„Wir sind noch beim Säen“

Bürgermeister Klaus Schindling will die Einlösung seiner Wahlversprechen erlebbar machen

Mit Blick auf den Zustand der öffentlichen Liegenschaften – hier ein Gebäudeteil des Alten Posthofs – kündigt Hattersheims neuer Bürgermeister Sanierungsmaßnahmen an.
(Fotos: A. Kreusch)
 

HATTERSHEIM (noe) – Eigentlich befindet sich Hattersheims neuer Bürgermeister noch in der Orientierungsphase. Nichtsdestotrotz ist Klaus Schindling, wie man so schön sagt, „voll im Geschäft“. Ein Blick in seinen Terminkalender verrät, dass ein Rathauschef nicht nur vom Schreibtisch aus, sondern gerade auch bei den verschiedensten Ortsterminen im Dienste der Stadt und ihrer Bürger – sei es als Repräsentant oder als Anwalt – tätig ist. Bereits an seinem ersten Tag als Bürgermeister stattete Klaus Schindling einer Dame, die just an diesem 1. Oktober ihren 80. Geburtstag feierte, einen Besuch ab. Ihm sei so gleich zu Beginn seiner Amtszeit bewusst geworden, welch hohen Stellenwert die Präsenz des Bürgermeisters hat und wie wichtig es den Bürgern ist, mit ihrem Stadtoberhaupt persönlich ins Gespräch zu kommen, sagte Schindling.

Am selben Tag stand die Einweihungsfeier einer aus Kriftel nach Hattersheim gezogenen Firma für Kosmetikprodukte auf dem Zettel, am darauffolgenden Sonntag war Klaus Schindling bei der Vorstellung der neuen Messdiener in der katholischen Kirche Eddersheim und beim anschließenden Oktoberfest im Pfarrheim zu Gast. Am 3. Oktober fungierte Hattersheims neuer Bürgermeister als Schirmherr: anlässlich des Feiertages wurde im Schokoladenviertel der „Platz der Deutschen Einheit“ eingeweiht. Direkt nach dieser Veranstaltung eilte Schindling nach Okriftel, dort hatte die Ahmadiyya-Gemeinde zum „Tag der offenen Moschee“ geladen. Es folgten im Laufe der Woche diverse Termine mit Verwaltungsmitarbeitern, Amtsleitern und dem Magistrat, bereits am Donnerstag reiste Klaus Schindling zur Immobilien- und Investitionsfachmesse Expo Real nach München. Quasi zwischendurch hatte der Bürgermeister anlässlich seines Amtsantritts zu einem ersten Pressegespräch geladen.

Langweilig werde es sicherlich nicht, sagte Klaus Schindling mit Blick auf seine erste Arbeitswoche, das sei ihm aber auch schon am Abend seines Wahlsieges bewusst gewesen. Er sei es aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Geschäftsführer jedoch gewohnt, viele Termine zu haben und auch am Wochenende arbeiten zu müssen. Als Verwaltungschef und „Geschäftsführer des Gesamtkonzerns Stadt“ kämen nun in einem ungewohnten Arbeitsumfeld allerdings vollkommen andere Herausforderungen auf ihn zu, so Schindling. Deshalb müsse er sich zunächst so schell und zugleich so gründlich wie möglich mit den Abläufen vertraut machen. Dabei setzt Schindling auf die Unterstützung der „altgedienten“ Verwaltungsmitarbeiter gleich welchen Ressorts. Hattersheims neuer Bürgermeister war diesbezüglich voll des Lobes, er fühlt sich von den Mitarbeitern der Verwaltung gut aufgenommen, das Arbeitsklima sei angenehm und konstruktiv. Zugleich habe sich herausgestellt, dass Veränderungen in der Verwaltungsstruktur notwendig seien, um den nun präferierten Schwerpunkten besser entsprechen zu können. „Es ist mir ganz wichtig, hier alle Mitarbeiter mitzunehmen“, betonte der Bürgermeister. „Das bedeutet: vor Umsetzung der Veränderungen wurde und wird mit allen Mitarbeitern gesprochen.“ Er sei jederzeit empfänglich für Kritik und schätze das offene Wort, so Schindling.

