Mehr als nur ein Sachschaden Absichtlich in Brand gesetzt – Randalierer zerstören offenen Bücherschrank am Grünen Haus

Verbrannte und zerfetzte Bücher inmitten von Asche: In der Nähe des Grünen Hauses (siehe Hintergrund) zeigte sich am Dienstagvormittag ein Bild der Zerstörung.

Absichtlich in Brand gesetzt – Randalierer zerstören offenen Bücherschrank am Grünen Haus

Eine schöne Vorstellung: Man schlendert an einem sonnigen Tag durch den Stadtpark und erfreut sich an der erwachenden Natur. Die Menschen sind heiter, Kinder tollen herum, gestresst sind lediglich einige Enten, die angesichts allzu sprühender Lebensfreude sicherheitshalber einen Abstand von mindestens zwei Metern halten. Am Weiher vorbei geht es Richtung Grünes Haus. Der dortige Spielplatz ist bis zum späten Nachmittag von jungen Familien bevölkert, denn schließlich sind die Tage endlich länger. Man hat Zeit und hält sich gerne draußen auf – zum Beispiel, um an der frischen Luft ein gutes Buch zu lesen. Ob auf den Bänken oder auf der grünen Wiese, im Stadtpark kann man im besten Wortsinn „versacken“. Für Lesestoff sorgt der offene Bücherschrank, der am Familientreff "Grünes Haus" steht und stets mit abwechslungsreicher Literatur gefüllt ist. Ein Gratisangebot, das allen großen und kleinen Leseratten zugutekommt. Diese Woche wäre mit ihren Sonnentagen für solch ein Vorhaben eigentlich wie geschaffen. Sie ist es jedoch nicht, und das aus zwei Gründen. Zum einen wegen der Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote, die der Corona-Pandemie geschuldet sind – das ist höhere Gewalt. Zum anderen wegen der traurigen Tatsache, dass (mindestens) ein schlichter Charakter sein erhitztes Gemüt an dem genannten Bücherschrank kühlen wollte – das ist dumme Gewalt.

In der Nacht auf Dienstag wurde der Bücherschrank absichtlich in Brand gesetzt. Die gegen 3 Uhr alarmierte Hattersheimer Feuerwehr konnte nur noch das Feuer löschen, Schrank und Inhalt waren nicht mehr zu retten. Zurück blieben zerfetzte und verbrannte Bücher inmitten von Asche. Ein Bild der Zerstörung. Laut Polizei handelt es sich um einen Schaden in Höhe von 2.500 Euro – der eigentliche Schaden indes lässt sich nicht mit Geld aufwiegen.

Rita Becker, Leiterin der im Grünen Haus angebotenen Spielgruppe „Treffpünktchen“, hatte sich bereits vor einigen Jahren, noch unter der Amtszeit von Bürgermeisterin Antje Köster, für einen Bücherschrank im Park eingesetzt. Sie ist angesichts der Zerstörungswut entsetzt. „Der Bücherschrank war in der Hauptsache für Besucher des Parks gedacht, die sich bei einem Buch entspannen wollen“, sagte Rita Becker im Gespräch mit dieser Zeitung. „Aber so ist das Leben. Viele machen sich Gedanken um das Gemeinwesen und einer kleinen Minderheit gefällt es, Allgemeingut zu zerstören. Diese Randalierer wird es leider immer und überall geben.“

Unter Vandalismus, beispielsweise in Form zertrümmter Flaschen, beschädigter Sitzbänke und Vermüllung, hatte das Grüne Haus in der Vergangenheit lange zu leiden (wir berichteten). Zuletzt habe aber die, so Rita Becker, „vorbildliche Jugendarbeit“ der Stadt Früchte getragen, die Folgen nächtlichen Treibens seien deutlich zurückgegangen. Der Bücherschrank sei daher bewusst am Grünen Haus aufgestellt worden, so Becker.

Das Grüne Haus hatte unter seiner Vorsitzenden Sarah Strecker die Pflege des Bücherschranks übernommen. Der ursprünglich anlässlich der Main-Taunus-Caritas-Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ vor zwei Jahren von einem Schreiner gezimmerte Schrank war von Klaus Störch, dem Leiter der Facheinrichtung für Wohnungslose „Haus St. Martin am Autoberg“, dem Grünen Haus und somit allen Parkbesuchern zur Verfügung gestellt worden. Die Umfunktionierung des 1-Quadratmeter-Häuschens in einen offenen Bücherschrank geht auf seine Idee zurück.

Und wie geht es jetzt weiter? Ein neuer Bücherschrank wäre, aufgrund der höheren sozialen Kontrolle, am Markt (jedenfalls nach Beendigung der Corona-Krise) vor Vandalismus eventuell besser geschützt. Allerdings ist dieser Standort aus Sicht von Rita Becker aus einem anderen Grund nicht optimal: „Er sollte gerade im Park stehen, für Ruhesuchende, für Eltern mit Kindern am Spielplatz, für Senioren und alle Leute, die ein ruhiges Plätzchen suchen. Der Marktplatz ist zu stark besucht, außerdem gibt es dort bereits die Stadtbücherei und eine Buchhandlung in der Nähe.“

Und auch die vermeintlich höhere soziale Kontrolle lässt Rita Becker nicht als Argument gelten: „Der Bücherschrank im Schokoladenviertel wurde letztes Jahr auch abgefackelt. Es liegt es also nicht daran, wie stark ein Platz belebt ist. Wer randalieren will, findet immer Gelegenheit dazu. Wenn nicht tagsüber, dann eben nachts."

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