Ein weiter Weg bis zum Erhalt des Überwegs

IG Steg diskutierte bei Vorort-Terminen mit SPD- und CDU-Politikern Lösungswege

BISCHOFSHEIM (gus) – Die Zeit, sie droht den „Böcklersiedlern“ davonzulaufen. Eineinhalb Jahre sind es noch bis zum angekündigten Nutzungsverbot für den Eisernen Steg, der seit gut 100 Jahren auf Höhe des Wasserturms über die Bahngleise führt und nun augenscheinlich bedenklich altersschwach geworden ist.

 

Dass sich bis Ende 2013 das Wunschszenario der Siedler, sprich die Errichtung eines Ersatzbaus an selber Stelle, verwirklichen lässt, daran kann inzwischen nicht einmal mehr der Optimistischste unter den Aktiven der Bürgerinitiative „Interessengemeinschaft Steg“ aus der Böcklersiedlung ernsthaft glauben. Fieberhaft arbeitet die IG vielmehr an der Erarbeitung einer Kostenaufstellung für die grundlegende Sanierung des Steges, dessen Abriss die Gemeindevertreter doch schon beschlossen haben – die sich nun aber nicht mehr ganz so sicher sind wie damals im Winter, dass dies die unausweichliche Konsequenz aus dem Zustand des Steges einerseits und der Finanzlage der Gemeinde andererseits sein muss.
Kostenaufstellung – da war doch was? Ja, da war was. Und zwar im jenem Gutachten, das die Gemeindevertreter dazu führte, den Abriss quer durch alle Farben letztlich als die einzige richtige Lösung zu betrachten. Von 750.000 Euro Abrisskosten und 3,5 Millionen Euro für einen Ersatzbau ist in der von einem Bahnexperten erstellten Analyse die Rede – etwas arg grob geschätzt, und das in Richtung Übertreibung, hält IG-Sprecher Bernd Laun seit langem dagegen und sammelt mit seinen Mitstreitern aus der Böcklersiedlung und aus dem Rest der Gemeinde derzeit belastbare Zahlen für seine Behauptung. Von einem bekannten Kranunternehmen weiß er inzwischen, was dieses für das An- und Abheben des Übergangs verlangen würde. Nächste Woche, hofft Laun, wird er auch erfahren, was ein Fachunternehmen für den kompletten Abriss des Steges berechnen würde. Gewerk für Gewerk will die IG sich so vorarbeiten und den Politikern bald vorrechnen, dass die Sanierung oder auch ein Neubau längst nicht in der Preisklasse läge, die das Bahngutachten behauptet.
Auch in der SPD mehren sich die Zweifel an den offiziellen Zahlen, die Faktion brachte einen Antrag in die Gemeindevertretung ein, der ein neues, genaueres Gutachten über die Kosten rund um Stegerneuerung oder -abriss ermitteln soll. „Was brauchen wir ein zweites Gutachten? Die Schäden sind bekannt und dass der Steg zu reparieren wäre – und die Kosten kann man doch selbst abfragen“, sieht Laun darin vor allem Zeitverschwendung. Denn die Gremien tagen erst wieder ab Ende August, und dann ginge die Beratung des Antrages ja erst einmal in die erste Runde...
Wer von den Ortspolitikern, die den Abriss beschlossen, steht inzwischen auf ihrer Seite und welche Ideen bringen sie in das Unternehmen Stegrettung ein, wollte die IG wissen und traf sich Anfang vergangener Woche, unterstützt von Heimat- und Geschichtsvereinsvorsitzenden Volker Schütz, nacheinander mit SPD- und CDU-Vertretern. Der Erkenntniszugewinn blieb erwartungsgemäß bescheiden, kleine Mosaiksteinchen auf dem Weg zur Rettung des Überwegs kamen aber durchaus zusammen.
Am Montag vergangener Woche ließ sich die IG zunächst von Landrat Thomas Will, Bürgermeisterin Ulrike Steinbach und dem Bundestagsabgeordneten Gerold Reichenbach die sozialdemokratische Variante der Problemdiskussion präsentieren. Der SPD könnte das von Laun skeptisch gesehene neuerliche Gutachten mit vermutlich korrigierten Kostenangaben immerhin eine korrigierte Argumentation erlauben, ganz ohne Gesichtsverlust.
Dass die neue Untersuchung bisher nicht auf den Weg gebracht wurde, erfuhr Laun, liegt daran, dass die Gemeinde ihren Haushalt erst im Mai verabschiedete und vor allen weiteren Entscheidungen auf dessen Genehmigung durch den Kreis warten muss. „Wenn die Haushaltsgenehmigung dann endlich kommt und bis dann die Ausschreibungen heraus sind, sind zehn Monate vergangen, ohne dass etwas passiert ist“, findet Laun das nicht logisch. „Rechnen kostet doch nichts, und auch die Kostenvoranschläge der Firmen sind in der Regel ohne Bezahlung.“
Ob der Bischofsheimer Etat nach dem Bescheid aus Groß-Gerau noch Geld für ein Zweitgutachten zu einer nicht gesetzlich vorgeschriebenen Ausgabe enthalten darf, ist freilich zumindest fraglich. Landrat Will, Chef der Kommunalaufsicht, die den Bescheid auszuarbeiten hat, konnte der BI natürlich nichts vorweg zu den Inhalten sagen, schon gar nichts zusagen. Ein klares Votum zum Erhalt des Steges erhielt die BI von SPD-Seite vor allem wegen der ungeklärten finanziellen Aspekte also nicht. Gleichwohl betonten SPD- wie CDU-Vertreter gegenüber der IG, dass sie es grundsätzlich begrüßen würden, ließe sich doch noch ein Weg zum Erhalt des Steges finden.
