Die Quintessenz

Nachruf auf den gemischten Chor des Gesangvereins Liederkranz 1860 Kriftel e.V.

Erfolgreiches Konzert der Quintessenz in der Evangelischen Auferstehungskirche am 18. Juni 2023 mit dem Titel „Mittsommer rund um die Ostsee“.

In der letzten Jahreshauptversammlung des Gesangvereins Liederkranz wurde die Auflösung des gemischten Chores Quintessenz beschlossen. Welche Gründe zu dieser Entscheidung führten, soll näher betrachtet werden.

Erfolgreicher Kammerchor

Gegründet wurde der gemischte Chor im Jahr 1999 unter dem Namen „Junger Chor“. Damals sangen zehn Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Christian Hauck. Die Zusammenarbeit war so erfolgreich, dass schon nach einem Jahr der erste öffentliche Auftritt stattfinden konnte.

Im Jahr 2008 übernahm Alexander Grün die Leitung des Chores. Ihm gelang es, den Chor auf eine neue qualitative Ebene zu führen, was auch durch die Änderung des Namens in „Kammerchor Quintessenz“ deutlich wurde. Das breitgefächerte Repertoire des Chores, beispielsweise American Folksongs, altitalienische Madrigale, Lieder in altfranzösischer oder altenglischer Sprache, Kirchenmusik der Renaissance, Spirituals aber auch Jazz und Pop, zog viele Sängerinnen und Sänger an, so dass der Kammerchor auf 40 aktive Mitglieder wuchs.

An die Konzerte, die unter der Leitung von Alexander Grün stattfanden, erinnern sich sicher viele damalige Zuhörer gerne zurück. Jutta Debnar-Daumler und Gabriele Rauh, die beide seit etwa zehn Jahren der Quintessenz angehören, berichten begeistert von der musikalischen Arbeit. „Bei 'Teatime with Quintessenz' im Jahr 2016 hatten wir das Krifteler Rathaus als Teesalon hergerichtet. Es gab englisches Gebäck und im Schwerpunkt englische Musik“, erinnert sich Jutta Debnar-Daumler an das schöne Ereignis.

Die einmal im Jahr stattfindenden Konzerte wurden oft mit befreundeten Chören aufgeführt, was zu sehr erfolgreichen musikalischen Darbietungen mit manchmal mehr als 100 Sängerinnen und Sängern führte. Gerne denken Jutta Debnar-Daumler und Gabriele Rauh an das "Chorkonzert für die Freiheit" zurück, dass mit insgesamt fünf Chören im Herbst 2018 in der katholischen Kirche Nauheim und im Bürgerhaus Gründau-Lieblos mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Alexander Grün konnte mit großem Esprit motivieren, darüber sind sich Jutta Debnar-Daumler und Gabriele Rauh einig. Grün hatte auch in Punkto Regie ein besonderes Talent. Er machte akribisch genaue Pläne, wo jeder Sänger während des Konzertes stehen sollte. „Und die Position wechselte oft schon nach einem Lied“, schmunzelt Rauh.

Erschwerte Bedingungen

Während der Krifteler Zeit entwickelte sich Alexander Grün musikalisch weiter. Er wurde promoviert und wechselte 2019 an die Oper in Mannheim. Im September 2019 übernahm Konstantin Karklisiyski die Quintessenz. Damit hatte der Chor einen qualifizierten Leiter gefunden. Karklisiyski hat Chor- und Orchesterdirigieren in Sofia, Leipzig und Frankfurt studiert. Außerdem ist er ein hervorragender Cellist. Trotzdem wollten einige Sängerinnen und Sänger den Wechsel nicht mitmachen und verließen den Chor.

Danach brach eine schwierige Zeit für alle Chöre weltweit an – die Corona-Pandemie. Ab März 2020 waren Proben in Präsenz kaum noch möglich, Online-Proben wurden organisiert. Später traf man sich im Freien im Hof des Vereinshauses des Kleingärtnervereins Kriftel. Konstantin Karklisiyski brachte zu den Proben sein E-Piano mit. Trotz großer Bemühungen des Chorleiters führten die erschwerten Umstände zu weiteren Austritten. Besonders die männlichen Stimmen im gemischten Chor Quintessenz wurden rar. Trotz aller Schwierigkeiten wurde im Oktober 2021 das Konzert „Herzenswärme“ in Kriftel mit reduzierter Besucherzahl aufgeführt.

