Außer Rand und Band

Stadtparlament beschließt Haushalt 2017 – Viererbündnis überstimmt SPD – Bürgermeister und Kämmerer in der Schusslinie

„Flora“ in schwerer See – Lauter fröhliche Gesichter, dabei sind große Teile der Mannschaft des Flörsheimer Narrenschiffes – nämlich die Rathausspitze und das Stadtparlament – hoffnungslos zerstritten.
(Foto: R. Dörhöfer)

FLÖRSHEIM (noe) – Am Donnerstag, 2. März, folgte die Stadtverordnetenversammlung der Empfehlung des Haupt- und Finanzausschusses und stimmte dem Haushalt 2017 zu. Der Beschlussfassung war am 23. Februar eine erste Beratung der einzelnen Anträge vorausgegangen, am darauffolgenden Donnerstag, unmittelbar vor der Sitzung des Stadtparlaments, wurde die nächste Runde eingeläutet. Die Diskussionen wurden mit unterschiedlicher Intensität geführt, die jeweiligen Wortführer beschränkten sich, von Ausnahmen abgesehen, auf das vom Antrag berührte Themenfeld. Das sollte sich kurz darauf, in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung, ändern.

46 Haushaltsanträge standen auf der Liste, zur Beratung und Beschlussfassung genügten zwei Stunden. Man kam also recht schnell voran. Knapp ein Viertel der Anträge wurde einmütig beschlossen, in einigen Fällen kam es – angesichts der Eskalation am späteren Abend durchaus bemerkenswert – sogar über eine Änderung respektive Ergänzung des Antragstextes zu einem Konsens.

Unstrittig war etwa der SPD-Antrag bezüglich des Neubaus und der Ausstattung des Feuerwehrgerätehauses in der Weilbacher Industriestraße. Insgesamt 950.000 Euro waren zu diesem Zwecke in den Haushalt eingestellt worden. Die Fraktionen waren sich einig, dass das Geld im Haushalt 2018 besser aufgehoben wäre, da die Maßnahme in Ermangelung entsprechender Fördermittel seitens des Landes nicht in diesem Jahr in Angriff genommen werden könne. Auch die von der SPD beantragte Verschiebung der Mittel zur Sanierung des Maindeiches (990.000 Euro) in das Haushaltsjahr 2018 wurde geschlossen unterstützt.

Dasselbe Abstimmungsergebnis erfuhr der SPD-Antrag zur Bereitstellung von insgesamt 20.000 Euro zwecks Anlage von Baumgräbern auf den Friedhöfen in Weilbach und Wicker. Hierbei wurde einem Änderungswunsch der CDU entsprochen, die eine Mittelfreigabe von der Vorlage des Bestattungskonzeptes in den Ortsbeiräten abhängig machen wollte.

Vorgeschmack auf den Disput
In der Sache herrschte also Einvernehmen, nichtsdestotrotz mischte sich in die Beratung ein Vorgeschmack auf den im Stadtparlament ausgetragenen Disput. Auslöser war die Mitteilung des Bürgermeisters, dass eine Prüfung die Realisierbarkeit von Baumgräbern sowohl in Wicker als auch in Weilbach ergeben habe. Das hatte der Wickerer Ortsbeiratsvorsitzende Christopher Willmy (CDU) nämlich bezweifelt – auf dem Wickerer Friedhof, so Willmy, sei eine Anpflanzung von Bäumen aufgrund des sehr hohen Wasseraufkommens im Boden äußerst problematisch. Die Mitteilung des Rathauschefs versetzte Peter Kluin (GALF) in Rage. Diese Vorgehensweise, so Kluin, habe Methode: Der Bürgermeister lasse die Verwaltung eines seiner Vorhaben prüfen, um es dann, wenn es sich als durchführbar erweisen sollte, der SPD vorzulegen, damit diese einen entsprechenden Antrag stellen könne. Die Empörung in den Reihen der Sozialdemokraten war erwartungsgemäß groß. Kluin verbreite Unterstellungen und ergehe sich in Frechheiten, erwiderte die SPD-Stadtverordnete Melanie Ernst.

