Wenn Wilde Weiber Fastnacht feiern

Viel gelacht, gesungen und getanzt bei Wort-Vorträgen, Musik- und Tanznummern

Die „schaurig schönen Sugar-Babies“ aus Eddersheim boten eine sehr sehenswerte Tanzvorstellung bei der WWO-Sitzung am Wochenende.
(Fotos: A. Kreusch)

OKRIFTEL (ak) – Dass die Fastnachts-Veranstaltungen der Wilden Weiber Okriftel (WWO) weit über die Grenzen Hattersheims hinaus bekannt und beliebt sind, hat einen guten Grund: wenn die Wilden Weiber Fastnacht feiern, dann fließen die Lachtränen, dann grassieren Lachkrämpfe und dann tobt der Saal! Das konnten am letzten Wochenende die an Freitag und Samstag jeweils etwa 300 Damen, die fast alle nach dem diesjährigen WWO – „Vampir“-Motto kostümiert waren, wieder einmal live erleben: im fulminanten Programm, das die WWO für ihr Publikum zusammengestellt hatten, jagte ein Höhepunkt den anderen, es wurde so viel gelacht, gesungen und getanzt, dass man die vorgesehene Pause „auslassen“ musste, um wenigstens einigermaßen im Zeitplan zu bleiben.

Schon der Einmarsch der mehr als dreißig „Wilden Weiber“, der von einer kleinen Tanzchoreographie auf der Bühne gekrönt wurde, war ein Ereignis: sie waren in wunderbare, glitzernde, wie immer selbst genähte Vampir-Roben gekleidet und toll geschminkt. Trotz der vielen „Vampirinnen“ bestand allerdings offensichtlich keine „akute Gefahr“ für Künstler oder Gäste, ein dünnes Blutrinnsal im Mundwinkel zeigte an, dass alle Damen offenbar gerade gesättigt, sehr zufrieden und gut gelaunt waren.

Der erste Gast auf der Bühne im Haus der Vereine war Jana Schröder, eine Solo-Gardetanz-Künstlerin des Sindlinger Carneval Vereins, die jüngste Trägerin des Garde-Verdienstordens dort. Mit ihrem zackigen, erstaunlich beweglichen und gut choreographierten Vortrag brachte sie gleich gute Fastnachts-Stimmung in den Saal.

Mit einer Taschenlampe „schlich“ sich danach der Höchster Fastnachter Bernd Bruch als „Sehakjuriti“ im Dunkeln nach vorne. Bei seinem „hallo Mahädels“ brach sofort ein Lachsturm los, der auch bei seinen folgenden Erzählungen davon, warum er sein „Dekoltahe“ beim Singen mit Salbe einreibt, was er hinter einem „Bahusch“ in Okriftel gesehen hat, und davon, wie unterschiedlich Eddersheimer und Okriftler „schahunkeln“ immer wieder aufbrauste. Auch was er als „Sekajuriti“ von Helene Fischer in der Weihnachtszeit so alles „mitmachen“ musste und warum er danach so „fahix und fertisch“ war, konnte man im Saal wunderbar nachvollziehen. Und Bernd Bruch wäre nicht Bernd Bruch, wenn er nicht auch noch mit Tanzeinlagen überrascht hätte – ob als „Bauchtanz-Diva“ oder als „Time Warp“-Tänzerin aus der Rocky Horror Picture-Show, er war einfach perfekt.

Wie seit dreizehn Jahren gewohnt, hat Christa Fassl wieder das „Protokoll“ der WWO geführt. In einem besonders schönen Vampir-Outfit „schwebte“ sie förmlich auf die Bühne, um mit ihrer bekannt spitzen Feder und mit scharfem Blick das Jahresgeschehen 2015 zu kommentieren. Da bekamen der mit „Teilen seiner Antwort“ die Bürger nicht „verunsichernde“ Innenminister, das „Griechenland Comedy Duo Tsipras und Varoufakis“, „Haubitzen-Uschi“ oder „die Zwielicht-Gestalt“ Beckenbauer genauso ihr Fett weg wie etwa Merkel, Seehofer oder Gabriel. Und auch kommunalpolitisch hatte sich die Protokollerin im letzten Jahr über so einiges gewundert – etwa darüber, dass die Männer, die den Hessendamm bauen, offensichtlich Probleme mit dem „Rohre verlegen“ hatten, oder auch darüber, wie schnell die Stadthalle „im Katastrophenfall“ wieder zu öffnen war. Ihr Rat an die Hattersheimer: „Ruft einfach auch die Katastrophe aus! Wir Bürger brauchen ein lebendiges Haus und kein Mausoleum, das ist wichtiger als ein Museum!“

