Der Älteste verzichtete für den Jüngsten

BISCHOFSHEIM (gus) – Der Verein selbst hat zweifellos schon prallere Zeiten erlebt, aber seine Premium-Veranstaltung lebt ungebrochen fort. Das 19. Motorradtreffen der Bischofsheimer Auto-Motor-Sport-Gemeinschaft (AMSG) auf dem Vereinsgelände am Ginsheimer Sand fand am Wochenende wieder großen Zuspruch, nachdem im Vorjahr das regnerische Wetter viele Teilnehmer abgehalten hatte, an den Main zu kommen. Besonders am Samstagabend, als alle gemeinsam mit den Freunden feierten, wurde es eng in der Feierzone, die wieder um ein Festzelt erweitert war.
Die vielen Autos auf dem Parkplatz vor dem Gelände zeigten, dass die Motorradfreunde auch viele Sympathisanten unter den Verkehrsteilnehmern haben, die ein vierrädriges Gefährt bevorzugen.
Auch wenn die treuen Fans des Treffens bei Musik, Bier und Smalltalk den gewohnten Rahmen geboten bekamen, gab es in diesem Jahr doch eine Besonderheit: Die aufgebaute Bühne blieb am Samstagabend leer. „Molly Alone wollte nicht auf die Bühne“, erläutert AMSG-Sprecher Rolf Kerner dies. Die Büttelborner Irish-Folk-Musiker mochten sich partout nicht über die Zuhörer erheben. Die beiden Brüder Robert und Andreas Hoffmann platzierten sich lieber inmitten der Zuhörer im Zelt. Die Bühne wurde stattdessen zur Kampfarena, wo sich Paare oder auch Einzelkämpfer im Tischfußball probieren konnten.
Natürlich waren auch die „Benzingespräche“ und die stillen Gespräche am Lagerfeuer etwas abseits der Hütten unverzichtbar. Ein für den Spät-September sensationell sternenbehangener Himmel schuf den romantischen Rahmen, auf den auch viele der scheinbar so harten Biker stehen.
Die ersten Biker waren wie gewohnt am Freitagnachmittag am Vereinsgelände angetroffen und bauten unbeeindruckt von den doch inzwischen empfindlich kalten nächtlichen Temperaturen ihre Zelte im vorderen Bereich auf. Am Abend brannte das Lagerfeuer zum ersten Mal, die sich teilweise seit vielen Jahren kennenden Teilnehmer aus ganz Deutschland tauschten die Erfahrungen des vergangenen Jahres aus.
AMSG-Vorsitzender Reiner Möller hatte die Route für den traditionellen Samstagsausflug ausgearbeitet. Es in diesem Jahr wieder einmal in die Weindörfer Rheinhessens, zwölf Fahrer beteiligten sich an dem Trip. Eigentlich ist die Führung der Ausfahrt Kerners Job, aber der ist nach einem Unfall mit seinem Motorrad noch nicht wieder ganz tauglich für solche Aufgaben.
Standardgemäß dagegen ist es Möllers Job, am Samstagabend die Preise zu überreichen, die der AMSG jährlich an seine Gäste auslobt. Fünf Kategorien kennt die Liste, aber nicht in jedem Fall machten die Teilnehmer mit: Der Gewinn der Kategorie „Der oder die älteste Teilnehmer/in“ wäre wie im vorigen Jahr eigentlich an den 76-jährigen Willi Heiser aus Monsheim gegangen. „Er hat aber verzichtet – für den Jüngsten“, berichtete Kerner. Warum nicht 'mal was anders machen? lautet die Devise, und schon hielt Dennis Thom (Wurmberg) die Trophäe in der Hand.
Wichtiger ist es den Teilnehmern schon eher, in der nächsten Kategorie selbst zu gewinnen. Das älteste Motorrad beim AMSG-Treffen war diesmal eine BMW R 25/2 aus dem Jahr 1952, und da einem Motorrad selbst Pokale ziemlich schnurps sind, nahm der stolze Besitzer Joachim Ott (Kreuzwertheim) ihn stellvertretend in Empfang. Eine ausgesprochen schöne Machine, die nur einen Nachteil hat: In ihrem standardmäßigen Schwarz war die Maschine in der dunklen Bischofsheimer Nacht kaum zu entdecken, da half auch die Platzierung neben der Bühne nicht.
Ausgezeichnet wird auch die größte angereiste Gruppe, hier ist die Z 1300-IG, die der gleichnamigen Kawasaki-Maschine huldigt und seine Mitglieder über die ganze Republik verstreut hat, nicht zum ersten Mal am besten aufgestellt.
Selbstverständlich ebenso geehrt werden die am weitesten angereisten Teilnehmer. Zwei Fahrerinnen des MC Neuhofen aus dem Rhein-Pfalz-Kreis stellten diese bei den Frauen, wobei Kassenwartin Angelika Delder das Lenkrad beim Losfahren um ziemlich genau 500 Meter weiter hinten hatte als Vereinskollegin Melanie Bleh.
Bei den Männern, die traditionell die klare Mehrheit unter den Hardcore-Bikern stellen und entsprechend auch schon mal von weiter weg die Reise an die Mainspitze antreten, hatte Winfried Günther aus Diepholz mit seinen 430 Kilometern Anfahrtstrecke den Pokal sicher. Auf seiner Z 1300 soll der beinamputierte Biker lockere 460.000 Kilometer hinter sich haben, berichtet Kerner. Das wäre dann gut elf Mal rund um den Globus. Der Mann hat also bestimmt schon alles gesehen, was die Welt zu bieten hat – oder zumindest Deutschland und Europa.
Zum Abschluss der Treffen gibt es am Sonntagmorgen immer ein ausgiebiges Frühstück, bevor dann die Rückfahrten beginnen – am Montag wartet schließlich wieder der Job. Einen guten Job durften die Teilnehmer einmal mehr den Bischofsheimer Bikern bestätigen, denn der AMSG ist nicht gerade von Mitgliedern gesegnet. „Wir sind nur noch 15 Leute, davon sieben aktive Motorradfahrer“, nennt Kerner die aktuellen Zahlen. So werden eben Familie, Verwandte und Freunde eingespannt, um die Herausforderung der Treffen zu bewältigen.
Das Vereinsgelände gibt die nötige Infrastruktur weitgehend her, so dass der bauliche Aufwand für die Motorradtreffen begrenzt ist. Aber Organisation, Bewirtung und Verpflegung wollen gestemmt werden – auch beim 19. Mal hat der AMSG dies am vergangenen Wochenende zur vollen Zufriedenheit seiner Gäste bewältigt.
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