Wellpappe in Hattersheim endete am 31. März 1998. Seit dem Start im Jahre 1957 war das Unternehmen mit etwa 150 (zeitweise sogar bis zu 200) Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber in der Stadt.

Die Angestellten der Wellpappe schätzten insbesondere die soziale Einstellung ihres damaligen Arbeitgebers. Dies hat der Geschichtsverein aus vielen übereinstimmenden Gesprächen erfahren, so Franssen. Das Arbeitsklima war besonders harmonisch, das Kantinenessen sowie Getränke wurden kostenlos zur Verfügung gestellt, eine Fußballmannschaft wurde gesponsert. Und wenn jemand in eine persönliche Notlage geraten war, hat das Unternehmen gerne geholfen.

Nach dem Verkauf der Holfelder Werke AG kam es 1996 zu den ersten Entlassungen, 43 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde damals gekündigt. 1997 übernahm der niederländische Konzern KNP BT Packaging mit europaweit 27.000 Mitarbeitern die Rhein-Main-Wellpappe, und nur drei Monate später verkündete man die Schließung des Standortes Hattersheim - und das obwohl die Nachfrage nach den dort produzierten Produkten nach wie vor hoch war. 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren somit ihren Arbeitsplatz. Zum Abschied veranstaltete die Belegschaft ein sogenanntes "Titanic-Fest".

Das etwa 40.000 Quadratmeter große Fabrikgelände, das Bürogebäude mit dem markanten Eckbau, die circa 10.000 Quadratmeter große Betonhalle sowie die Nebengebäude blieben im Besitz der Holfelder GmbH & Co. Immobilien KG. Ende des Jahres 2002 wurden dann die bestehenden Betriebsräume stillgelegt.

In den folgenden zehn Jahren wurden immer wieder diverse Nutzungsänderungen genehmigt. So fanden sich auf dem Gelände vorübergehend ein Getränkelager, ein Flugsimulator, Schulungs- und Verwaltungsgebäude. Auch der Geschichtsverein profitierte davon: Zeitweise wurden dort die "Phrix-Lok" und dazugehörige Gleise untergebracht.

Im November 2011 wurde dann die Genehmigung zum Abriss erteilt. Der Rahmenplan Hattersheim-Süd sah noch während der Amtszeit von Hans Franssen ursprünglich vor, dass das Gelände der Wellpappe weiterhin gewerblich genutzt werden sollte. "Weil das war das Wichtige gewesen: Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten", erinnerte sich Franssen. Jedoch: Wohngrundstücke sind leichter zu vermarkten als Industriegebäude, und so einigten sich Stadt und Eigentümer darauf, dass ein Teil der Gesamtanlage in ein Wohngebiet umgewandelt werden sollte. An der Stelle der Fabrikgebäude der Rhein-Main-Wellpappe entstand, nach deren Abriss im Jahre 2018, das erste Rechenzentrum in Hattersheim. Und heute ist nun das sich im Bau befindliche Landwehr-Quartier in aller Munde, so Franssen.

Die Ausstellung ist bis zum 18. Dezember immer donnerstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Am jeweils ersten Sonntag im November und Dezember werden vom Hattersheimer Geschichtsverein um 11 Uhr öffentliche Führungen durch die Sonderausstellung angeboten.

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