Schilder-Irrtum endet nach wenigen Wochen

Rathaus bricht Probebetrieb einer verkehrsberuhigten Spielstraße ab

BISCHOFSHEIM (gus) – Wer in den vergangenen Wochen den nördlichen Bereich der Schulstraße entlang ging, bemerkte – allerdings nur mit etwas Aufmerksamkeit – eine Neuerung: Die nach der Darmstädter Straße wohl prominenteste Gasse der Gemeinde war plötzlich verkehrsberuhigte Zone.

Man nehme Kunststoffständer und Metallrohre, ein paar blaue Schilder mit der amtlichen Bezeichnung 325.1 (Beginn eines verkehrsberuhigten Bereichs) und 325.2 (Ende eines verkehrsberuhigten Bereichs) und schon wird aus einer normalen Durchfahrtstraße probehalber eine Zone, in der Fußgänger Vorrang vor dem motorisierten Verkehr haben. Jetzt aber stoppte Bürgermeisterin Ulrike Steinbach (SPD) den Versuch, die Schilder verschwanden sang- und klanglos wieder von der Straße. Für das Ausweisen der Straße als verkehrsberuhigter Bereich, wurde erstaunlicherweise erst geklärt, als das Experiment schon lief, fehlte unter anderem die rechtliche Grundlage.

Zurück geht der Probebetrieb in der Schulstraße auf einen Beschluss der Gemeindevertretung vom Dezember 2010. Die GALB brachte mit ihrem Vorschlag, die Schulstraße zwischen Bahnhofstraße und Rheinstraße probeweise zu solch einem verkehrsberuhigten Bereich umzuschildern, alle Fraktionen hinter sich.

Anfang Juli begann das Experiment, das ausschließlich aus dem Aufstellen der Schilder 325 in der Variante .1 und .2 bestand. Doch eine Probe hat nur Sinn, wenn auch eine Umwandlung in einen Regelbetrieb folgen kann. Und das ist unter den derzeit gegebenen Bedingungen in der Schulstraße ausgeschlossen, stellte sich nun bei einer Besprechung heraus.

An dem Treffen nahmen laut Mitteilung des Gemeindevorstandes neben der Bürgermeisterin der Vorsitzende der Kreisverkehrswacht Groß-Gerau, Bernhard König, der Dienststellenleiter der Polizeistation Bischofsheim, Gerhard Brand, sowie Ernst Rein, Fachdienstleiter für Verkehrsangelegenheiten der Gemeinde, teil. Sie sahen durch die Aufstellung der Schilder sogar zusätzliche Gefahren für die Verkehrsteilnehmer. Dies und die Zweifel an der verkehrsrechtlichen Machbarkeit eines verkehrsberuhigten Bereich in dieser Zone bewogen Steinbach anschließend, die Schilder sofort wieder einsammeln zu lassen.

Klassischerweise wird eine „Spielstraße“ , wie solche Bereiche auch genannt werden, durch ein gleiches Niveau von Gehwegen und Fahrbahnen gekennzeichnet. Das ist in dem Bereich gegeben.

„Allerdings wird durch unterschiedliche Oberflächen für den Autofahrer der Eindruck erweckt, eine Fahrbahn und Gehwege vorzufinden“, beschreibt die Verwaltung das Problem. Die Aufhebung der in normalen Straßen getrennten Bereiche müsste also durch bauliche Eingriffe erst einmal hergestellt werden.

Nur, wenn Autofahrer wie Fußgänger schon durch die optische Gestaltung des Bereichs nicht mehr auf die Idee kommen, dass es getrennte Bereiche gibt, ist auch der Effekt, der mit der Einführung solcher Zonen erzielt werden soll, nämlich die gegenseitige Rücksichtnahme auf den anderen, zu erwarten.

Logische Konsequenz ist in einer verkehrsberuhigten Straße aber auch, dass es keine festen Parkbereiche für Autos mehr gibt, außer dass natürlich weiterhin nicht verkehrsbehindernd und vor Ausfahrten geparkt werden darf, sehr wohl aber etwa auf den Steifen, die bisher der Gehweg waren.

Autos diese neue Parkfreiheit zu verschaffen, war mit dem Experiment aber nicht beabsichtigt. „Auch in dem normalerweise entgegen der Fahrtrichtung verbotenen Parken und Halten, das nunmehr zulässig ist, weil es in einem verkehrsberuhigten Verkehrsbereich keine Fahrbahn gibt, werden weitere Gefahren gesehen“, betont der Gemeindevorstand.

Schon eher war beabsichtigt, dass sich die Fußgänger nun überall im Straßenbereich aufhalten dürfen. Aber das könnte, wenn die Autofahrer dieses Experiment oder eine spätere feste Umsetzung der neuen Verhältnisse nicht registrieren oder akzeptieren, sogar zusätzliche Gefahren für die Fußgänger bedeuten.

Unklare Situationen fürchtete die Expertenrunde auch durch den Umstand, dass es an den Kreuzungen in jenem Bereich einen Unterschied zwischen der Vorfahrtsregelungen bei verkehrsberuhigten Straßen und der Tempo-30-Zone gibt, die in der Schulstraße gilt.

Während bei Tempo-30-Zonen keine anderen Vorfahrtsregeln gelten als bei anderen Straßen – sprich: rechts vor links – sind verkehrsberuhigte Straßen nachrangig. Wer einen solchen Bereich verlässt, muss dem querenden Verehr Vorrang lassen. Dies dokumentiert sich häufig so, dass verkehrsberuhigte Straße über einen Bordstein von den querenden normalen Straßen abgehoben sind. Solche Bordsteine gibt es an den betroffenen Kreuzungen natürlich nicht.

Weil die Schulstraße auch von Schülern benutzt wird, die sich ganz korrekt nach dem Schulwegplan auf den Abschnitten bewegen, sind Unklarheiten wie die beschriebenen gerade in solchen Straßen äußerst unglücklich. „Ihr bisher geschützter Bereich ist auf einem Teil ihres Weges (verkehrsberuhigter Bereich) nicht mehr und in anderen Teilen (Tempo 30-Zone) vorhanden“, heißt es aus dem Rathaus.

Steinbach betont, dass schon eine Verkehrsschau im vergangenen Jahr das Thema Verkehrsberuhigung in der Schulstraße ansprach und dabei dieselben Bedenken äußerte, die jetzt zum Abbruch des Versuchs führten. Die Bürgermeisterin dürfe, lautete der Tenor der Besprechung nun, „bei den derzeitigen baulichen Gegebenheiten“ die Ausweisung eines verkehrsberuhigten Bereichs nicht anordnen. Auch rein fachlich-sachlich war der Probebetrieb übrigens offenbar eine Enttäuschung. Verkehrsbeobachtungen hätten ergeben, „dass ein geschwindigkeitsminimiertes Fahrverhalten von Kraftfahrzeugen nicht festzustellen war“. Dieser Informationsgewinn hat sich in den vier Wochen also immerhin eingestellt. Besonders überraschend ist diese Ergebnis allerdings nicht gerade.

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