"Demokratie verteidigen, gegen den Rechtsruck"

Hunderte Menschen setzten am vergangenen Samstag in Hattersheim ein Zeichen gegen Hass und Rassismus

Etwa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählten die Veranstalter am Samstag auf dem Hattersheimer Marktplatz.

Etwa 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählte das veranstaltende Bündnis "Main-Taunus – Deine Stimme gegen Rechts" am vergangenen Samstagvormittag auf dem Hattersheimer Marktplatz, und wer der dortigen Kundgebung unter dem Motto "Demokratie verteidigen, gegen den Rechtsruck" beiwohnte, dürfte auch gleichermaßen erstaunt und zufrieden gewesen sein angesichts der Menschenmassen, die es auch in Hattersheim und Umgebung für notwendig und wichtig erachten, aus diesem Grund gut sicht- und hörbar auf die Straße zu gehen. Derart voll erlebt man den Marktplatz sonst nur zu Großveranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt - nur waren dort diesmal ausschließlich Menschen und keine Buden oder Fahrzeuge, die sonst auch eine nennenswerte Zahl an Quadratmetern in Beschlag nehmen.

Zum Bündnis "Main-Taunus – Deine Stimme gegen Rechts" zählen unter anderem diverse Parteien, Kirchen, die Caritas des Main-Taunus-Kreises, Gewerkschaften, Ausländerbeiräte und Schülervertretungen. Die verfolgten Ziele sind die Bekämpfung von Rechtsextremismus, die Stärkung der Zivilgesellschaft und Vielfalt statt Ausgrenzung.

Im krassen Gegensatz dazu stehen freilich die jüngst durch eine Correctiv-Recherche publik gewordenen Pläne zur "Remigration", über die Rechtsextreme bei einem Treffen in Potsdam, dem auch hochrangiger AfD-Politiker beiwohnten, beratschlagt haben. Jene Pläne zur Vertreibung bezogen sich sogar auch auf deutsche Staatsbürger mit Zuwanderungshintergrund, die "man" (sprich: die rechtsextremen Urheber dieser Pläne) als "nicht assimiliert" erachtet. Und dies vor dem Hintergrund der ebenso rassistischen wie verschwörungstheoretischen Frage, "ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“.

Diese Pläne haben im Januar deutschlandweit hunderttausendfach Hutschnüre endgültig zum Platzen gebracht. Seit Wochen finden nun schon landauf, landab Kundgebungen und Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für die Verteidigung der Demokratie und des freiheitlich-liberalen Rechtsstaats statt. Am Montagnachmittag setzte die Frankfurter Polizei zum wiederholten Male wegen einer solchen Versammlung einen Tweet ab, zu dem es sonst nur bei Titelgewinnen der Frankfurter Eintracht kommt: "Der Römerberg ist voll." Von 19.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichtete die Polizei, von 25.000 gar die Veranstalter.

Klare Kante auch in Hattersheim

Natürlich nicht ganz so zahlreich, aber dennoch nicht weniger engagiert und deutlich war das Zeichen, das am Samstag in Hattersheim gesetzt wurde. Mehrere hundert Menschen aus Hattersheim und der Umgebung, vereint in der Sorge um die Demokratie und der Ablehnung von Hass und Rassismus, kamen auf dem Marktplatz zusammen, viele mit selbst gemachten Schildern und Plakaten. Sie alle hörten den diversen Reden zu, wie zum Beispiel von Fatima Abounachat vom Hattersheimer Ausländerbeirat, die Rassismus als "Virus" deklarierte, dem man sich, wie einer jeden Krankheit, bewusst entgegenstellen müsse. Erschrocken stellt sie immer wieder fest, wie auch in ihrem Bekanntenkreis Propaganda der AfD in den sozialen Netzwerken geteilt werde. Und auch die ehemalige Leiterin des Stadtteilbüros Heike Bülter ergriff das Wort: Im Rahmen ihrer Arbeit haben sich immer wieder Menschen mit zahlreichen kulturellen Hintergründen erfolgreich zusammengefunden und gemeinsam bunte und kreative Ergebnisse erzielt. Und eine solche soziale, tolerante und konstruktive Kultur dürfe man sich nicht von Rechtsextremen kaputt machen lassen.

"Demokratie gibt es nicht umsonst"

Ein klares Statement hatte auch Stadtverordnetenvorsteher Georg Reuter (CDU) mitgebracht. Gleichheit und Demokratie erachte man heute schnell als Selbstverständlichkeiten - doch es war ein langes Ringen, bis Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit als Grundrechte in Deutschland von 75 Jahren endlich festgeschrieben wurden. "Demokratie gibt es leider nicht umsonst", so Reuter, "sie muss hart errungen werden, und sie muss geschützt und gepflegt werden." Deshalb brauche es heute entschlossenen Widerstand aller demokratischen Bürgerinnen und Bürger, wenn rechtsradikale Kräfte wieder erstarken. "Widerstand ist Pflicht", brachte Georg Reuter seine Botschaft in Anlehnung an ein Zitat von Berthold Brecht auf den Punkt.

Die Enthüllungen der Kontakte von Rechtsextremen zu Politikerinnen und Politikern während des Treffens in einem Potstdamer Hotel haben "bei vielen Menschen Erinnerungen an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte" geweckt. Alle Fraktionen der Hattersheimer Stadtverordnetenversammlung positionieren sich nun mit einer Resolution, die in der kommenden Stadtverordnetenversammlung am 15. Februar eingebracht werden wird, klar und deutlich dagegen: Man lehnt Hass und Gewalt sowie die Leugnung historischer Tatsachen zutiefst ab, ebenso wie Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit. Stattdessen stehe man für Freiheit, Toleranz, internationales Miteinander, Solidarität und Demokratie. Nicht wegschauen, nicht ignorieren, sondern offen für Demokratie und Menschenrechte gegen Extremismus einzutreten, sei die dauerhafte Aufgabe der Kommunalpolitik und aller Menschen in der hiesigen Stadtgesellschaft.

Und Reuter schlug auch den Bogen zum ureigensten Bestandteil einer Demokratie: Den Wahlen, wie zum Beispiel die Europawahl am 9. Juni. Zur dortigen Teilnahme rief er eindringlich auf, denn "Hingehen stärkt Demokratie. Nur ein demokratisches Europa sichert den Wohlstand und den Frieden." Die Menge auf dem Hattersheimer Marktplatz quittierte auch diese Rede mit großem Beifall - und lässt damit tatsächlich Hoffnung auf höhere Wahlbeteiligungen aufkeimen.

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