Spannende erste Wochen
Gerade in den ersten Wochen sei alles „spannend, weil es neu ist“, bekannte der frischgebackene Rathauschef. Und gerade jetzt, da auch die ersten Schritte sicher und richtig gesetzt werden müssten, sei ihm schnell klar geworden: „Ich brauche eine starke rechte Hand, auf die ich mich blind verlassen kann.“ Aus diesem Grund wurde eine neue Stelle geschaffen – der Bürgermeister hat nun einen persönlichen Referenten an seiner Seite.

Die Wahl fiel auf Stefan Käck, der in ähnlicher Funktion bereits für Schindlings Vorgängerin Antje Köster tätig war. Seinerzeit war Käck unter anderem für die Öffentlichkeits- und Medienarbeit zuständig; seine Position als Rathaussprecher ist nun unter Schindling deutlich aufgewertet worden – man kann deshalb durchaus von einer Beförderung sprechen. Jede Aussage des persönlichen Referenten sei zukünftig auch als Aussage des Bürgermeisters zu verstehen, so Schindling. Zudem leitet Stefan Käck das Referat I/2 (vormals: Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung und Kultur), das nun „Büro des Bürgermeisters“ heißt und neben der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und dem Stadtmarketing zunächst auch den Bereich Kultur umfasst.

Die Wirtschaftsförderung wurde aus dem Referat gelöst, sie ist nun als Stabsstelle direkt dem Bürgermeister unterstellt. Personelle Änderungen seien nicht vorgesehen, teilte Schindling mit, durch die Bildung der Stabsstelle sei die Erfüllung eines seiner Wahlversprechen auf den Weg gebracht. „Wir müssen wieder zu Entscheidungsschnelligkeit und -freudigkeit zurückfinden“, nannte der Bürgermeister als anvisierten Effekt.

Hattersheimer Agenda 2030
Die Einlösung von Wahlversprechen, das heißt die Umsetzung respektive die Inangriffnahme der entsprechenden Maßnahmen, werde „erlebbar sein“, kündigte Schindling an. Das betreffe auch die mit den Maßnahmen in Zusammenhang stehenden Entscheidungen und vor allem die ihnen vorausgehenden Prozesse. So stehe er zu seinem Wahlversprechen, dass in seiner Amtszeit die stillgelegte Stadthalle wieder für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht wird. Auch werde er dafür sorgen, dass die Realisierung der Entlastungsstraße für die Stadtteile Eddersheim und Okriftel auf den Weg gebracht wird. Dabei handele es sich, anders als in Sachen Stadthalle, um ein langfristiges Vorhaben, um das hart gerungen werden muss, räumte Schindling ein. Aus seiner Sicht müsse aber genau aus diesem Grund der Prozess „endlich angestoßen werden“. Beide Projekte seien wichtige Komponenten der „Hattersheimer Agenda 2030“ – eines Stadtentwicklungsplans, den Bürger, Politik und Verwaltung gemeinsam erarbeiten sollen. „Ich habe mit Erschrecken zur Kenntnis genommen: so etwas gibt es noch nicht“, sagte Schindling, der das für eine Schutzschirmkommune typische Kurzzeitdenken so rasch wie möglich beenden und die sukzessive Umsetzung eines mit Weitblick entwickelten Programms zur Stadtentwicklung erreichen möchte. Grundvoraussetzung ist freilich die dauerhafte Konsolidierung des Haushaltes, der deshalb Schindlings Hauptaugenmerk gilt.

