Den Lebenden zur Mahnung

Volkstrauertag: Gedenken an Opfer von Krieg und Gewalt / Bürgermeister ruft zur Mitarbeit am Frieden auf

Die Freiwillige Feuerwehr Hattersheim hielt die Ehrenwache am Mahnmal auf dem Hattersheimer Friedhof.
(Fotos: A. Kreusch)

HATTERSHEIM (ak) – Nachdem der Hattersheimer Frauenchor Cantabile die Gäste der Gedenkstunde zum Volkstrauertag am Mahnmal auf dem Hattersheimer Friedhof mit „Der Herr ist mein Hirte“ wunderbar eingestimmt hatte, begrüßte Bürgermeister Klaus Schindling die Vertreter des Magistrates und der Stadtverordnetenversammlung, der Parteien und Vereine sowie Bürger aus allen drei Stadtteilen mit diesem Zitat von Konrad Adenauer: „Frieden und Freiheit, das sind die Grundlagen jeder menschenwürdigen Existenz.“

Schindling bedankte sich bei allen, die gekommen waren, um der Opfer von Krieg und Gewalt aus Deutschland und vielen anderen Ländern der Welt zu gedenken. „Diese Menschen mussten viel zu jung sterben, weil Freiheit und Frieden der Boden entzogen worden war“, sagte Schindling, „weil Frieden und Freiheit eben nicht selbstverständlich waren.“ Er erinnerte an die Schrecken der beiden Weltkriege und an die Diktatur des Nationalsozialismus in Deutschland, die so viele Opfer unter Soldaten und Zivilisten gefordert hatten, an Gefangene und Flüchtende, an Widerständler, an verfolgte Juden und Angehörige ethnischer Minderheiten, „die nicht in das rassistische Bild der Nationalsozialisten passten“. „Auch wir hier in Hattersheim haben Gefallene aus beiden Weltkriegen und ermordetete jüdische Mitbürger zu beklagen“, stellte der Bürgermeister fest und zitierte Henry Miller: „Jeder Krieg ist eine Niederlage des menschlichen Geistes.“

„Nie wieder! So muss die Botschaft dieses Tages für uns alle lauten“, setzte Schindling seine Rede fort. „Diese Lektion müssen wir aus den Ereignissen des 20. Jahrhunderts und unserer Zeit lernen: rechtzeitig zu erkennen und einzuschreiten, wenn Bürgerrechte ausgehöhlt und Menschenrechte mit Füßen getreten werden.“ Schindling mahnte, menschlichem Leid gegenüber niemals gleichgültig zu sein. „Zivilcourage ist kein bloßes Wort, es ist das Lebenszeichen einer menschlichen Gesellschaft.“ Schindling führte weiter aus, dass der Zweite Weltkrieg und die NS-Diktatur zwar lange zurückliegen, aber ihre Schatten bis heute reichen würden. „Und auch jetzt, während wir hier gedenken, kämpfen woanders Menschen um ihr Leben oder sind in ihrer Freiheit bedroht. Ob in Syrien oder irgendwo in den Weiten Afrikas: die Frage nach Krieg und Frieden ist aktuell geblieben, die Geschehnisse in der Welt werden uns durch die Medien jeden Tag frei Haus geliefert. Flüchtlingsströme aus aller Welt sind unterwegs und machen uns eines deutlich: Frieden ist noch lange nicht.“

Vor diesem Hintergrund setze das Gedenken am Volkstrauertag ein Zeichen, denn es erinnere an die Schicksale der Opfer und frage danach, welche Schlüsse sich aus der Vergangenheit ziehen lassen und welche Werte heute wichtig sind. Obwohl sich viele der Konflikte in entfernten Ländern ereigneten, sei es nicht nur ein Gebot der Mitmenschlichkeit, nicht wegzuschauen, sondern auch ein Gebot der Vernunft, zu versuchen, solche Krisen einzudämmen. „Denn Konflikte greifen oft und manchmal sehr schnell über ihren Ursprungsort hinaus“, machte Klaus Schindling deutlich. „Und wie Sie wissen, sind wir ja auch in einige dieser fernen Konflikte involviert. Seit fast zwanzig Jahren beteiligt sich Deutschland an internationalen Einsätzen, seit fast elf Jahren stehen Truppen in Afghanistan. Das ist länger, als die beiden Weltkriege zusammen gedauert haben!“

