Ehrungen im Sinne der Schulverfassung

Heinrich-Böll-Schule zeichnet besonderes Engagement aus

Die Schüler und Schülerinnen aus der Klasse 5G2 von Anna Heymann freuten sich sichtlich über die Ehrung ihrer Klassengemeinschaft.?(Fotos: A. Kreusch)

 

 

HATTERSHEIM (ak) – Am letzten Dienstag, 24. März, um kurz nach zwölf Uhr standen sie noch fast ruhig und ordentlich in Zweierreihen vor der Eingangstür zur Aula der Heinrich-Böll-Schule (HBS), aber die erstaunte Frage eines vorbeieilenden Mitschülers aus einer anderen Klasse „Was macht ihr denn alle hier?“ ließ es dann doch stolz kichernd, aus einigen ein bisschen lauter als vielleicht nötig, herausbrechen: „Wir werden heute hier geehrt!“ Wie viel den Schülern der 5G2 diese Ehrung bedeutete, war auch an ihren strahlenden Gesichtern abzulesen, als sie schließlich in einer langen Reihe vor den vielen Gästen in der Aula stehend die lobenden Worte hörten, die der stellvertretende Schulleiter Dr. Dietrich Heither ihnen widmete.

 

Schulleiter Karl Hildebrandt hatte zuvor noch einmal dargelegt, warum ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen diese jährlichen Ehrungen so wichtig sind: „Wir haben uns heute hier versammelt, um die Menschen zu ehren, die die Prinzipien und Regeln unserer Schulverfassung glaubhaft und alltagstauglich so gelebt haben, dass sie mit ihrer Haltung aufgefallen sind.“ Vor dem Hintergrund der politischen Lage in der Welt, in der Europa unter einem zerbrechlichen Euro wankt, Bokoharam unzählige Menschen meuchelt, Menschen vor laufender Kamera verbrannt werden und Tausende aus Kriegs-, Seuchen- und Armutsregionen fliehen, während man in Europa Angst vor einem Haus mit Flüchtlingen in der eigenen Nachbarschaft hat, machte er klar, warum die Schulverfassung der HBS so wichtig ist: „Alle diese Erscheinungsformen haben denselben Kern: Egoistische Unvernunft, ideologische Verblendung und den Verlust der Verantwortlichkeit für ein rationales Ganzes – das Ergebnis sind eisige Verhältnisse und menschliche Kälte, Berechnung statt Solidarität, Angst und Unsicherheit anstatt menschlicher Wärme und Geborgenheit“, ist er der Ansicht. All das ist nicht das gesellschaftliche Ideal, das die Schulverfassung für die an der HBS lernenden Menschen beschreibt: Hier soll das Übernehmen von gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung gelebt und gelehrt werden, das solidarische Miteinander ist allen wichtig. „Viele Menschen spiegeln uns, dass sie sich an der HBS aufgehoben und wohl fühlen, wir sind insgesamt auf einem guten und richtigen Weg. Die Menschen, die wir heute ehren, sind Garanten dafür, dass wir diese Orientierung beibehalten.“
Auf Anregung der Eltern wurde die Klasse 5G2 der Klassenlehrerin Anna Heymann dafür geehrt, dass in dieser Klasse der Inklusionsgedanke, einen Menschen so zu akzeptieren, wie er ist, ganz natürlich gelebt wird. Die behinderte Mitschülerin in ihrer Mitte wird von allen ganz selbstverständlich liebevoll gefördert und gefordert; wo es notwendig ist, wird ihr gerne geholfen. Als Folge daraus fällt die gesamte Klasse durch ein ganz besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl auf. „Für diese Selbstverständlichkeit, mit der die Schüler alle miteinander umgehen, wird diese Klasse heute geehrt“, stellte Dr. Heither unter großem Beifall fest. Noch eine weitere Klasse durfte sich vor den Gästen in der Aula aufstellen, sie erhielt auf Anregung zahlreicher Lehrer aus den Händen von Schulleiter Hildebrandt ihre Ehrungsurkunden. „Die 6G2 von Klassenlehrerin Tanja Wenniges fällt ganz besonders dadurch auf, dass sie in der Lage ist, ihre Probleme miteinander ganz alleine zu lösen, der Gemeinschaftssinn ist bei ihnen hervorragend entwickelt, das Gemeinwohl hat einen hohen Stellenwert in der Klasse, das Einhalten von Regeln ist den Schülern wichtig, die einzelnen Schüler übernehmen Verantwortung“, lobte der Schulleiter, „für Lehrer ist es eine Freude mit der Klasse zusammenzuarbeiten!“
Jonas Hoberg aus der Klasse 10R3 wurde von Dr. Dietrich Heither für seine besondere Einsatzbereitschaft als Schulsanitäter geehrt. „Als Jonas von der Graf-Stauffenberg-Schule an unsere HBS kam, ist er mit seiner ruhigen und freundlichen Art gleich aufgefallen. Dass er seine bei der freiwilligen Feuerwehr erworbenen Kenntnisse als Rettungssanitäter der Schule so selbstverständlich zur Verfügung stellt, ist ein Zeichen seiner sozialen Kompetenz und seiner besonderen Reife – dafür dankt ihm die Schule sehr!“, stellte Heither heraus.
