Verbale Rangeleien in kritischer Lage

Kitaplätze: Viererbündnis stimmt für Magistratsvorlage – Ausbau der „Pusteblume“ vom Tisch

FLÖRSHEIM (noe) – Die Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung vom Donnerstag, 24. November, war nicht nur wegen des überaus wichtigen Anlasses eine denkwürdige Veranstaltung, führte sie doch dem Beobachter in aller Deutlichkeit vor Augen, wie es um die Diskussionskultur im Flörsheimer Stadtparlament bestellt ist.

Das höchste Gremium der Stadt hatte über eine Magistratsvorlage zu beraten und zu beschließen, die aus einem gemeinsamen Antrag der Stadträte von CDU, dfb, FDP und GALF bezüglich der Schaffung weiterer Plätze im Kindertagesstättenbereich hervorgegangen war. In einer am 23. November veröffentlichten Pressemitteilung hatte sich Bürgermeister Michael Antenbrink teils zustimmend, teils kritisch zu den einzelnen Punkten der Vorlage, die er insgesamt entschieden ablehnte, geäußert. Antenbrink hatte seine Bereitschaft betont, „an einer konstruktiven und zielführenden Lösung im Interesse der betroffenen Eltern und Kinder mitzurbeiten“. Zugleich hatte er aber auch das Viererbündnis dazu aufgefordert, den Vorschlägen der Verwaltung Vertrauen zu schenken. Im Laufe der Sondersitzung des Stadtparlamentes wurde allerdings klar, dass sich das Vertrauen – zumindest auf den Rathauschef bezogen – in engen Grenzen hält.

Angelpunkt war die weitere Vorgehensweise in Sachen „Pusteblume“: den von Bürgermeister Antenbrink geforderten und bereits bis an den Rand der Umsetzung beförderten Ausbau der Kindertagesstätte an der Frankfurter Straße lehnte das Viererbündnis entschieden ab. Eine siebengruppige Einrichtung sei grundsätzlich, gerade aber an dieser Stelle völlig unangebracht, sagte die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr im Stadtparlament. Trotz der im Ortsbeirat Weilbach geäußerten Bedenken habe der Bürgermeister das von ihm präferierte Projekt unablässig vorangetrieben, um Fakten zu schaffen, mit denen die Stadtverordneten zu einer Abstimmung gegen ihren Willen, aber in seinem Sinne gezwungen werden sollten.

Die vom Land Hessen für den Ausbau der Pusteblume bewilligten Fördermittel in Höhe von 2,2 Millionen Euro seien laut Bürgermeister zweckgebunden zu verwenden, so Mohr. Auf Nachfrage habe sich das zuständige Ministerium allerdings gesprächsbereit gezeigt. Der GALF, bekräftigte Mohr im Rahmen eines Pressegespräches am 29. November, sei nämlich mitgeteilt worden, dass die Fördersumme auch dann in Anspruch genommen werden könne, wenn zweigleisig vorgegangen wird. Demnach müsse parallel zur Errichtung einer provisorischen Kita, üblicherweise in Modulbauweise, der Bauantrag zu einer dauerhaften Kita gestellt werden.

Eine dauerhafte dreigruppige Kinderbetreuungseinrichtung könnte eines Tages in Weilbach, und zwar auf dem (derzeitigen) städtischen Spielplatzgelände im Bereich Faulbrunnenweg/Berliner Straße, stehen. Bereits im Sommer 2017 könne mit dem Betrieb einer vorübergehenden Einrichtung für zwei U3-Gruppen und eine Ü3-Gruppe gestartet werden, denn dafür, sagte Mohr am Dienstag gegenüber der Presse, liege bereits ein Bebauungsplan vor. Bei den „Bauten“ handelt es sich freilich um Container. Diese könnten kurzfristig auch in der Hauptstraße auf einer Freifläche vor den Vereinsheimen von SV Flörsheim und DJK Flörsheim platziert werden, um drei Ü3-Gruppen und bis zu zwei U3-Gruppen unterzubringen.

Es müsse nun darum gehen, schnelle Lösungen anzubieten, ohne die Betreuungsqualität allzu sehr zu beeinträchtigen, rechtfertigte die GALF-Fraktionsvorsitzende sowohl im Stadtparlament als auch während des Pressegespräches die geplante Errichtung der Provisorien. Diese müssten von dauerhaften, qualitativ hochwertigen und im Optimalfall drei- bis viergruppigen Betreuungseinrichtungen abgelöst werden, die nicht nur pädagogisch sinnvoller, sondern auch attraktiver für Erzieherinnen und Erzieher seien. Schließlich müsse es auch darum gehen, gut ausgebildetes und motiviertes Betreuungspersonal nach Flörsheim zu holen.

Kernstück des „Antenbrink-Plans“
Auch Bürgermeister Antenbrink hält eine Bewältigung des Problems – in Flörsheim fehlen laut neuestem Listenabgleich rund 170 Kitaplätze – ohne Provisorien nicht für möglich. Die von den Stadträten des Viererbündnisses vorgeschlagene Übergangslösung in der Hauptstraße habe er zuvor in den Magistratsrunden eingebracht, betonte der Bürgermeister in seinem langen Redebeitrag zur Sondersitzung des Stadtparlaments, der sich an der Pressemitteilung vom Vortag orientierte. Auch die in der Magistratsvorlage angeführte Aufgabe der Schulkinderbetreuung in der katholischen Kita St. Katharina (Wicker) zugunsten einer weiteren Ü3-Gruppe und die Erweiterung der evangelischen Kita Regenbogenland (Flörsheim) um mindestens eine Ü3-Gruppe sei auf seine Initiative zurückzuführen, so Antenbrink.

