Morgens zu Fuß zum Frühstück ins Feuerwehrhaus

Die Bischofsheimer Jugendfeuerwehr war Ende Juli auf Gegenbesuch in England

Die Englandreisenden der Jugendfeuerwehr in ihrer voller Montur und mit dem imaginären Kumpel aus Crewe mittendrin. Eine heimische Uniform brachte der Bischofsheimer Nachwuchs den Engländern nun als Geschenk mit.?(gus/Foto: Steinacker)

 

BISCHOFSHEIM (gus) – Auf politischer Ebene wird viel diskutiert über die fundamentalen kulturellen Unterschiede zwischen den Briten und dem Rest Europas. Die aus Sicht der Festlandeuropäer teilweise skurrilen Einstellungen und Verhaltensweisen der Insulaner sind Gegenstand mancher Ulkereien. Die bekommen aber auch einen durchaus ernstzunehmenden Hintergrund, wenn in Großbritannien, wie derzeit, die politischen Kräfte Zuwachs gewinnen, die einen Austritt des Staates aus der Europäischen Union betreiben.

 

Eines steht aber fest: Brände müssen diesseits wie jenseits des Kanals immer wieder einmal gelöscht werden, und die Feuerwehrleute sehen sich unabhängig von Sprachen und Pässen als Kollegen, die sich stets für die Arbeitsbedingungen der Brandbekämpfer in anderen Ländern interessieren.
Ende Juli starteten zwölf Kinder der Bischofsheimer Jugendfeuerwehr, begleitet von sieben Erwachsenen, darunter die Feuerwehrspitze um Gemeindebrandinspektor Peter Eckert und Stellvertreter Gerald Willberg, zum Gegenbesuch beim „Cheshire Fire and Rescue Service“, dem Gegenpart zur hiesigen Freiwilligen Feuerwehr in der englischen Partnerstadt Bischofsheims, Crewe & Nantwich.
Aus Crewe war vor zwei Jahren eine größere Abordnung „Fire Cadets“ und erwachsener Begleiter nach Bischofsheim gekommen, um die deutsche Organisation des öffentlichen Brandschutzes näher kennenzulernen – sowie deren Aktive und speziell den Bischofsheimer Feuerwehrnachwuchs. Die deutlichen Unterschiede in der Struktur und Finanzierung des Feuerwehrwesens kennt besonders Dietmar Zaia gut, der nicht nur Feuerwehrmann, sondern auch in der Gemeindeverwaltung für die Städtepartnerschaften Bischofsheims zuständig ist.
So staunen Briten regelmäßig über die in ihren Augen sehr große Fahrzeugflotte deutscher Freiwilliger Feuerwehren. Gemessen an der Einwohnerzahl pro Fahrzeug, steht die Brandbekämpfung in britischen Städten auf deutlich dünneren Füßen, der Kampf gegen Mittelkürzungen ist auf der Insel noch deutlich stärker Thema bei den Brandschützern als in den deutschen Kommunen.
Das hängt auch damit zusammen, dass das System von komplett auf unentgeltlicher, freiwilliger Basis beruhenden Feuerwehren in den kleinen Gemeinden, in England so nicht bekannt ist. Zwar nutzen auch die Wehren auf der Insel Kräfte, die beruflich etwas völlig anderes machen und sich nur in der Freizeit für Brandeinsätze zur Verfügung stellen. „Da sind aber in der Regel ungelernte Kräfte, die in der Nähe der Feuerwehrstationen wohnen“, schildert Zaia die Struktur in Crewe, der Basisstation für die Bischofsheimer Nachwuchsbrandbekämpfer bei ihrem Besuch.
Wie es kürzlich auch die Sprachkurs-Reisenden aus Bischofsheim in der Partnerstadt feststellten, erwiesen sich die Briten einmal mehr als Meister der Gastfreundschaft und Organisation. Im Feuerwehrhaus stand für die Gäste jeden Morgen ein reichhaltiges Frühstück bereit, das auch auf nichtinsulane Gewohnheiten Rücksicht nahm. Auch beim Besuchsprogramm und einer gemeinsamen Übung legten die Verantwortlichen des „Cheshire Fire and Rescue Service“ sich ordentlich ins Zeug und stellten den Gästen aus Deutschland einen Bus für den Transport zur Verfügung. Zaia war mit Cornelia Engert in einem Kleinbus vorausgefahren, der die Ausrüstung der Bischofsheimer Jugendlichen nach Crewe brachte, sodass die Teilnehmer nicht ständig mit Großgepäck unterwegs sein mussten.
Übernachtet wurde in einer einfachen Herberge mit Dreibettzimmern in fußläufiger Nähe zum Feuerwehrhaus. Das Geschenk, das die Bischofsheimer Nachwuchsfeuerwehrleute den britischen Kollegen mitbrachten, lag nahe, denn bei ihrem Besuch 2012 hatten die Engländer eine komplette Originaluniform aus Crewe, samt Schutzhelm mitgebracht, die nun im Feuerwehrhaus auf einer Puppe aufgezogen die Kleidungssitten der britischen Brandbekämpfer plastisch darstellt.
Bezahlen mussten die Kinder im Alter von elf bis knapp 16 Jahren nur 50 Euro als Eigenbeteiligung für die vier Tage. Gekostet hat der Aufenthalt zwar pro Person rund 500 Euro, schätzt Zaia. Aber die Mitfahrt sollte keine Frage der finanziellen Möglichkeiten der Eltern der Nachwuchsbrandbekämpfer sein. Und so sorgte neben dem Feuerwehrverein gleich eine ganze Reihe Sponsoren dafür, dass der allergrößte Teil der Kosten übernommen werden konnte.
Für viele Mitfahrer von der Bischofsheimer Jugendfeuerwehr war es die erste Reise nach Großbritannien und die erste Flugreise ihres Lebens, auch dies spielte natürlich eine Rolle beim Abenteuerwert der Fahrt. Und obgleich der Feuerwehrnachwuchs in England im Schnitt doch einige Jahre älter ist als in Deutschland und zum Teil beim angedachten, nächsten Gegenbesuch in zwei Jahren aus dem Fire Cadet-Alter herausgewachsen sein wird, nutzten die Jugendlichen die heutigen Möglichkeiten der weltweiten Kommunikation, um den Kontakt nach der Rückkehr aufrechtzuerhalten.
Via Facebook und Co. wird zu einigen Bekanntschaften bisher jedenfalls der Kontakt gepflegt und sich fleißig gegenseitig geschrieben. Das ist im Zweifelsfall die leichtere Variante des Austausches als das direkte Gespräch. „Es gehört zu den Erfahrungen, dass dort doch ein anderes Englisch gesprochen wird, als man es bei uns in der Schule lernt“, sagt Zaia. Aber natürlich gab es keine größeren Schwierigkeiten sich über die alltägliche, aber auch die fachlichen Dinge auszutauschen. Denn auch, wenn in Großbritannien manches anders organisiert ist im Feuerwehrwesen, eines ist und bleibt dies- und jenseits des Ärmelkanals vorerst stets gleich: Wenn es brennt, wird der Schlauch ausgerollt, und dann voll draufgehalten.

 

 

 

 

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