Die Begeisterung über Christa Fassl tollen Vortrag wurde von der Vorsitzenden und Sitzungspräsidentin der WWO mit wehmütigen Worten gedämpft, Mary Gutmann hatte zu verkünden, dass Christa Fassl auf eigenen Wunsch die letzte Kampagne als Protokollerin mitmacht. „Sie wird schmerzlich vermisst werden“, war ihr Kommentar, der durch tosenden Beifall aus dem Saal bestätigt wurde. Christa Fassl bedankte sich sehr dafür, dass alle 13 Jahre lang ihr „Gebabbel“ ertragen haben und versprach, den WWO an anderen Stellen weiter als helfende Hand zur Verfügung zu stehen.

Zum ersten Mal auf einer Okrifteler Bühne zu erleben war bei den Wilden Weibern der aus der Flörsheimer Fastnacht und als Solokünstler sehr bekannte und beliebte Andy Ost. Dass er mit dem ihm eigenen jungenhaften „Schwiegermuttertraum-Charme“ die Damen im Saal im Sturm erobern würde, war von Beginn an klar – dass aber seine musikalisch untermauerten „Berichte“ aus dem Leben eines jungen Vaters manche der Zuschauerinnen so begeisterten, dass von Atemnot begleitete Lachanfälle ausgelöst wurden, brachte den sympathischen Künstler anscheinend aus dem Konzept. Seine Aufforderung, ihn daran zu erinnern, dass er „nachher Eintritt zahlt“ und der Rat an alle, doch als Publikum auf Tournee zu gehen, konnte die Begeisterung darüber irgendwie überhaupt nicht mehr bremsen – der Saal tobte vor Lachen. Für Mary Gutmann gab es da nur einen Schluss daraus zu ziehen: „Andy Ost muss im nächsten Jahr mehr Zeit für Okriftel einplanen!“

Als „Graf Rucola, der vegane Vampir“, der in der Biotonne schläft, kam in diesem Jahr Susanne Egert aus Schierstein zur Fastnacht der WWO. Sie beschrieb sehr zum Vergnügen aller Damen im Saal den „kleinsten Garten der Welt“, den die Männer haben und zeigte Verständnis dafür, dass „Männerhaltung beschwerlich“ ist. Dennoch hat sie einen Rat für alle (Ehe-)Frauen: „Eine gute Frau vergibt ihrem Mann, wenn sie sich geirrt hat.“

Selbstverständlich stand auch in diesem Jahr wieder der Flörsheimer „Hobbes“ (Hans Greb, der Vorsitzende des Flörsheimer Carneval Vereins) in der Bütt der WWO. Diesmal erzählte er in seiner unnachahmlichen Art, mit der er es schafft, dass sein Publikum von Anfang an mit ihm zusammen seine Sätze beenden kann, von seinen und anderen Nachbarn: „Merr derf’s ja gar nit saache derfe – mancher Nachbar dut aach nerve!“ Wie er sich in Rage redet, wenn er die mehr oder weniger großen Ticks seiner Nachbarn schildert, ist auch diesmal wieder sehr hörens- und sehenswert. Der „Hobbes“ wird – so wie er es von daheim gewohnt ist – mit einem dreifachen „Hall die Gail!“ und tosendem Applaus verabschiedet.

