„Einer für alle, alle für einen“

90 Jahre im Dienst: Wickers Freiwillige Feuerwehr feiert Jubiläum / Beitrag zum sozialen Leben

Festzug zum 90-jährigen Bestehen: Über 100 Wehrleute und zahlreiche Abordnungen der Wickerer Vereine beteiligten sich.?(Fotos: R. Dörhöfer)

 

WICKER (drh) – Als am Samstagnachmittag um 16.30 Uhr Sirenalarm ertönte war es nicht das Zeichen für einen Feuerwehreinsatz, nein, es war das Startsignal für den Festumzug anlässlich des 90-jährigen Bestehens der Freiwilligen Feuerwehr Wicker. Über 100 Feuerwehrkameraden aus dem Stadtgebiet, zudem eine kleine Abordnung aus Weyer, zahlreiche Jugendfeuerwehrmitglieder und Minilöscher sowie Vertreter der Wickerer Vereine hatten sich am Tor zum Rheingau eingefunden, um nach einem kleinen Umtrunk gemeinsam zur Goldbornhalle zu ziehen.

 

Die Minilöscher zogen voran und am Ende der Feuerwehreinheit fuhren die ältesten Wehrangehörigen, gezogen vom Feuerwehrquad, mit. Den richtigen Takt zum Marschieren in Dreierreihen gab die Mainzer Show- und Brassband „Rheingold“ an. Die Landfrauen, der Turnverein, die Gesangsvereine Harmonie und Sängerlust, der Winzerverein mit den Weinmajestäten, der Historische Verein, der Club Fidelio sowie die Schützen stärkten den Wehrleuten quasi den Rücken und drückten mit ihrer Teilnahme am Festzug ihre Wertschätzung für die Arbeit der Freiwilligen Feuerwehr aus.
In der Goldbornhalle angekommen, spielte die Mainzer Showband noch ein paar Stücke, bevor Wehrführer Markus Kaschel und Vereinsvorsitzender Tobias Heimbuch gemeinsam durch den offiziellen Teil des Festkommerses führten. „Ein Feuerwehrmitglied ist niemals allein. Einer für alle, alle für einen“, meinten die beiden Wehrverantwortlichen, die stolz auf ihre Kameradinnen und Kameraden, die sich vor der Festbühne aufgereiht hatten, blickten. „Wer ein Feuerwehrmitglied heiratet, der bekommt einen ganzen Verein dazu und umgekehrt bekommt auch die Feuerwehr eine ganze Familie“, erklärten Kaschel und Heimbuch. Die Familien von Wehrmitgliedern müssten stets großes Verständnis für die Feuerwehrarbeit aufbringen und letzlich seien es die nahen Angehörigen, die sich bei Einsätzen auch immer wieder um das Wohl der Lieben sorgten. Dem Rückblick auf das Vereinsgeschehen schickte das Führungsduo voraus, dass sich das Bewusstsein für die Feuerwehrarbeit gewandelt habe. Für viele Zugezogene sei die Feuerwehrarbeit mittlerweile längst eine Selbstverständlichkeit und man habe wenig Einsicht für die Sorgen und Anliegen der Wehr.

