Ab sofort geht's auch nebeneinander

Jahnstraße wird zur ersten Fahrradstraße im Main-Taunus-Kreis

Ein Fahrradfahren nebeneinander ist in der Jahnstraße, wo sich der KFZ-Verkehr den Radlern unterzuordnen hat, in Zukunft gestattet. 
(Fotos: R. Dörhöfer)

FLÖRSHEIM (drh) - Auch wenn es manchen Autofahrer zunächst zur Weißglut treiben wird, in der Jahnstraße haben Radfahrer ab sofort Vorrang und dürfen auch nebeneinander fahren. Am Dienstagnachmittag, 29. März, wurde die erste Fahrradstraße des Main-Taunus-Kreises nach einem langen Weg des Beratens und Abwägens offiziell eröffnet. „Es ist eine kleine Revolution“, meinte Bürgermeister Michael Antenbrink, der mit der Umkehr der Vorrechtsverhältnisse für Autofahrer und Radfahrer auf einen generellen Bewusstseinswandel und mehr Rücksichtnahme im Straßenverkehr hofft. Die Fahrradstraße soll dazu beitragen, dass Autofahrer grundsätzlich den Radlern im Straßenverkehr mehr Beachtung schenken und ein gleichberechtigtes Miteinander möglich wird.

In den Haushaltsberatungen 2010 brachten SPD und GALF erstmalig die Idee einer Fahrradstraße auf. Über die Jahre wurde immer wieder beraten, überlegt und nach Beispielen gesucht, da es im Main-Taunus-Kreis noch keine ähnliche infrastrukturelle Maßnahme gibt. Erst in Mainz-Kostheim gibt es die nächst gelegene Fahrradstraße. Letztendlich brachte das Radwegekonzept, das im vergangenen Jahr von der Hochschule Darmstadt erstellt worden war, den Ausschlag für die Umsetzung in Flörsheim. Die Hochschulexperten empfahlen die Einrichtung der Fahrradstraße in der Jahnstraße, da die Verkehrszählungen gezeigt hätten, dass die Straße als Zubringer der beiden weiterführenden Schulen täglich von mindestens 250 Radlern genutzt wird und an Spitzentagen gar bis zu 350 Fahrradfahrer durch die Jahnstraße fahren. Aufgrund des nicht mehr gestatteten Linksabbiegens in der Wickerer Straße sei die Straße auch nicht mehr allzu sehr vom PKW-Verkehr betroffen. Das Radwegekonzept ermittelte, dass der Radverkehr in Flörsheim nur sechs Prozent des Gesamtverkehrsaufkommens ausmacht. „Bei der Topographie der Stadt ist dieser Wert zu niedrig“, sagte Antenbrink. In Münster und Freiburg mache der Radverkehr schon heute 20 Prozent des Gesamtverkehrs aus. „20 Prozent wäre ein extrem ehrgeiziges Ziel. Dafür müssten die Bedingungen für Radfahrer in Flörsheimer noch erheblich verbessert werden. Mehr Radverkehr ist dennoch möglich“, so der Bürgermeister. Sobald sich die Stadtverordnetenversammlung konstituiert habe, solle ein erster Maßnahmenplan für weitere Projekte zur Verbesserung der Radlerinfrastruktur in die Gremien eingebracht werden. Die Öffnung der Einbahnstraßen für Radverkehr in der Wilhelm-Dienst-Straße und der Gallusstraße oder auch eine weitere Fahrradstraße am Konrad-Adenauer-Ufer könnten dazu gehören. Zunächst möchte die Verwaltung aber erst noch Erfahrungen mit der neuen Fahrradstraße sammeln. „Die Theorie vom Schreibtisch muss nicht unbedingt mit der Praxis der Radler übereinstimmen“, so Antenbrink. Es müsse sich beispielsweise zeigen, ob die jetzt gewählten Beschilderungen und Markierungen ausreichend seien und angenommen würden. 

An der 680 Meter langen Strecke stehen am Anfang und Ende Schilder, die die Fahrradstraße begrenzen und gleichzeitig die Straße auch für die KFZ-Verkehr öffnen. Ohne das Schild „KFZ-Verkehr frei“ sei die Straße sonst nämlich nicht für den motorisierten Verkehr freigegeben. „Theoretisch könnten wir die Fahrradstraße auch weiter beschränken. Anlieger frei wäre eine Möglichkeit“, so der Bürgermeister, der allerdings nicht glaubt, dass dies in der Jahnstraße nötig sein wird. Autofahrer dürfen somit weiterhin die Straße mit Tempo 30 befahren, müssen den Radfahrer aber Vorrang gewähren. Das Pilotprojekt der Fahrradstraße soll mit dem Ausbau eines Radweges entlang der Bahnstrecke möglichst eine Fortführung erhalten. Die Anbindung an die Auffahrt zur Opelbrücke sei nicht ganz so einfach, da die Fortführung in dieser Richtung größere bauliche Umbau- und Erneuerungsmaßnahmen erfordere. Die Schulen wie auch die Polizei seien im Projekt beteiligt gewesen, sodass die Straße beispielsweise nun auch in der Verkehrserziehung Beachtung finden könnte.

Die ersten Fahrradstraßen wurden in Deutschland Mitte der 90er Jahre geschaffen. Die Markierungen, Schilder und Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag schlugen mit 3.000 Euro in der Haushaltskasse zu Buche.

Die ersten Reaktionen der Radler zeigten überraschte Gesichter, und mancher drehte seinen Kopf noch einmal zurück, um einen zweiten Blick auf die große Markierung auf der Straße zu werfen. Dass die Autofahrer noch nicht ganz den Sinn und Zweck der Straße verstanden haben, zeigte sich darin, dass ein Autofahrer missgelaunt sein Fenster herunterließ und polterte: „Wie komm ich nun zu meiner Garage?“. Visionär gedacht könnte die erste Fahrradstraße des Main-Taunus-Kreises einmal Teil einer Fernradwegeverbindung zwischen Wiesbaden und Frankfurt werden. Dafür müsse dann aber beispielsweise der Wirtschaftsweg entlang der Bahnlinie nach Eddersheim hin auch ausgebaut werden. Das Ordnungsamt wird der Fahrradstraße mit mobilen Geschwindigkeitskontrollen in nächster Zeit besondere Aufmerksamkeit schenken.

 

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