Dass es kaum im öffentlichen Bewusstsein der Deutschen präsent sein, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten im Ausland kämpfen und ihr Leben riskieren, erklärte er mit der geografischen Entfernung zu den Einsatzorten, aber auch damit, dass man sich in „unserem friedlichen Land“ kaum vorstellen könne, „wie das ist, an einem Krisenherd zu agieren und in Kämpfe verwickelt zu werden“. Obwohl viele sich das auch vielleicht gar nicht vorstellen wollten, sei man es doch diesen Soldaten schuldig, dass man sich mit ihrer Lage und mit ihrem Auftrag auseinandersetzt und ihnen eine stichhaltige Begründung und genaue Zielvorgabe für ihren Auftrag gibt. „Ebenso müssen wir uns der Tatsache stellen, dass einige von ihnen verletzt oder traumatisiert zurückkehren und dann mehr Unterstützung brauchen, als sie heute finden“, meinte Schindling.

Erinnern und handeln
Jeder Einzelne müsse sich angesichts der weltweiten Konflikte fragen, ob er und seine Gesellschaft denn genug Wirksames zur Vermeidung von Krieg, Gewalt und Terror tut. „Das heißt: erkennen wir auch schon hier bei uns in Hattersheim, ganz im Kleinen, Konflikte, Gewaltpotentiale und Unfrieden“, erklärte Schindling die Fragestellungen, „und: treffen wir aktiv Entscheidungen, um zu beschwichtigen, zu moderieren, aufzuklären – oder sehen wir weg und drehen uns um?“

Bürgermeister Klaus Schindling erinnerte daran, dass man in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf Annäherung und Aussöhnung gesetzt habe. „Dieser Weg war oft nicht leicht, aber er erwies sich als gangbar und wirkungsvoll“, resümierte Schindling. „Er hat zu Verständigung und einer immer größeren Einigung geführt und unserem Kontinent die längste Friedensepoche seiner Geschichte gebracht.“ Heute erlebe man, wie sich auch schon in Städten und Gemeinden wegen zum Teil nichtiger Anlässe roher Streit und Missgunst herausbildeten. „Das sollte uns aufmerksam machen und wir sollten uns gegen solche Entwicklungen stellen“, forderte der Bürgermeister auf, „denn die Versöhnung, die 1945 fast utopisch wirkte, hat wirklich stattgefunden und sie gilt es nachhaltig zu schützen!“ Gerade in Deutschland wisse man aus seiner Geschichte heraus genau, dass Freiheit und Demokratie nicht von alleine entständen und erhalten blieben, vielmehr brauche beides Menschen, die sie erkämpfen und bewahren, schützen und stärken. „Die Werte, die unsere Gesellschaft bilden, sind keine selbstverständlichen Güter“, bekräftigte Schindling, „und deshalb kommt dem Volkstrauertag als Gedenktag nach wie vor ein hoher Stellenwert zu, denn er sensibilisiert dafür, bedrohliche Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen, jeden Menschen ungeachtet seiner Herkunft und Religion zu achten und Frieden und Freiheit hoch zu schätzen.“ Hattersheims Bürgermeister betonte, dass er und alle Anwesenden dankbar dafür sein könnten, in Frieden in einer Stadt wie Hattersheim leben zu können.

Danach ging Klaus Schindling durch die Reihen der Ehrenwache der Freiwilligen Feuerwehr Hattersheim, um die Schleifen des zuvor niedergelegten Kranzes zu entfalten und zusammen mit allen Teilnehmern der Veranstaltung in stillem Gedenken innezuhalten.
Beschlossen wurde die diesjährige Gedenkstunde zum Volkstrauertag wieder vom Frauenchor Cantabile, welcher mit beeindruckend klaren Klängen „Die Uhr“ von Carl Loewe intonierte.

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