Gefallen hat Laun das Treffen mit Franz Josef Jung, der die CDU-Delegation anführte, in Begleitung von der Ortverbandschefin und Landtagsabgeordneten Sabine Bächle-Scholz sowie Fraktionschef Helmut Schmid. „Der Dr. Jung hat großes Interesse an der Sache gezeigt, das war ein guter Auftritt von ihm“, sagt Laun. Selbst zum Folgetreffen ins Heimatmuseum kam Jung noch mit. Leider hatte auch er den Stein des Weisen nicht in der Hosentasche dabei, aus dem herauszulesen gewesen wäre, wie eine verarmte Gemeinde in einen Fußweg investieren könnte – sprich, wo die Fördermittel herkommen. Das Rathaus verkündet, alle denkbaren Fördermöglichkeiten bei EU, Bund und Land abgecheckt zu haben, ohne Ergebnis. Auch Bächle-Scholz konnte trotz einiger laufender Anfragen in dieser Richtung der IG gegenüber nichts Konkretes verlautbaren – sie wartet noch auf Antworten. Das muss Laun so hinnehmen. „Allerdings wissen wir ja gar nicht, was da konkret abgefragt wurde.“
In zwei Punkten waren sich Politiker und Interessengemeinschaft einig: Zum einen, dass über die Installation von Fangnetzen unterhalb des Steges die Gefahr eines gefährliche Steinschlags auf vorbeifahrende Züge provisorisch abzuwenden wäre – das könnte noch einmal wichtig werden, wenn es im kommenden Jahr darum geht, Argumente für eine Verlängerung der Frist zur Sperrung des Überwegs aufzuzeigen. Und dies wäre finanziell keine große Herausforderung. Ob dies sicherheitstechnisch funktioniert – immerhin verringert sich dadurch der Sicherheitsabstand zu den Oberleitungen und eventuell herabbröckelnder Beton müsste in den Maschen sicher aufgefangen werden – ist noch nicht endgültig geklärt. Zum anderen scheint klar, dass die maroden Betonplatten definitiv heraus müssen und der Boden des Übergangs durch Metallplatten oder Kunststoffpaneele zu ersetzen wären.
Eine „Einheitsfront“ bilden Ortspolitiker und IG gegenüber der Bahn. Nicht nur, weil die durch ihr Gutachten dem Steg den Garaus zu machen droht. Wie schon immer seit der Teilprivatisierung und Aufsplitterung in unzählige Tochterunternehmen tut sich die Deutsche Bahn äußerst schwer damit, der Gemeinde oder der BI einen verlässlichen Ansprechpartner für das Thema Steg zu nennen.
„Wie kann es ein, dass die Brücke im Besitz der Gemeinde ist und der Zuweg weiter der Bahn gehört?“, habe Jung bei seinem Besuch an den Gleisen gefragt, berichtet Laun. „Die Treppen und Geländer müssen ja auch gemacht werden, und ein erneuerter Steg sollte auch behindertengerecht errichtet werden“, empfindet es auch Laun als Problem, dass die Planungen einer Stegsanierung wegen der Wegerechte der Bahn furchtbar kompliziert werden dürften. Einig sind alle sich, dass die Bahn die Kosten, die ihr durch die vorübergehende Stilllegung oder Umlegung des Bahnbetriebs während er Stegreparatur entstehen würden, der Gemeinde auf keinen Fall in Rechnung stellen darf – eine Art Solidaritätsabgabe, die angesichts der Nachlässigkeiten bei der Instandhaltung des Stegs in den letzten Jahren der Bahnzugehörigkeit des Bauwerks angebracht wäre.
Kalkulator Laun rechnet derzeit nicht nur Bau- und Sanierungskosten aus, sondern der Bahn auch etwas vor. Die nutzt derzeit den Steg fleißig als Zuweg ihrer Lokführer zu den Zügen, die in Richtung Norden losfahren. Rund 200 Lokführerwechsel alleine von DB-Zugkapitänen gibt es im Bischofsheim täglich, weiß Laun. In Bahnkreisen werde mit zehn Minuten längeren Laufwegen und damit Arbeitszeit pro Lokführer gerechnet, wenn diese zu Zügen müssten, die sie über den Steg nicht mehr erreichen könnten. Davon sollen etwa 80 Lokführer am Tag betroffen sein. Bei einem Stundensatz von nur 30 Euro kommt er grob geschätzt auf knapp 1,5 Millionen Euro, die der Wegfall des Steges der Bahn in zehn Jahren kosten würde. Das wäre schon ein stattlicher Teil der Neubaukosten für den Steg.
Offenbar wird bei der Bahn darüber nachgedacht, einen ampelgesicherten Gleisüberweg mit Schwellern zwischen den Gleisen zu bauen, der etwa auf Höhe der Kita Parkweg entstehen soll. So könnte die Bahn das Zeitproblem nach dem Abriss des Stegs lösen. Alle diese Frage würde die IG mit der Bahn gerne näher erläutern, stößt aber auf keine Bereitschaft seitens der DB.
Den Bundestagsabgeordneten gab die IG den Auftrag mit auf den Weg, alle möglichen Fördertöpfe zu ermitteln. Das soll Klarheit schaffen, ob es ein unüberwindbares Finanzierungsproblem für die Rettung oder Neuerrichtung des Steges gibt oder nicht. Denn so naiv ist die IG nicht, als dass ihr nicht bewusst wäre, dass aus der Gemeindekasse nicht viel zu erwarten ist. Aber noch herrscht die Hoffnung vor.
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