Kernstück des „Antenbrink-Plans“ war allerdings der Ausbau der Kita Pusteblume für 2,7 Millionen Euro abzüglich der Fördermittel in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Dort hätten nach der Erweiterung in sieben Gruppen insgesamt 136 Kinder betreut werden können. Die Inanspruchnahme von Fördergeldern in der bewilligten Höhe sei nur im Falle des Projektes Pusteblume möglich, da die Mittel binnen drei Jahren zweckgebunden verwandt müssten, so der Bürgermeister. Wenn die erst noch zu prüfenden topographischen Verhältnisse auf dem Spielplatzgelände im Bereich Faulbrunnenweg/Berliner Straße den Bau eines dauerhaften Kitagebäudes erlauben sollten, müssten dennoch mindestens fünf Jahre bis zum ersten Spatenstich ins Land gehen, gab der Bürgermeister mit Blick auf die erst noch in Angriff zu nehmenden Bauplan- und Genehmigungsverfahren sowie Ausschreibungen zu bedenken.

Vorübergehende Einrichtungen würden nicht gefördert, betonte Antenbrink mehrmals im Stadtparlament. Daher wären die Kosten für die Errichtung und den Rückbau einer provisorischen Betreuungseinrichtung auf dem Spielplatzgelände in Weilbach „in Höhe von 1,5 bis 2 Millionen Euro gegenüber einer dauerhaften Lösung vollständig verloren“. Bei Ablehnung des Bauprojektes in der Frankfurter Straße, so Antenbrink, „käme zu den bislang aufgelaufenen Kosten von 20.000 Euro wahrscheinlich noch ein an das Architekturbüro zu zahlendes Ausfallhonorar, dessen Höhe noch nicht zu beziffern“ sei, hinzu.

Interfraktionelle Arbeitsgruppe
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Marcus Reif warf dem Bürgermeister indes vor, gemeinsam mit der SPD eine „Drohkulisse“ aufzubauen, um den Ausbau der Kita Pusteblume doch noch durchdrücken zu können. „Ihre Taktik“, wandte sich Reif an den Bürgermeister, „lautet: so lange warten, bis man nicht mehr anders kann und die Fördermittel nehmen muss!“ 

Sicherlich gebe es zu der Alternative am Faulbrunnenweg noch offene Fragen zu klären – das gelte aber erst recht in Sachen Frankfurter Straße. Die laut Magistratsvorlage kurzfristig zu schaffende dauerhafte drei- bis viergruppige Einrichtung auf dem Gelände der Gustav-Stresemann-Anlage – Bürgermeister Antenbrink hatte sich sowohl in seiner Pressemitteilung als auch in seinem Redebeitrag vehement dagegen ausgesprochen – sei „zugegebenermaßen nicht optimal“, räumte Reif ein. Deshalb werde man von diesem Vorhaben auch Abstand nehmen und nach einem anderen Standort suchen.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende begrüßte den Vorschlag der SPD, eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zu bilden, um sich gemeinsam mit dem Bürgermeister sowie dem zuständigen Kämmerer und Sozialdezernenten zeitnah und konstruktiv zu beraten. Die von der SPD beantragte Verweisung der Magistratsvorlage in die Ausschüsse lehnte Reif jedoch ab. Nun gelte es, Farbe zu bekennen, erklärte Reif; gleichwohl reiche die CDU der Gegenseite durch die Aufnahme der erwähnten Elemente aus dem SPD-Antrag die Hand.

Weit weniger harmonisch ging es in den heftigen verbalen Rangeleien zu, die sich (nicht nur) der CDU-Fraktionsvorsitzende mit dem Bürgermeister lieferte. Zwar betonten alle Involvierten stets, an einer konstruktiven Diskussion interessiert zu sein und fruchtlosen Streit vermeiden zu wollen; die Wirklichkeit belehrte den Beobachter eines Besseren. Der Bürgermeister witterte etwa eine Bevorzugung der GALF durch das (grüne) Ministerium; die GALF habe eine zwar inhaltlich unbrauchbare, dafür aber immerhin überraschend schnelle Antwort in ihrem Sinne erhalten, so Antenbrink mit Blick auf deren Korrespondenz in Sachen Fördermittel. Er wolle aber in diesem Zusammenhang keineswegs von einer „grünen Bananenrepublik“ sprechen, merkte der Bürgermeister spitz an. Die empörte Reaktion der GALF folgte prompt: man habe nichts anderes getan, als bei der zuständigen Stelle um Informationen zu bitten, erwiderte die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr. Dabei sei man allerdings höflich gewesen und nicht mit der Tür ins Haus gefallen.

Außerdem, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, zitierte der CDU-Fraktionsvorsitzende aus einer privaten E-Mail Antenbrinks an die SPD. Er werde es der „Viererbande“ geben und wolle sie in „ihre Einzelteile zerlegen“, hieß es darin. „Hier werden Lügen verbreitet“, empörte sich der Bürgermeister zunächst. Später räumte er ein, diese E-Mail doch geschrieben zu haben; er habe sich in der Situation nur nicht an ihren Wortlaut erinnern können. Anzumerken ist: Gewiss sind im Stadtparlament schon schlimmere Formulierungen zu hören gewesen, dennoch sind sie bezeichnend für die herrschende politische Atmosphäre. Bezeichnend ist aber auch, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende diese E-Mail erstens erhalten und zweitens als Pfeil im Parlament abgeschossen hat.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X