Es wird mir Angst

 

Mehr als 10 Jahre habe ich mich in meiner Tätigkeit als Bürgermeister mit dem Ausbau des Frankfurter Flughafens auseinandersetzen müssen. Viel Zeit habe ich investiert, viele Anfeindungen hinnehmen müssen, und uns sind bewusst viele falsche Aussagen gemacht worden. 

Im Nachhinein habe ich mir mehrfach die Frage gestellt, ob unsere Einstellung „was du nicht willst, dass man dir tu, füge auch keinem anderen zu“ richtig war. Trotz großer Bedenken bin ich auch heute noch der Meinung, es war richtig; denn diese zusätzliche Lärmbelastung, die wir durch die neue Landebahn hinnehmen müssen, kann man nicht einem Anderen und zu seiner eigenen Entlastung zuschieben.

Ich erinnere mich an die vollmundigen Aussagen des ehemaligen Ministerpräsidenten Koch im Dialogforum – allein dieser Begriff ist falsch: es gab wenig Dialog, sondern fast nur das Diktat der Wirtschaft und des MP – kein Nachtflugverbot ohne Ausbau. Und jetzt bezeichnet der gleiche Mensch den Ausbau des Flughafens als sein größtes Lebenswerk. Welch ein Schlag in unser Gesicht. Gelten denn die Aussagen von Politikern überhaupt nichts mehr? Vielleicht erhält diese Aussage aber einen anderen Stellenwert, wenn man weiß, dass Kochs heutiges Unternehmen einer der großen Profiteure des Flughafenausbaus ist.
Fest steht, dass mit Inbetriebnahme der Landebahn West die durch den Flugverkehr entstehende Lärmbelastung zugenommen hat. Ich habe mir am vergangenen Freitag selbst ein Bild davon gemacht. Der Lärm, der durch die landenden Flugzeuge entsteht (Landung mit voller Bremsung und dann erneute Beschleunigung mit voller Schubkraft, um zur Brücke zu gelangen), ist bei uns in Okriftel zu hören und zu einer erheblichen Beeinträchtigung unserer Lebensqualität geworden. Wo bleibt die gleichmäßige Verteilung der Lasten? Es gibt einige, die profitieren enorm durch die neue Landebahn, andere überlegen, ob sie die Region verlassen.
In diesem Zusammenhang halte ich auch eine sofortige Schadstoffmessung für unbedingt erforderlich, damit festgestellt wird, was alles auf unsere Köpfe herunter fällt.
Als geradezu unanständig empfinde ich es jetzt, dass von Seiten der hessischen Landesregierung und Fraport Druck auf die Gerichte gemacht wird. Wir kennen die Drohungen mit Hinweis auf verloren gehende Arbeitsplätze. Spielt denn die Würde des Individuums keine Rolle mehr? Ist sie nicht in unserem Grundgesetz verankert? Es wird mir Angst, wenn ich lesen muss, dass selbst in der Rechtssprechung, lt. Aussage von Prof. Steinberg, die Trickserei eingekehrt ist. Muss auch das noch auf unserem Rücken ausgetragen werden?
Wir dürfen nicht aufhören, um unser Recht auf Ruhe zu kämpfen.
Hans Franssen
Bürgermeister i.R.
oder zutreffender: in Unruhe
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