Ohne Aussprache wurden die Anträge der SPD zur provisorischen Erweiterung der Weilbacher Kindertagesstätte „Pusteblume“ und zum Verkauf des Bauplatzes in der Rudolf-Diesel-Straße abgelehnt. Die Fraktionen des Viererbündnisses erkannten offensichtlich keinen Gesprächsbedarf und machten kommentarlos von ihrer parlamentarischen Mehrheit Gebrauch. Somit kam es auch nicht zu einer Neuauflage der Diskussionen, die sich vor nicht allzu langer Zeit in den Gremien ereignet hatten.

Über zwei andere Anträge, in diesem Fall von der CDU eingebracht, wurde dagegen bereits in der ersten Beratungsrunde heftig diskutiert. So wurde die von den Christdemokraten zunächst vorgeschlagene Beschränkung der Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen auf 4,8 Millionen Euro von Bürgermeister Antenbrink scharf kritisiert. Diese Summe werde nicht ausreichen, um alle notwendigen Ausgaben für die Vereine oder den Baubetriebshof zu tätigen, so Antenbrink. Eine Woche später wurde die beantragte Obergrenze zwar um 200.000 Euro auf 5 Millionen Euro erhöht, der Bürgermeister indes erneuerte seine Warnung: „Das führt zu gravierenden Kürzungen in allen Bereichen.“ Die SPD stimmte gegen den Antrag, der jedoch mit den Stimmen des Viererbündnisses angenommen wurde. Zu demselben Abstimmungsverhalten kam es auch beim CDU-Antrag hinsichtlich Stellenplan. Hier müsse klargestellt werden, dass es keinesfalls darum gehe, den Mitarbeitern der Stadtverwaltung Gehaltserhöhungen oder Beförderungen zu verbauen, betonte Michael Kröhle (CDU). Zur Untermauerung änderten die Christdemokraten ihren Antrag: anstatt, wie ursprünglich vorgeschlagen, den Stellenplan auf dem Niveau der zum 31. Dezember 2016 besetzten Stellen einzufrieren, soll der Stellenplan 2016 auf 2017 fortgeschrieben werden.

Die Gunst der Stunde
Im Haupt- und Finanzausschuss blieb man immerhin noch an der Sache orientiert, verbale Ausrutscher bewegten sich innerhalb des mittlerweile sehr weiten Flörsheimer Rahmens – nicht so in der Sitzung des Stadtparlaments. Die im höchsten Gremium der Stadt geschwungenen Haushaltsreden trugen ihre Bezeichnung zu Unrecht, ging es in ihnen doch nur beiläufig um den Etat. Die Abstimmung über den Haushalt 2017 geriet zur bloßen Kulisse, vor der die Fraktionsvertreter außer Rand und Band gerieten. Es fielen Kraftausdrücke und es kam zu persönlichen Anwürfen. Mehr sei an dieser Stelle nicht erwähnt.

Die SPD nutzte die Gunst der Stunde, um mit dem Kämmerer Sven Heß abzurechnen. Jener habe einen Haushalt vorgelegt, der nicht genehmigungsfähig gewesen sei, so die SPD-Fraktionsvorsitzende Marion Eisenmann-Kohl. Heß mache auch als Sozialdezernent „keine gute Figur“. So habe er beispielsweise keine Mittel zur Errichtung einer provisorischen Kita in Weilbach in den Haushalt gestellt. Insgesamt sei „Heß nicht in der Lage, seiner Verantwortung gerecht zu werden“, behauptete Eisenmann-Kohl. Dasselbe gelte auch für das Viererbündnis, das trotz einer Zweidrittelmehrheit in sämtlichen Gremien keinen „Willen zur Gestaltung“ erkennen lasse. Vielmehr gehe es einzig und allein darum, „dem Bürgermeister das Leben schwer zu machen“. Die gesamte Politik des Viererbündnisses sei auf Konfrontation ausgelegt, die Anträge von CDU, dfb, FDP und GALF zielten auf das Verzögern und Stoppen von Entwicklungsmaßnahmen ab. Damit werde, zu Lasten der Bürger, Stillstand erzeugt.

