Jede Beobachtung, jede Information – beispielsweise hinsichtlich eines Verstoßes gegen getroffene Vereinbarungen und Auflagen seitens der Fraport respektive der Luftfahrtunternehmen – könne sich als hilfreich erweisen und unter Umständen sogar konkrete Auswirkungen haben. Auf diese Weise sei nämlich immerhin ein „Millimeter-Erfolg“ für die Hattersheimer Stadtteile Okriftel und Eddersheim erzielt worden, so Schröder. Es habe nachgewiesen werden können, dass der dort registrierte Bodenlärm teilweise von der während des Bremsvorgangs eingeleiteten Schubumkehr verursacht wurde. Mit diesem, mittlerweile unter normalen Bremsbedingungen verbotenen, Manöver hätten die Flugzeugführer versucht, den Abrieb der Reifen zu minimieren. Allein eine Kontaminierung der Landebahn durch extrem viel Wasser oder durch Eis rechtfertige aus Sicherheitsgründen die Einleitung der Schubumkehr. Grundsätzlich habe sich jedoch zunächst die Frage gestellt, ob die akustischen Auswirkungen der Schubumkehr dem Boden- oder dem Fluglärm zuzuordnen sind.
Der in Okriftel und Eddersheim am Boden spürbare Lärm sei von der Stadt Hattersheim nachvollziehbarerweise als Bodenlärm bezeichnet worden. Damit habe die Stadt Hattersheim im Vergleich zu den anderen klagenden Städten und Gemeinden der Mainschiene ein taktisch günstiges Alleinstellungsmerkmal besessen. Mit einer am 23. Dezember 2008 im Bundesanzeiger veröffentlichten Regelung sei jedoch festgelegt worden, dass alle Geräusche, die ein Flugzeug vom Start bis zum Abrollen verursacht, nicht etwa dem Bodenlärm, sondern dem Fluglärm anzurechnen sind. Das Alleinstellungsmerkmal war dahin, der alternative Weg war abrupt in eine Sackgasse verwandelt worden. „Somit war hier kein Blumentopf mehr zu gewinnen“, machte Schröder angesichts des weggebrochenen Hebels deutlich. Damit sei auch das aktive Engagement der Stadt Hattersheim auf dem Rechtswege zu hinterfragen gewesen. „Vor Gericht gibt es keine Demokratie“, erklärte Schröder mit Blick auf die in derselben Angelegenheit klagenden Kommunen und von Vereinsseite unterstützten Privatpersonen der Mainschiene. Es mache keinen Unterschied, ob ein oder eintausend identische Klagen vorgebracht werden. Ein Verfahren koste indes viel Geld – deshalb habe er der Stadt Hattersheim empfohlen, den Ausgang der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Klage der Stadt Mainz gegen Flüge zwischen 22 und 6 Uhr abzuwarten.
Rechtsanwalt Dr. Schröder lieferte zudem eine detailreiche Chronologie der juristischen Schritte seit Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses zum Flughafenausbau am 18. Dezember 2007. Als vorerst letzte Station nannte er eine noch immer nicht entschiedene Klage der Stadt Flörsheim. Die benachbarte Kommune hatte gegen die vom Verwaltungsgerichtshof Kassel am 30. April 2015 beschlossene Abweisung ihrer Klage nebst Nichtzulassung einer Revision bezüglich der Flüge in den Nachtrandstunden und des Schutzes vor Wirbelschleppen Rechtsbehelf eingelegt und diesen begründet. Er sei gespannt, ob das nun zuständige Bundesverwaltungsgericht die Klage zulässt, sagte Schröder.
Neue Hoffnung im Kampf gegen den Flughafenausbau keimt wegen nunmehr 45 Jahre alten Dokumente auf. Es handelt sich hierbei um den Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahre 1971 zur Startbahn West, um den Verkehrsbedarfsplan II und um diverse Zeitungsberichte, die seinerzeit publiziert wurden. In diesen Dokumenten sei ausdrücklich, etwa seitens des damaligen hessischen Wirtschaftsministers Heinz-Herbert Karry, erklärt worden, dass ein weiterer Ausbau des Flughafens Frankfurt nicht genehmigt werde. Vielmehr sei, so Karry gegenüber der Presse, der Standort für einen „Ergänzungs-Flughafen“ (Frankfurt II) zu suchen. 1972 habe schließlich das Land Hessen festgestellt, dass eine Erweiterung des Flughafens am alten Standort definitiv ausscheide. „Wäre es dabei geblieben, säßen wir heute nicht zusammen“, merkte Schröder an. Mehr als zwei Jahrzehnte später sei unter dem hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel ein neues Landesentwicklungsprogramm aufgelegt worden, das den Verkehrsbedarfsplan aus den Siebzigern ins Gegenteil verkehrt habe. Nach einer zwischenzeitlich erfolgreichen Klage der Stadt Flörsheim aus dem Jahre 2002 sei dieses Programm in abgeschwächter Form schlussendlich „zum Fundament der Landebahn Nordwest“ geworden. Rechtsanwalt Schröder hob an dieser Stelle die akribische Recherche eines Mitgliedes der Eddersheimer „Bürgerinitiative für Umweltschutz“ (BfU) hervor: „Frank Wolf ist ein erstklassiger Forscher in den Abgründen der Geschichte des Flughafenausbaus!“ Wolf habe die jahrzehntelang in Archiven schlummernden Dokumente gefunden und ins Licht der Gegenwart geholt.
Einen Blick in die Zukunft empfahl der als Gast anwesende Vorsitzende des Vereins „Für Flörsheim“ Hans Jakob Gall angesichts des Beschlusses des Vereins Lebenswertes Hattersheim, die Mitgliedsbeiträge für zwei Jahre auszusetzen. Die finanziellen Mittel für das aktuelle Klageverfahren, das schließlich im Interesse aller vom Flughafenausbau betroffenen Städte geführt werde, seien zwar vorhanden. Wenn es jedoch zu einer Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof kommen sollte, sei die Situation eine andere. „Irgendwann ist auch unser Geld alle“, gab Gall zu bedenken. „Wir brauchen in Zukunft viel Geld, vielleicht auch von Ihnen.“ Prof. Holger Matt, Vorsitzender des Vereins Lebenswertes Hattersheim, warb um Verständnis; die Mitgliedsbeiträge würden befristet ausgesetzt, um Austritte zu verhindern. Es sei aber denkbar, so Matt unter dem Applaus der Anwesenden, dass zukünftige Mitgliedsbeiträge für eine Unterstützung des Vereins Für Flörsheim Verwendung finden.
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