Drückende Altlasten
Auf den ersten Blick lasse sich das Ergebnis der bisherigen Haushaltspolitik durchaus sehen, so Schindling, der von seiner Amtsvorgängerin einen Haushalt übernommen hatte, der nicht nur ausgeglichen war, sondern sogar mit einem leichten Plus abschloss. Auf den zweiten Blick sei jedoch zu konstatieren, dass nicht nur Einsparungen vorgenommen, sondern auch weitere Investitionen getätigt und drückende Altlasten beseitigt werden müssten. So dürfe keinesfalls der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen vernachlässigt werden, zugleich wolle er als Bürgermeister aber sein Wahlversprechen hinsichtlich einer ganzjährig garantierten Kita-Öffnung einlösen.

Daneben gelte es, den Sanierungsstau bei den öffentlichen Liegenschaften Schritt um Schritt aufzulösen. Hier sei mittlerweile ein insgesamt zweistelliger Millionenbetrag in die Hand zu nehmen. In diesem Zusammenhang seien neben sanierungsbedürftigen Verkehrswegen auch einige Gebäude in einem besorgniserregenden Zustand. Zum Beispiel müssten am Dach der Stadthalle umfangreiche Reparaturen vorgenommen werden. Und auch der altehrwürdige Posthof bröckele an allen Ecken und Enden.

Geld, Geld, Geld
Zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen sollen unter anderem die vom Land Hessen zur Verfügung gestellten Mittel genutzt werden. Für eine Reduzierung der Ausgaben und somit für eine Entlastung des Haushaltes soll mittel- bis längerfristig eine intensivere Nutzung der Interkommunalen Zusammenarbeit sorgen.

Um relativ zeitnah den finanziellen Spielraum zu erweitern, müssten in städtischem Besitz befindliche Grundstücke – also das sogenannte Tafelsilber – veräußert werden. Auf der Verkaufsliste stehen derzeit neun Grundstücke; es werde geprüft, ob weitere infrage kommen. „Wir verkaufen aber nicht um jeden Preis“, unterstrich der Bürgermeister mit Blick auf den Eddersheimer Lindenplatz (wir berichteten). Zuvor müsse berücksichtigt werden, inwiefern sich ein Verkauf auf die Lebensqualität der Menschen und den Charakter der Umgebung auswirkt. Vor allem aber müsse die Stadt kontinuierlich mehr Geld einnehmen, so Schindling. Selbstredend ohne eine Erhöhung der Grundsteuer. Die Ansiedlung von Gewerbe soll es richten. Diesbezüglich gibt es ein Wunschprofil: Unternehmen, die sich in Hattersheim ansiedeln wollen, sollten zum örtlichen Gewerbe-Mix passen, nicht zu groß sein, finanziell auf sicheren Füßen stehen und (möglichst viel) Steuern zahlen – in Hattersheim, versteht sich. Die Entwicklung des Gewerbegebietes Nord soll vor diesem Hintergrund eher kleinteilig erfolgen – eine Ansiedlung à la Bauhaus sei keine Option.

Böse Überraschung
Hattersheims neuer Bürgermeister musste in seiner noch denkbar jungen Amtszeit bereits eine böse Überraschung erleben: Die Stadtwerke hatten für die Nutzung des Netzes durch ihre Blockheizkraftwerke seit mehreren Jahren keine Gebühr an den Netzbetreiber Amprion entrichtet. Seit 2012 habe sich auf diese Weise ein zu zahlender Betrag von – mindestens – 200.000 Euro angesammelt, teilte Klaus Schindling mit. „Das hätte mit der nötigen kaufmännischen Sorgfalt erkannt werden können“, monierte der neue Rathauschef. Problematisch könne sich auch die Übertragung des Freibades in den Haushalt der Stadtwerke auswirken. Früher oder später müsse die Stadt nämlich auch den Fehlbetrag im Haushalt der Stadtwerke ausgleichen.

Angesichts der Situation begreift sich Schindling mehr als Sanierer denn als Gestalter. Er wolle in seiner Amtszeit den „Notfall-Modus“ verlassen und die Voraussetzungen für eine prosperierende, wirtschaftlich stabile Stadt schaffen. „Wir sind noch weit vom Ernten entfernt“, so Hattersheims neuer Bürgermeister. „Wir sind noch beim Säen.“

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