Michael Kröhle ergriff für die CDU-Fraktion das Wort: „Eine Generaldebatte ist heute wichtiger denn je, Flörsheim steht kommunalpolitisch an einem Scheideweg!“ Eine Generaldebatte im eigentlichen Sinn fand indes nicht statt, dafür folgte eine überaus scharfe Attacke auf den Bürgermeister, dem Kröhle vorwarf, „auch nach über zehn Jahren kein Gefühl für Flörsheim, Wicker und Weilbach“ entwickelt zu haben: „Ihnen fehlt jegliche Empathie für unsere Stadt!“ Die Bürger fühlten sich von ihrem Bürgermeister, der ohne Rücksichtnahme einsame Entscheidungen treffe, nicht ernst genommen. Kröhle nannte in diesem Zusammenhang die Fällung der Tulpenbäume in der Riedstraße. Des Weiteren versuche der Bürgermeister immer wieder, gerade in zukunftsweisenden Fragen, „künstlichen Zeitdruck“ herbeizuführen, um das Parlament zu Entscheidungen zu zwingen. „Das stinkt uns“, sagte Kröhle, „und das führt zu Politikverdrossenheit!“ Deshalb dürften sich Antenbrink und die SPD nicht darüber wundern, dass nun „über 70 Prozent der Bürgervertreter“ ein Bündnis bilden.

Die vom Bürgermeister so genannten „Übertragungsfehler“, deren Entfernung zu einer beträchtlichen Entlastung des Haushaltes führten, bezeichnete Kröhle als „Luftbuchungen“. Diese könnten durch „chaotischen Aktionismus“ entstanden sein, denkbar sei aber auch, so Kröhle, dass auf diese Weise „an der Stadtverordnetenversammlung vorbei“ Mittel reserviert werden sollten, um sie für „andere Projekte einsetzen zu können“. Kröhle nahm schließlich den zuvor kritisierten Kämmerer in Schutz: „Das Defizit entsteht nicht in der Kämmerei, sondern eben auch in den Bereichen, für die der Bürgermeister als Dezernent verantwortlich ist.“ Im Übrigen trage der Bürgermeister sogar die gesamte Verantwortung. Deshalb lasse die SPD durch ihre Ablehnung des Haushaltes Antenbrink „ohne Mantel und Schirm im Regen stehen“.

Müßig zu erwähnen, dass sich auch der Bürgermeister und der Kämmerer im Laufe der Sitzung zu Wort meldeten, um sich gegenseitig die Verantwortung respektive Schuld zuzuschieben. Heß wies zudem auf eine Vereinbarung zwischen ihm, dem Bürgermeister und den Fraktionsspitzen hin, laut der ein Haushalt, wie von ihm ursprünglich vorgelegt, kein Problem darstellen sollte. Trotz eines „kleinen Defizites“ in 2017 sollte der Landrat durch das geschlossene Auftreten des Stadtparlamentes davon überzeugt werden, dass der Ausgleich im darauffolgenden Jahr erreicht werden könne. Er sei „traurig und wütend“, so Heß, dass sowohl die SPD als auch der Bürgermeister nun, trotz dieser Abmachung, mit dem Finger auf ihn zeigen würden.

Es folgten Redebeiträge der Fraktionsvorsitzenden Renate Mohr (GALF), Thomas Probst (dfb) und Thorsten Press (FDP). Sie betonten unisono, dass der Charakter Flörsheims allen gegenwärtigen Entwicklungen, wie etwa dem Siedlungsdruck, zum Trotz bewahrt werden müsse. Dieses Ziel gerate, so die Quintessenz ihrer Reden, durch die Politik des Bürgermeisters in Gefahr.

 

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