Auch Lara Glück aus der 9H2 ist in ihrer Freizeit bei der freiwilligen Feuerwehr tätig und stellt ihre dort erworbenen Kenntnisse der HBS als Schulsanitäterin zu Verfügung. „Lara Glück setzt die Ziele der Schule ganz offensichtlich um: Sie überwindet mit besonderer Größe Herausforderungen und hat sich damit immer wieder den Respekt der Menschen hier erarbeitet. Dabei zeigt sie eine besondere, leider nicht weit verbreitete Eigenschaft, sie kann die Nöte und Empfindlichkeiten ihrer Mitmenschen erkennen und sich aktiv für diese ohne Ansehen der Person einsetzen!“, würdigte Karl Hildebrandt die Fähigkeiten der Schülerin, die zu der Ehrung führten. „Zum Glück“, spielte der Schulleiter schmunzelnd mit dem Namen der Schülerin, „ist es keine singuläre, zeitlich begrenzte Handlung, die Lara auszeichnet, es ist ihre konstante Persönlichkeitsentwicklung, die sie für diese Ehrung zur optimalen Kandidatin gemacht hat!“
Auch zwei Lehrerinnen wurden am Dienstagmorgen in der Aula der HBS geehrt – Woo-Ri Song und Irmtraud Muller. Die Musiklehrerin Song („Ihr Name ist Programm!“ konnte sich auch Dr. Heither nicht verkneifen zu verkünden), die selbst Cello und Klavier spielt, ist seit etwa einem Jahr sehr erfolgreich dabei, den Schulchor der HBS aufzubauen. „Alle sind begeistert von ihrer Art, die Schüler zu motivieren – Frau Song öffnet Türen für Kultur und spornt zu Höchstleistungen an“, würdigte der stellvertretende Schulleiter die junge Lehrerin in seiner Laudatio. „Irmtraud Muller kümmert sich seit 2006 um die Kinder, die die deutsche Sprache als Zweitsprache erwerben und die zunächst einmal quasi 'sprachlos' an unsere Tür klopfen“, hielt Karl Hildebrandt den Anwesenden in der Aula noch einmal vor Augen, „ihr ist dabei stets bewusst, dass die nötige Sprachkompetenz nicht nur für das berufliche Weiterkommen ihrer Schüler wichtig ist, sondern die Grundlage für eine erfolgreiche Integration überhaupt darstellt.“ Dass die Seiteneinsteigerin aus dem Journalismus es immer wieder meistert, die wohl „heterogenste Lerngruppe der Schule“ zu leiten und dass sie dabei nie das einzelne Kind aus den Augen verliert, würdigte er als den Ausdruck einer sozialen Grundhaltung, die im Sinne der Schulverfassung zu ehren sei. Die Elternbeiratsvorsitzende Carolin Vogt überreichte den Elternbeiräten der Klasse 5G2 stellvertretend für viele engagierte Eltern an der HBS ebenfalls Ehrenurkunden, mit denen der vielfältige Einsatz der Eltern für die Schule eine besondere Anerkennung fand.
Ursula-Franssen-Preis
Zum ersten Mal wurde an der Heinrich-Böll-Schule in diesem Jahr auch der mit 500 Euro dotierte Preis vergeben, der von den bei der Verleihung anwesenden Brüdern Hans und Dr. Heribert Franssen zur Erinnerung an das soziale und politische Engagement ihrer in Peru verschollenen Schwester Ursula ins Leben gerufen wurde (Ursula-Franssen-Stiftung). Der Grund für die Preisvergabe an der HBS ist die Ansicht der Brüder, dass der Stiftungsgedanke an der Schule immer wieder gut umgesetzt wird.
Deutschlehrer Jürgen Niehörster stellte die Projekte vor, die mit dem Ursula-Franssen-Preis 2015 bedacht wurden: Zwei dritte Preise wurden an das Inklusionsprojekt der 5G3 mit der Klassenlehrerin Birgit Blasco und an die 9HSchub von Henrik Schuppan für die Spendenaktion zugunsten des Hattersheimer Tierparks verliehen, die Preisträger-Klassen durften sich über jeweils 100 Euro freuen.
Der zweite Preis ging an das Projekt der Oberstufenklassen mit Vera Bourgeois „Kunst für ein Augenlicht“, bei dem die Schüler Geld für Augenoperationen von Blinden gesammelt haben. „Mit 125 Euro kann eine solche OP finanziert werden – 20 Operationen konnten mit Hilfe des Projektes nun schon durchgeführt werden. Euer Preis sind 125 Euro!“, erklärte Jürgen Niehörster dazu.
Über den ersten Preis in Höhe von 200 Euro durften sich die Schüler der neunten Klassen freuen, die zusammen mit den Lehrerinnen Angelika Nucklies, Brigitte Oswald-Mazurek und Nina Schmidbauer ein Projekt zur praktischen Integrationshilfe von Flüchtlingen begonnen haben, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. „Die Aufgabe des Projektes ist es, weiter dabei mitzuwirken, Willkommenskultur zu verinnerlichen – die Schülerinnen und Schüler geben etwa mit Deutschunterricht im „Café Asyl“ der evangelischen Kirche ganz konkrete Hilfestellungen für die Flüchtlinge“, erklärte Jürgen Niehörster.
Die Aufstockung des Preisgeldes, die es möglich machte die oben aufgezählten Preise zu vergeben, übernahm gerne der Schulelternbeirat der HBS.

 

 

 

 

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