Der Kampf geht weiter

„Dirty Landing“: kein trauriges Ende, sondern trotzige Bekräftigung des Widerstands

 

FLÖRSHEIM/Hattersheim (idl) – Hans Jakob Gall, Vorsitzender des Vereins „Für Flörsheim e. V.“ stellte es bei der Begrüßung der Teilnehmer der Kundgebung „Dirty Landing“ am vergangenen Freitag auf dem ehemaligen Hertie-Gelände noch einmal deutlich heraus: „Wir sind keine Gegner des benachbarten Flughafens, sondern Gegner des unsäglichen Ausbaus.“
Eine Aussage, der sich das Gros der Menschen im dicht besetzten Zelt anschloss. Rund 750 Flörsheimerinnen und Flörsheimer sowie zahlreiche Teilnehmer aus umliegenden Städten und Kommunen protestierten am vergangenen Freitag friedlich gegen die Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest, die die Mainstadt, ihre Ortsteile und Nachbargemeinden mit erheblichem zusätzlichem Lärm belasten wird.
„Lärm ist der gesundheitsschädliche Zins, den wir für das Kapital des Flughafens zu zahlen haben“, machte Gall seinem Unmut Luft und traf mit seiner Aussage die Gemütslage der Kundgebungsteilnehmer, die bei kaltem, nebelgrauem Herbstwetter die Ankunft der Maschine mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an Bord erwarteten.
Der fröhlich-festlichen Eröffnungsfeier des Flughafenbetreibers Fraport, den die erste Landung auf der neuen Bahn zur Namensgebung „Happy Landing“ für seine Veranstaltung veranlasst hatte, stellte der Verein „Für Flörsheim“ ein deutliches „Dirty Landing“ entgegen. „Happy Landing“, eine Formulierung, die jeder betroffene und wütende Bürger als geradezu zynisch und menschenverachtend empfinden muss. Flugzeuge, die bei entsprechender Wetterlage Flörsheim in einer Höhe von gerade einmal 275 Metern überfliegen und damit einen ganzen Stadtteil mit über 3.000 Anwohnern mit einem unerträglichen Lärmteppich überziehen, können für die geplagten Menschen alles, nur kein Grund zur Freude sein.
Zum Krach der im Landeanflug befindlichen Flugzeuge gesellt sich der Lärm, den die Maschinen bei ihrem langen Weg zu den Gateways am Boden verursachen. „Dieser Lärm verträgt sich nicht mit den hier lebenden Menschen, der Flugbetrieb wird das Leben aller hier lebenden Menschen verändern. Und zwar auf negative Art und Weise. Und deshalb werden wir die uns aufgezwungene Opferrolle nicht hinnehmen. Unser friedlicher und nach wie vor hartnäckiger Kampf wird heute und hier um 14.30 Uhr – mit dem Anflug und der Landung der ersten Maschine – neu beginnen.“, kündigte Hans Jakob Gall weiteren Widerstand gegen die Landebahn an.
Eine Aufforderung und ein Versprechen, dem sich Flörsheims Bürgermeister Michael Antenbrink gerne anschloss. „Südlich von hier feiern die Gewinner, aber wir haben ihnen die Festtagssuppe kräftig versalzen“, spielte Antenbrink auf das vom Hessischen Verwaltungsgericht verhängte (vorläufige) Nachtflugverbot an. „Dieses Salz haben wir mit unserem unermüdlichen Kampf gegen den Ausbau beigesteuert. Und darauf können wir stolz sein. Denn ohne unseren Kampf gebe es heute kein Nachtflugverbot auf Rhein-Main.“ Antenbrink gab sich optimistisch, dass die Entscheidung auf Länderebene auch auf Bundesebene Bestand haben wird. „Ohne unseren unermüdlichen Einsatz und das Engagement aller Ausbaugegner wären wir heute dem Lärm schutzlos ausgeliefert“, bedankte sich der Flörsheimer Bürgermeister bei den vielen Bündnissen und Initiativen. „Wir sind keine Profiteure, sondern Opfer des Ausbaus. Dafür muss es einen vernünftigen Ausgleich geben. Wir haben von niemandem etwas geschenkt bekommen, sondern uns unser Recht teuer erkämpfen müssen.“ Der Bürgermeister erinnerte an die „Millionen, die in die juristische Auseinandersetzung mit dem Flughafenbetreiber Fraport gesteckt wurden“.
