Wichtiges Signal oder Wohlfühlantrag?

Hitzige Debatte zum Thema Geflüchtete Minderjährige bestimmte die Stadtverordnetenversammlung

Zu Beginn der Stadtverordnetenversammlung am vergangenen Donnerstag in der Turnhalle des TV Okriftel informierte der Stadtverordnetenvorsteher Günter Tannenberger über einige Veränderungen in der Zusammensetzung des Parlaments. Zunächst hieß er die neue Stadtverordnete Evelin Wehse (CDU) herzlich willkommen, sie tritt die Nachfolge von Horst Lutter an. Außerdem haben Willi und Adrian Torka die FWG verlassen und sich offiziell der CDU-Fraktion angeschlossen.

Der Stadtverordnete Dimitrios Meretis ist aus der SPD-Fraktion ausgeschieden und hat sein Mandat niedergelegt. Den Vorsitz des Ausschusses für Soziales, Kultur und Sport (SKS) hat Selim Balcioglu (SPD) übernommen.

Die Wählergemeinschaft Pro Hattersheim (WPH) hat sich mit den Freien Wählern zusammengeschlossen. Ralf Depke wurde in die FWG übernommen und hat dort nun direkt den Fraktionsvorsitz inne.

Wichtiges Signal oder Wohlfühlantrag?

Ein besonderes Reizthema an diesem Abend war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Diese baten den Magistrat darum, die grundsätzliche Bereitschaft der Stadt Hattersheim am Main zur Aufnahme von geflüchteten Minderjährigen aus Flüchtlingslagern in Griechenland zu erklären und dafür die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Die Grünen begründeten ihren Antrag mit der katastrophalen und dramatischen Situation für Kinder und Jugendliche ohne Eltern in diesen Lagern. Zudem sei der Main-Taunus-Kreis in seiner Bereitschaft, hier eine sichere Unterkunft anzubieten, durch die Stadt Hattersheim zu unterstützen.

Bereits im Ausschuss SKS eine Woche zuvor wurde dieses Thema heiß diskutiert. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Dietrich Muth bezeichnete im Ausschuss den Antrag als "Wohlfühlantrag, der sehr ans Herz und ans Mitgefühl appeliert". Man könne als Stadt Hattersheim signalisieren, dass man Flüchtlingskinder von den griechischen Inseln aufnehmen will - dies hätte jedoch in der Praxis keinerlei Wirkung. Einzig und allein das Bundesinnenministerium in Berlin entscheidet darüber, ob geflüchtete Minderjährige nach Deutschland kommen oder nicht. "Und wenn sie in Deutschland ankommen, werden sie nach einem bekannten Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer verteilt", so Muth. Das Land Hessen würde daraufhin eine bestimmte Anzahl an Geflüchteten erhalten, die dann wiederum nach einem Schlüssel auf die einzelnen Landkreise verteilt werden. Hierfür prüft der Landkreis, ob und wo geeignete Unterkünfte vorhanden sind. Außerdem seien viele der Geflüchteten teils schwer traumatisiert und benötigen deshalb eine intensive Betreuung. Und auch hier prüfe der Landkreis, in welchen Einrichtungen im Kreis entsprechende Fachkräfte zur Verfügung stehen. Als Stadt habe man keinen Einfluss darauf, wie der Kreis Geflüchtete auf die Kommunen verteilt, stellte der FDP-Fraktionsvorsitzende klar. Letztendlich wurde der Antrag im Ausschuss SKS mehrheitlich abgelehnt, die Koalitionsmitglieder von CDU, FWG und FDP stimmten dagegen.

Zu Beginn der etwa 50-minütigen Debatte im Rahmen der jüngsten Stadtverordnetenversammlung erläuterte Reinhard Odey (Bündnis 90/Die Grünen), warum seiner Fraktion das Verständnis für die Ablehnung ihres Antrags fehlt. Niedrigschwelliger können man einen Antrag kaum formulieren, man habe nur um eine grundsätzliche Positionierung gebeten. Und insbesondere die im Ausschuss SKS gefallene Formulierung "Wohlfühlantrag" verärgerte Odey ungemein. Wenn man in einer Situation, in der es ums Überleben geht, auf einen solchen Antrag und dessen Urheber nur mit "Spott und Häme" reagiere, "dann heißt das in politischen Dimensionen soziale Kälte", so Odey scharf.

Dietrich Muth (FDP) wies besagte soziale Kälte weit von sich und bekräftigte seine Einschätzung, dass es sich hierbei um einen "Wohlfühlantrag" handele. Dieser Antrag gehöre seiner nach Ansicht nicht ins Stadtparlament, weil er nun mal null Auswirkungen habe, unabhängig davon wie man darüber entscheide. Zudem sei er überzeugt davon, dass der Main-Taunus-Kreis der Stadt Hattersheim keine unbegleiteten minderjährigen Ausländer (UMA) zuweisen wird, weil es hier keine passenden Einrichtungen mit entsprechend geschultem Personal gäbe.

Thomas Abicht (SPD) unterstützte den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, für die ablehnende Haltung von CDU, FWG und FDP fehlte ihm jegliches Verständnis: "Wenn wir die Voraussetzungen im Moment nicht haben, um so etwas durchzuführen, dann liegt es an uns Voraussetzungen zu schaffen." Es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen und ein Signal auszusenden, und es sei beschämend, wenn man hierüber in der Stadtverordnetenversammlung keinen Konsens erzielen könne.

Bürgermeister Klaus Schindling gab in seiner Funktion als Kämmerer zu bedenken, dass man die Faktoren Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit nicht vergessen dürfe. Würde man beschließen, Voraussetzungen für die Aufnahme von geflüchteten Minderjährigen zu schaffen, dann müssten entsprechende Herbergen gebaut und mit Fachpersonal ausgestattet werden, um den Anforderungen der notwendigen Betreuung dieser Menschen gerecht werden zu können. Schindling kritisierte, dass diese Facette in der vorherigen Debatte viel zu kurz gekommen sei. Man müsse den Menschen, die hierher kommen, auch helfen können. Außerdem wies er auf die schwierige wirtschaftliche Lage angesichts der Corona-Pandemie hin. Man dürfe nicht nur Signale senden, sondern müsse auch konkret angedachte Maßnahmen und deren Finanzierung benennen können. Man schulde jedem Nächsten ein menschenwürdiges Dasein in einer funktionierenden Stadtgesellschaft. Auch Andreas Endler (CDU) forderte, dass der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen hätte konkreter ausformuliert sein müssen. So sei es nur ein "Schaufensterantrag", denn man verpflichte sich damit zu nichts. Darauf erwiderte der Fraktionsvorsitzende der Grünen Winfried Pohl, dass man über einen konkreteren Antrag sehr gerne reden könne. Schließlich wurde der Antrag mehrheitlich abgeleht, bei Ja-Stimmen von den Grünen und Sozialdemokraten und Nein-Stimmen seitens der regierenden Koalition.

Grüne lassen nicht locker

Mit dem Abstimmungsergebnis in der Stadtverordnetenversammlung ist dieses Thema für Bündnis 90/Die Grünen in Hattersheim noch nicht erledigt. Am Montag hatten sie deshalb zu einem Pressegespräch in den Stadtpark Hattersheim eingeladen, die Öffentlichkeit soll stärker auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden. Nachdem man hierzulande - verständlicherweise - seit Monaten weitgehend mit sich selbst und der Corona-Pandemie beschäftigt war, wolle man das Leid der vielen Flüchtlingskinder zurück ins Bewusstsein der Bevölkerung rufen und sich solidarisch mit dem EU-Partner Griechenland zeigen.

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