Aktion und Ruhe gehören zusammen

Seit Montag werden im einstigen Hort die ersten Kinder in der "Bewegungskita" eingewöhnt

Die Spielgeräte sind da, die Wände noch etwas kahl: Einrichtungsleiterin Sabine Pelster freut sich mit der Ersten Stadträtin Renate Mohr und Bürgermeister Bernd Blisch (v. l.) darüber, dass es nun los gehen konnte in der Bewegungskita.

In dieser Kita fehlt es wahrlich nicht an Bewegungsangeboten. Das muss natürlich auch der Anspruch einer Einrichtung sein, die sich – es ist allerdings nur ein Arbeitstitel – „Bewegungskita“ nennt. Die Einrichtung im grundsanierten Nachbargebäude der Riedschule wird sicher bald schon einen heimeligeren Namen bekommen, aber das Schlagwort weist zumindest auf die Besonderheit hin, die die Stadt Flörsheim mit dieser neuen Ü3-Einrichtung verbindet.

Seit Montag wird in dem Gebäude mit seinen 340 Quadratmetern Nutzfläche die erste der beiden Gruppen eingewöhnt, die diese Kita einmal gemeinsam betoben sollen. Zwei Gruppen mit maximal je 25 Kindern werden in der neuen Einrichtung betreut werden. Die „Blaue Gruppe“ ist schon da, die „Rote“ wird folgen. Damit, betont die Erste Beigeordnete Renate Mohr (GALF), seien seit ihrer Amtsübernahme im vergangenen Jahr rund 90 zusätzliche Kitaplätze entstanden – die Nachfrage im Ü3-Bereich ist in der Stadt damit aktuell abgedeckt, dürfte allerdings in Zukunft weiter steigen.

Auch die Kinder in der neuen Einrichtung sollen einen entspannten Tag in der Einrichtung verbringen. Das klingt erst einmal nach einem Widerspruch bei einer „Bewegungskita“, aber genau das ist eben die Besonderheit bei solch einem Konzept: Die Kinder sollen sich ordentlich austoben, aber auch lernen, im Sitzkreis danach wieder zur Ruhe zu kommen. Dazu gibt es neben einem kleinen Chill-out-Raum auch Übungen mit Elementen des Yoga und des meditativen Tanzens.

Das ist keineswegs ein esoterischer Ansatz, sondern das Verständnis, dass Kinder sowohl Aktivitäts- wie Ruhephasen brauchen und dazu von den Erzieherinnen Anleitung benötigen. An der Förderung der Kreativität wird es auch nicht mangeln, zumindest nicht bei der ersten „Generation“ Kinder in dieser Kita. Denn die derzeit noch kahlen Flurwände sollen nach und nach bunter und voller werden. Wie, darüber werden die Kinder mitentscheiden. Fest steht lediglich schon, dass noch eine kleine Kletterwand eingebaut wird, erläutert Pelster. „Die Kinder können ausprobieren und erfahren, wo ihre Grenzen sind.“

Schon im abgetrennten Eingangsbereich befreien die Kinder bei der Ankunft ihre Füße von den klobigen Tretern, die sie für den Weg zur Kita zuhause so mühsam angezogen hatten. „Wir sind eine straßenschuhfreie Einrichtung“, erläutert die Kitaleiterin. Denn der Flur ist in dieser Einrichtung kein schnöder Verbindungsgang, sondern direkt der erste Bewegungsraum mit Spiel-, Fahr- und Klettergeräten.

Obwohl es bei den städtischen Einrichtungen nicht vorgegeben ist, dass die Kinder aus dem direkten Wohnumfeld der Einrichtung kommen, ist dies bei der Bewegungskita laut Pelster der Fall. Das zeigt, dass die Eltern offenbar überzeugt sind, dass ihre Zöglinge in der Kita ihres Stadtareals gut aufgehoben sein werden. Ob die maximale Anzahl von 50 Kindern erreicht wird, hängt davon ab, ob sich in der „Roten“ Gruppe, wenn diese ihren Betrieb aufnimmt, auch Kinder mit erhöhtem Betreuungsbedarf, sogenannte „I-Kinder“ anmelden werden.

In der „Blauen Gruppe“ war dies nicht der Fall, daher ging diese in der Maximalbesetzung an den Start. Sind „I“-Kinder unter den Aufgenommenen, müssen die Gruppen etwas verkleinert werden, um den intensivere Betreuungsaufwand aufzufangen. Daher hat die Stadt für die Rote Gruppe zunächst nur 20 Plätze vorgesehen, weiß aber noch nicht, ob es den Bedarf an I-Plätzen tatsächlich gibt.

Renate Mohr freut sich neben der Entlastung, die die Platznachfrage durch das neue Angebot bringt, auch darüber, dass die Stadt mit recht geringen Investitionen zu ihrer kleinen Perle gekommen ist. Besser wäre es gewesen, sagte sie, die Stadt hätte bereits 2017 einen Stadtverordnetenantrag umgesetzt, die damalige Flüchtlingsunterkunft zu schließen. Dass sie drei weitere Jahre als solche genutzt wurde, vermutet die Erste Stadträtin, hat die Investitionskosten für den Umbau durch die längere Abnutzung in die Höhe getrieben. So wurden die elf Flüchtlinge, die dort wohnten, erst im April dieses Jahres in anderen Einrichtungen untergebracht.

Das städtische Hochbauamt übernahm die komplette Bauplanung und -leitung. Die Fenster mussten ausgetauscht, die Leitungen ersetzt werden, die Raumaufteilung dagegen konnte beibehalten werden – einstmals errichtet wurde das Gebäude 1989 schließlich als Hort. Die Baukosten belaufen sich inklusive des Außenbereichs auf 350.000 Euro, für 80.000 Euro wurden die Spiel- und Bewegungsgeräte angeschafft. Für die somit 430.000 Euro Investition erhält die Stadt aber 357.000 Euro an Zuschüssen aus dem Kommunalinvestitionsprogramm (KIP). Normalerweise, so Mohr, kalkuliert die Stadt mit 800.000 Euro pro Kitagruppe, die sie neu aufbauen will.

Ob es auch für die Mehrkosten durch die Investitionen in die Bewegungsangebote Pilotprojekt-Fördermittel gibt, weiß die Stadt noch nicht genau. Auch nutzt die Stadt die Gelegenheit, zusätzliche Kinder mit Mittagessen versorgen zu müssen, um den Umstieg von Catering auf frisches Essen einzuleiten und stellt einen Koch ein, der auch für die künftige Naturkindergartengruppe "Wurzelkinder" zuständig sein wird. „Die Kinder verbringen immer mehr Zeit in der Einrichtung, da sollen sie auch erfahren, wie Mittagessen gemacht wird, dass es dann auch riecht in der Kita“, erläuterte Mohr.

Bürgermeister Bernd Blisch findet es besonders interessant, dass für die Kinder durch die direkte Nachbarschaft zur Riedschule der Übergang vom Kita- zum Schulleben erlebbar wird. Die Einrichtung wird übrigens, was die Gebühren und zubuchbaren Module angeht, genauso betrieben wie alle anderen städtischen Kitas auch, betonen Blisch und Mohr. Die ersten sechs Stunden sind also gesetzlich garantiert kostenfrei, darüber hinaus sind einzelne Zusatzleistungen gegen Gebühr erhältlich.

Weitere Artikelbilder:

Noch keine Bewertungen vorhanden


X