Anfang 2023 rief die Quintessenz zu dem Chorprojekt „Mittsommer rund um die Ostsee“ auf. Man erhoffte sich, durch das Projekt neue Sängerinnen und besonders Sänger zu finden. Das Interesse an der ersten Probe war sehr groß, geblieben sind von den neuen Interessenten ausschließlich Frauen. Das Konzert, das in der Evangelischen Auferstehungskirche im Juni 2023 stattfand, war ein großer Erfolg. Danach verließen allerdings die letzten beiden verbliebenen Männer den Chor.

Projekt gemeinsames Singen mit dem Männerchor

Im Liederkranz beschloss man, zu versuchen – zunächst als Projekt – Männerchor und Quintessenz zusammenzubringen. Praktisch bedeutete dieses, dass bei den Proben der Quintessenz die Männer hinzukamen und die Frauen umgekehrt die Proben des Männerchores besuchten. Wechselweise haben beide Chorleiter, Konstantin Karklisiyski und Sebastian Wagner, die Lieder mit den Sängerinnen und Sängern eingeübt. Erschwerend zu der gesamten Situation kam hinzu, dass der Gesangverein Liederkranz sich langfristig aus finanziellen Gründen von einem der drei Chorleiter trennen wollte. Der Versuch des gemeinsamen Singens dauerte bis zum Adventskonzert, das alle drei Chöre des Liederkranzes, Männerchor, gemischter Chor „Quintessenz“ und Frauenchor „ChoryFeen“, durchführten. Im Januar stimmten Quintessenz und Männerchor über eine mögliche Zusammenlegung ab. Während bei den Frauen der Quintessenz alle für eine Fusion von gemischtem Chor und Männerchor stimmten, waren sich die Männer nicht so einig, die Hälfte stimmte für die Fusion, die andere dagegen. Bei weiteren internen Diskussionen im Männerchor kamen die Sänger zu der Überzeugung, die Fusion mit der Quintessenz nicht zu befürworten, was die Vorsitzende des Gesangsvereins Liederkranz, Engellie Stern-Krecker, den Sängerinnen der Quintessenz mitteilte.

Bei der Jahreshauptversammlung 2024, siehe Bericht in den Krifteler Nachrichten vom 28. März, kam es dann zu einer endgültigen Abstimmung. „Ein Mitglied des Männerchores, das es vorgezogen hatte, auf die gemischten Chorproben zu verzichten, brachte den Antrag ein, der Männerchor möge als solcher erhalten bleiben“, erläutert Jutta Debnar-Daumler. Bei der Abstimmung stimmten alle Männer gegen eine Fusion mit dem gemischten Chor, die Frauen enthielten sich. Bodo Knopf, der Sprecher des Männerchores, hatte schon bei der Mitgliederversammlung betont, dass es sich bei der Entscheidung um rein musikalische Gründe handele. Zu dem Thema befragt, erläuterte er, dass durch das gemeinsame Singen mit den Frauen, die Männer in eine andere Tonlage wechseln müssten und dieses hätten viele nicht geschafft. Als Beispiel führte er das beim Adventskonzert in St. Vitus vorgetragene „Ave-Maria“ an bei dem einige Stimmen „abgerutscht“ seien, die Frauen aber die Situation hätten retten können. Er persönlich hätte die Fusion befürwortet, da er der Meinung sei, Frauen würden Männer motivieren.

Die Enttäuschung der Mitglieder der Quintessenz über die Entscheidung war groß, vor allen Dingen auch deshalb, weil Konstantin Karklisiyski eine Kündigung zum 31. März erhalten hatte. Gabriele Rauh betonte, dass Karklisiyski bis zum Schluss die Proben geleitet habe und versuchte die Singenden zu motivieren. Dafür seien alle sehr dankbar. Ein Singen beim Frauenchor „ChoryFeen“ ist für die meisten Quintessenz-Mitglieder keine Alternative, da sie den gemeinsamen Gesang mit Männerstimmen bevorzugen. Auch der Vorschlag der Quintessenz, eine Woche in einer gemischten Besetzung, in der nächsten Woche als reiner Männerchor unter der Leitung von Sebastian Wagner zu proben, wurde nicht umgesetzt.

Für die Musikszene in Kriftel ist die Auflösung der Quintessenz ein großer Verlust. Wer noch einmal in Erinnerungen an die Konzerte schwelgen möchte, kann dieses auf der Homepage des Gesangvereins Liederkranz tun. Einen Trost gibt es: Im Gespräch mit Jutta Debnar-Daumler und Gabriele Rauh wurde klar, dass die Sängerinnen das Singen nicht aufgeben werden, sondern sich hierfür eine neue Heimat suchen werden. Weiter kann man sicher sein, dass Konstantin Karklisiyski seinen erfolgreichen musikalischen Weg fortsetzen wird.

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