Eine Argumentation, der sich seine Hattersheimer Amtskollegin, Bürgermeisterin Antje Köster, gerne anschloss. „Es kann nicht sein, dass von Seiten der Fraport nur über wirtschaftliche Schäden in Zusammenhang mit dem Nachtflugverbot gesprochen wird, aber die Frage nach der Gesundheit der vom Ausbau betroffenen Anwohner und deren wirtschaftliche Schäden nicht zur Sprache kommen“, ärgerte sich die Hattersheimer Verwaltungschefin. Es sei „skandalös, wie hier mit Menschen umgegangen wird“. In die Versetzung der TICONA würden 670 Millionen Euro investiert, dem stünden gerade einmal 150 Millionen für den zwingend erforderlichen Schallschutz gegenüber. „Aber wo haben wir denn den Lärmschutz, wenn er zehn Meter vor dem Kindergarten endet“, machte Köster ihrem Unmut Luft und forderte dazu auf, Fraport und Landesregierung in Fragen von Lärmschutz und Nachtflugverbot weiterhin die Stirn zu bieten. „Wenn das Böse die Dreistigkeit hat, muss das Gute wenigstens den Mut haben.“
Skeptisch äußerte sich der Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Groß-Gerau Walter Astheimer in Sachen Zukunft des Frankfurter Flughafens. Beim Bau der Startbahn West sei versprochen worden, dass der Flughafen – wenn überhaupt – nur innerhalb seiner Grenzen weiter ausgebaut würde. „Dieses Versprechen ist mit dem Bau der Landebahn Nordwest gebrochen werden“, brachte Astheimer in Erinnerung. Es falle einem daher schwer zu glauben, „dass jetzt wirklich mit dem Ausbau Schluss ist“.
Auf breite Unterstützung in der Zukunft setzte die Sprecherin der Bürgerinitiativen Petra Schmidt. „Jetzt werden auch die Menschen aktiv werden, die vorher nicht oder nur wenig vom Fluglärm betroffen waren“, ist sich Petra Schmidt sicher.
Der Überflug der ersten Maschine kurz nach 14.30 Uhr fiel wenig spektakulär aus. Das Flugzeug war im dichten Nebel optisch nicht auszumachen. Auch der Geräuschpegel hielt sich in Grenzen. Dass der Schwebeflug der Kanzlerin am oberen Ende der Überflughöhe repräsentativen Charakter haben könnte, diese Hoffnung währte nicht lange. Noch am gleichen Tag ging die Landebahn voll in Betrieb und bescherte den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern die komplette Breitseite an Lärm im Minutentakt. 
„Fluglärm macht krank“ stand auf dem 20 x 5 Meter großen Transparent, das die Veranstalter auf dem Dach des Zeltes angebracht hatten. Eine bittere Wahrheit, die man den Menschen in Flörsheim, Hattersheim und anderen maßgeblich von Fluglärm betroffenen Gemeinden gerne erspart hätte. Zynismus pur, wenn in diesem Zusammenhang von Politikerseite von „Sonderopfern“ gesprochen wird.

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Kommentare

Nichts wie weg!

Lebenswertes Hattersheim, das war einmal. Seit der Eröffnung der neuen Landebahn hat sich unsere Lebensqualität grundlegend geändert. Sie ist nämlich deutlich schlechter geworden. In meinen kühnsten Träumen wäre es mir nie eingefallen, welch einem Lärmteppich wir ausgesetzt werden. Im Minutentakt, speziell in den Abendstunden, werden wir einem Lärmterror unterzogen, der kaum zu ertragen ist. Aufheulende Turbinen, ein immer lauter werdendes Grollen, das schon fast an ein Beben erinnert.
Wir sprechen immer nur über Flugrouten. Hier handelt es sich jedoch um die Bodengeräusche. Wieso werden diese nicht gemessen?
Was bedeutet das für uns?
Keine frische Luft, da die Fenster geschlossen bleiben müssen. Keine Gartennutzung. Physische Belastung. Gereizte Nerven.
Kinder, die abends nicht einschlafen können.

Lebenswertes Hattersheim - leider Fehlanzeige. Da kann ich nur sagen, nichts wie weg.

Klaus-Dieter Buhmann, Hattersheim



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