Wehr im Wandel
Am 27. September 1925 gründete Ludwig Wolf, der 1897 bereits in die Wickerer Pflichtfeuerwehr eingetreten war, die Freiwillige Feuerwehr mit 43 Kameraden. Eine Pferdewagenspritze, die mit 16 Mann bedient werden musste, gehörte, wie auch einige Zink- und Ledereimer, zur Erstausstattung der Wehr. Erst 1938 gab es Wasserleitungen in Wicker, bis dahin war der Wasserbedarf durch die Bauern und ihre Jauchewässer sicherzustellen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Wehr der Polizei unterstellt und hatte militärische Übungen zu leisten. Die Kriegsereignisse riefen die Kameraden zu vielen Großeinsätzen der Umgebung.
1945 begann für die Wickerer Wehr eine neue Epoche, 1951 blickte man stolz auf ein neues Feuerwehrhaus, dessen Schlauchturm auch als Schildbürgerstreich in die Geschichte einging, wurde beim Bau doch die Treppe zum Obergeschoss vergessen. 1959 wurde ein erstes Feuerwehrauto, ein von der Eschborner Wehr ausrangierter Mercedez Benz, beschafft. 1965 zählte die Wehr stolze 166 Mitglieder. Anfang der 70er Jahre wurde es Zeit für ein neues Fahrzeug, und so erhielten die Wehrleute einen „LF8 Opel Blitz“. Die Ausbildung zum Feuerwehrmann dauerte in dieser Zeit gerade mal drei Tage, heute hingegen müssen die Wehrangehörigen zwei Jahre lang regelmäßig Seminare und Kurse besuchen, bis sie den Titel Feuerwehrmann/-frau tragen können. 1978 wurde das Feuerwehrhaus am heutigen Standort eingeweiht. Was damals modern und funktionell erschien, bringt die Wehrleute heute an ihre räumlichen Grenzen.
1983 gründete Karl Martini die Jugendfeuwehr und legte damit den wohl wichtigsten Grundstein für die Nachwuchsarbeit der Wehr. Würde man von den heute 37 aktiven Wehrleuten all jene aussortieren, die den Weg über die Jugendfeuerwehr zum Einsatzdienst gefunden haben, so blieben gerademal fünf Kameraden übrig. Schon in der Jugendfeuerwehrarbeit und auch in der Kinderfeuerwehr würden die Grundlagen für die Feuerwehrkameradschaft gelegt. „Feuerwehrarbeit leistet einen erheblichen Beitrag zum sozialen Leben unserer Gesellschaft“, waren sich Kaschel und Heimbuch einig. In der Jugendfeuerwehr engagieren sich derzeit 26 Jugendliche, bei den Minilöschern sind 20 Kinder aktiv. Das erste Mädchen fand 1986 den Weg zur Jugendfeuerwehr und 1991 trat die erste Frau ihren Dienst bei der Feuerwehr in Wicker an. Damalige Vorurteile, wie Frauen seien für diesen Job zu schwach und zu zerbrechlich, seien heute längst widerlegt und man sei froh, dass die Frauen damals die Männerdomäne durchbrochen hätten.
1994 gab es ein neues Löschfahrzeug, das bis heute das wichtigste Einsatzmittel der Wehr ist. Das Jahr 2003 war für die Wickerer Wehr das einsatzreichste Jahr in der Geschichte, doch sind den Wehrleuten auch viele weitere Einsätze in Erinnerung geblieben. Beim Großbrand der Wertstoffsortieranlage im Jahr 2010 waren viele Wehrleute beispielsweise 36 Stunden im Dauereinsatz. Dennoch schlossen die Verantwortlichen ihren Rückblick mit den Worten: „Feuerwehr ist das schönste Hobby der Welt, denn wo sonst geht es darum, Leben zu retten und Leid von anderen abzuwehren.“
Erster Stadtrat Sven Heß, Wickers Ortsvorsteher Christopher Willmy, Kreisbrandinspektor Kai Beuthien, Stadtbrandinspektor Volker Draisbach und Gerhard Freund vom Kreisfeuerwehrverband überbrachten Glückwünsche, während Thomas Ullrich als langjähriger Sponsor der Feuerwehr mit der Übernahme der Gage für die Band ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk machte. Auch die Vereinsvorsitzenden gratulierten und der Historische Verein brachte noch die Originale der Eintrittsurkunden zweier Gründungsmitglieder mit. Der Festakt mündete in eine große Feier mit der Band „HMP – Her Majesty's Prisoners“, bevor sich die Feierlichkeiten mit dem Frühschoppen am Sonntagmorgen und einer großen Geräteausstellung fortsetzten. Neben der kulinarischen Verpflegung sorgten eine Fahrzeugausstellung, Kinderprogramm und der Feuerwehrvortrag von Frank Haindl für Abwechslung.

 

 

 

 

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