AWO freut sich auf Umzug

„Altes Rathaus“ in Okriftel wird unter Denkmalschutzauflagen renoviert

Am letzten Freitag wehten zwei Flaggen vor dem Okrifteler Rathaus: Die „Okrifteler Eiche“ und der Schriftzug der AWO begrüßten die Besucher zum Tag der Offenen Tür.
(Fotos: A. Kreusch)

OKRIFTEL (ak) – Am Freitag, 12. Februar, wehten zwei Flaggen vor dem ehemaligen Okrifteler Rathaus: Neben der im Ort vertrauten gelb-schwarzen Fahne mit der symbolisierten Eiche grüßte die rot-weiße Fahne der Arbeiterwohlfahrt (AWO) die zahlreichen Besucher, die der Einladung zum Tag der Offenen Tür gefolgt waren, um sich den denkmalgeschützten Bau, der 1931 im Stil der Neuen Sachlichkeit (ohne dekorative Elemente, die Form folgt schlicht der Funktion) fertiggestellt wurde, noch einmal vor seiner Renovierung anzuschauen. Bei seinem Bau hatte das Rathaus, welches extra für diesen Zweck gebaut wurde, 133.000 Reichsmark gekostet, der Unternehmer Philipp Offenheimer, Betreiber der Okrifteler Phrix, hatte sich damals an den Baukosten großzügig beteiligt, um seinen Geschäftspartnern ein repräsentatives Rathaus an seinem Firmensitz zeigen zu können. Die Stadtverwaltung Hattersheim hatte dort zuletzt die Stadtkasse und die Kämmerei untergebracht.

Verkauft wurde das Okrifteler Rathaus von der Stadt nun für etwa 400.000 Euro – und fast noch einmal so viel wird der neue Eigentümer, die AWO Main-Taunus, zur Renovierung hineinstecken, dann wird der prägnante Bau mit dem Treppenhaus im „Turm“ wieder ein Ortsmittelpunkt, der dann einem sozialen, karitativen Zweck dienen wird.

Die Bestandsaufnahme im denkmalgeschützten Objekt fällt für die AWO offensichtlich recht gut aus: Man freut sich auf den Umzug aus der Hattersheimer Schulstraße in die großzügigen, hellen Räume des Rathauses in Okriftel, das wurde bei der Führung von AWO-Geschäftsführerin Sabine Köstler immer wieder deutlich. Bei den „Besichtigungstouren“ am Tag der Offenen Tür führten AWO-Mitarbeiter die Besucher vom Dachgeschoss bis in den Keller durch alle Räume des Hauses, jeder konnte sich anhand der aufgehängten Pläne und der Schilder an den Zimmern ein Bild machen, für was die einzelnen Räume früher genutzt wurden und welche Nutzung in Zukunft geplant ist. Auch wenn der Dachboden mit seiner geringen Höhe, seinen kleinen Fenstern und den einfachen Holzregalen für die Betrachter vielleicht kein „architektonisches Highlight“ darstellt, findet Sabine Köstler sogar daran Gefallen. „Wir hatten bisher kein Archiv, Sie können sich vorstellen, wie wir unsere Akten – alles muss ja heute 10 Jahre aufgehoben werden – im Moment untergebracht haben. Hier haben wir endlich genug Platz für alle Ordner!“, freut sie sich. Dass der Dachboden nicht heizbar ist und die vorhandene Dämmung aus einfachen Spanplatten wieder entfernt werden muss, spielt daher gar keine Rolle. „Der Raum hier unter dem Dach war schon beim Bau als Archiv gedacht, für diesen Zweck ist er auch denkmalgeschützt gut zu gebrauchen“, erklärt sie gerne, „und auch am Schieferdach gibt es nicht viel zu reparieren, nur die Regenrinnen müssen ausgebessert werden.“

Die denkmalgeschützten rotbraun marmorierten Fliesen müssen erhalten bleiben. „Wir haben inzwischen gelernt: Ein bisschen Denkmalschutz gibt es nicht. Alles, was wir hier erneuern, muss so gemacht werden, wie es damals war. Nur die Dinge, die früher mal ersetzt wurden und die jetzt noch so bleiben, haben Bestandsschutz.“

Das Stockwerk tiefer – der erste Stock – war links vom Treppenhaus als Wohnung für den Bürgermeister und seine Familie geplant, es gibt dort Küche, WC, ein ehemaliges Bad und sogar einen Balkon. Die AWO wird dort in Zukunft ihr Geschäftsleitungsbüro, zwei weitere Büroräume, einen Besprechungsraum und einen Gemeinschaftsraum einrichten. Rechts vom Treppenhaus werden ein großes Schwesternzimmer, eine Umkleide und das Büro der Pflegedienstleitung seinen Platz finden. „Das ist wie ein Tanzsaal für uns – in der Schulstraße haben wir höchstens halb so viel Platz für unsere Schwestern!“, begeistert sich Sabine Köstler jetzt schon, „und es ist alles so schön hell hier!“ Obwohl auch die frische grüne Farbe gut gefällt, kann es sein, dass diese weichen muss. „Wenn wir hier neu streichen, dann müssen wir die Farbe nehmen, die beim Bau hier schon an den Wänden war.“