Ebenfalls eine Premiere auf der Bühne im Haus der Vereine in Okriftel hatte der Flörsheimer Pfarrer Sascha Jung. Hatte Daniela Heislitz vor seinem Auftreten noch darum gebeten, „ein bisschen lieb“ zu ihm zu sein, denn „ich weiß gar net, ob er so viele Frauen an einem Platz gewöhnt ist!“, überraschte Sascha Jung das weibliche Publikum mit einem wunderbaren, mit Musik gespickten Vortrag über seine Zeit als „Fachmann“ auf einer „römischen Familiensynode“, bei der „die neue Dreifaltigkeit Liebe, Sex und Zärtlichkeit“ das Thema war. Seine beiläufigen, ernsthaft verschmitzt vorgetragenen Erzählungen über „Kirchenspaltung“ und „Zölibats-Verstärker“ lösten ebenso Lachstürme aus wie seine für einen Pfarrer schon sehr besondere Schilderung von einem Seminar bei Benediktinerinnen: „Das sind nicht die Hunde mit dem Fässchen um den Hals“, erklärte er gerne auch den Zuhörerinnen „mit Reformationshintergrund“.

Dass er es fertigbrachte, mehr als 300 Frauen „ganz ökologisch“ in einem Fastnachtssaal „Kyrie Eleison“ singen zu lassen, dürfte wohl so manch einem seiner Kollegen ziemliche Bewunderung abringen – und natürlich ist für Sascha Jung ganz klar: „Die Fassenacht muss sauber bleiben – aber nicht mit mir!“ Dass Sascha Jung zum Abschluss auch noch Sitzungspräsidentin Daniela Heislitz zu einem spontanen Tänzchen in den Arm nahm, war das „Tüpfelchen auf dem i“ seines Vortrages.

Nicht nur die „Wort-Vorträge“, auch die Musik- und Tanznummern bei der WWO-Sitzung waren wunderbar anzuhören und anzusehen. Im Ersten Teil des Programms brachten die drei „GresGirls“ aus Kriftel mit buntem Wort-Klamauk und plakativ gestalteter „Choreographie“ zum „Wellness-Urlaub“ Frauen mittleren Alters das Zwerchfell zum Beben. Die Damen der beiden Erwachsenen-Tanzgruppen des Gesangvereins Liederkranz-Eintracht Eddersheim, die „Candy-Girls“ und die „Sugar-Babies“ faszinierten mit bewundernswert perfekter Fitness, tollen Kostümen und einer sehenswerten Performance. Während die „Candy-Girls“ das Publikum mit viel Tanz-Power zu „Pocahontas“ ans Lagerfeuer mitnahmen, hatten sich die „Sugar-Babies“ – wunderbar zum Motto der WWO passend – in schaurig-schöne junge Vampir-Ladies verwandelt, die in blauem Licht über die Bühne schwebten.

Auch der Turnverein Okriftel hatte tanzende weibliche Botschafter zu den Wilden Weibern entsandt: die zehn Mädels der Gruppe „Diamonds“traten als entzückende, flotte, frische, glitzernde und Glück bringende tanzende Schornsteinfeger auf, die mühelos die Beine in die Höhe schwangen. Die „Horny Hornetts“ aus Biebelnheim zeigten mit ihrem Auftritt, warum sie die amtierenden Rheinland-Pfalz- und Deutsche Meister im Männerballett sind: immer mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht und zum Flirten mit dem Publikum bereit, zeigten sie eine rasante, kraftvolle und choreographisch perfekte „große Show“ mit „Gefangenen“ und „Polizisten“ vor dem Hintergrund des „Police-Department Biebelnheim“.

Auch die „Pink Tigers“, die einzige schwule Gardetanz-Gruppe im Rhein-Main-Gebiet, brachte beste Stimmung in den Saal – bei ihren Tänzen zu „Moscow Moscow“ und zu Samba-Rhythmen hielt es viele Damen im Publikum nicht mehr auf ihren Stühlen. Die „Zigeunergruppe Hofheim“ brachte mit goldglänzenden Roben und vielen Hymnen aus bekannten Filmen Glanz auf die Bühne. Das Männerballett „Dancing Desaster“ vom Turnverein Okriftel schloss die tolle Fastnachtsshow der WWO ab – mit ihrem kraftvollen Tanzvortrag brauchten sie sich gar nicht auf ihren „Heimvorteil“ zu berufen, sie begeisterten ganz sicher auch die Zuschauerinnen, die nicht aus Okriftel stammten.

 

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