Im Erdgeschoss entdeckten „alte“ Okrifteler noch gut bekannte Dinge: „Und hinter dieser blauen Tür war das Büro des Bürgermeisters“, erinnerten sich einige aus dem Ort stammende Besucher gleich beim Betreten der Räume auf der rechten Seite, von denen der vordere einst als Empfang und der hintere als Amtszimmer genutzt wurde. Der Empfangsraum wird seine ursprüngliche Funktion wieder erhalten, der hintere Raum wird für die Buchhaltung und das Büro der Demenzbetreuung gebraucht werden. Die praktischen Einbauschränke, welche die Zwischentür von einer Seite aus verstecken, werden erhalten bleiben. „Die sind doch toll – hier ist so viel Platz drin!“, ließ Köstler die Besucher auch hinter die Schranktüren schauen. Weiter werden die Räume im Erdgeschoss noch als Wartebereich, als Büro und Kopierraum genutzt werden. Im hinteren linken Bereich wird eine Wand entfernt werden, damit dort ein großer Gruppenraum mit Küchenzeile und gegenüber behindertengerechte Toiletten entstehen können. Dieser Teil des Hauses wird unabhängig vom restlichen Gebäude durch einen wieder zu öffnenden Seiteneingang zu betreten sein, er kann daher nicht nur die Dementengruppe beherbergen, sondern darüber hinaus auch für Seminare, Tagungen oder Vorträge oder sogar – von Bürgern dann anmietbar – für Familienfeiern genutzt werden. Leider hat die Denkmalschutzbehörde keine Auffahrrampe für Rollstühle dorthin erlaubt, aber eine Hebeeinrichtung – wie am ehemaligen Hattersheimer Rathaus – ist gestattet worden.

Im von der Rückseite her ebenerdig zu erreichenden Keller hatte bei der Fertigstellung ein Volksbad mit hölzernen Badewannen in einzelnen, abgetrennten „Abteilen“ seinen Platz. Das Bad wurde nach dem Krieg noch einmal geöffnet, als im Ort viele Flüchtlinge untergebracht werden mussten und es noch keine guten sanitären Verhältnisse für alle Einwohner gab, erst 1968 wurde es endgültig geschlossen. Heute sind die Wände dort zwar noch gefliest, aber es stehen viele Reihen von Stahlregalen für Aktenordner darin. In diesen Räumen möchte die AWO am liebsten eine U3-Kindergruppe einrichten. Allerdings ist noch nicht sicher, ob das unter Berücksichtigung der Denkmalschutzauflagen und der Auflagen für die Kinderbetreuung möglich sein wird. „Wir müssten zum Beispiel wenigstens jedes zweite Fenster vergrößern können“, erklärt Sabine Köstler, „ob die Denkmalschutzbehörde da zustimmt, wissen wir noch nicht, da sind wir noch mit denen am Babbeln. Aber mit dem Garten und den große alten Bäumen hier hinten dran wäre das für Kinder schon schön hier.“ Sollte keine Kindergruppe in die Räume im Untergeschoss einziehen dürfen, dann wird die AWO das ehemalige Volksbad für die stundenweise Betreuung von Demenzkranken nutzen. Für die Abklärung der Möglichkeiten will man sich aber erst mal noch Zeit lassen, zunächst sollen die oberen Geschosse des Rathauses renoviert und ihrer neuen Bestimmung als Sozialstation, Verwaltung und als Büros zugeführt werden – voraussichtlich wird das Ende des Jahres so weit sein. Der Umbau des Untergeschosses ist erst für 2017 geplant.

Auch Hans-Joachim Dietrich, Vorsitzender der AWO Main-Taunus, freut sich schon auf den Tag, an dem es soweit ist, dass die AWO-Mitarbeiter aus den beengten Räumen in der Schulstraße nach Okriftel umziehen können. „Endlich ist es dann soweit, dass wir in Okriftel heimisch werden können“, erklärte er in einer kurzen Ansprache an die Besucher zufrieden, „unsere Arbeitsplätze in der Schulstraße sind sehr beengt. Erst hier werden wir unsere Weiterentwicklung und auch das Angebot von mehr Dienstleistungen realisieren können.“ Das ungewöhnliche Treppenhaus des Rathauses bezeichnet er schmunzelnd und fast liebevoll als „Rapunzelturm“, vielleicht darauf hoffend, dass wie im Märchen alles gut weitergeht mit den Renovierungsarbeiten und dass das alte Rathaus keine kostspieligen „Überraschungen“ für die neuen Eigentümer bereithält.

 

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