Das Thema ist alles andere als unwichtig, gerade angesichts der klimatischen Veränderungen, die in unseren Breiten vor allem mit mehr Extremwetterlagen verbunden sein sollen, wie wir es in den jüngsten Jahren auch im Rhein-Main-Gebiet schon zu spüren bekommen. Wie würden Starkregenereignisse sich auf die Straßen Flörsheims und seiner Stadtteile auswirken? Das sollen sogenannte Fließpfadkarten erfassen. Die erstellte das Hessische Landesamt für Natur, Umwelt und Geologie (HLNUG) für bisher 240 hessische Kommunen, für Flörsheim deren gleich zwei: Flörsheim und Wicker in einer, Weilbach in einer eigenen Karte.
Die Aufgabe einer solchen Fließpfadkarte ist es, die verwundbaren Stellen einer Kommune aufzeigen, „auch wenn dort bisher noch kein Starkregenereignis aufgetreten ist“. Eines Tages kann es schließlich so weit sein, die Erkenntnis ist der erste Schritt zu Maßnahmen, die die Situation entschärfen können – doch davon sind die Behörden und die Städte und Gemeinden noch weit entfernt. Auch, weil diese Karten nur ein erster Schritt zur Erfassung der Problemlage sein können. Was die Landesbehörde nun im Bau- und Umweltausschuss präsentierte, dessen Sitzung in der Stadthalle in eine Bürgerinformation umgewidmet worden war, war daher nur in bescheidenem Rahmen von einem Erkenntnisgewinn geprägt.
Dafür konnten die Fachleute der Behörde nichts. Der Vortrag, den Christian Kirsch vom „Fachzentrum Klimawandel und Anpassung“ erstellt hatte, bot neben grundlegenden Informationen das, was bisher eben erarbeitet worden war. Aus der Stadtverordnetenversammlung waren Forderungen laut geworden, die Fließpfadkarten vorzustellen und, so die SPD-Fraktion im Februar, den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stellen. Letzteres ist durch die Einstellung des Vortrags und der Karte auf der Internetseite der Stadt nun geschehen.
Wer sich mit dem Problem eines möglichen Starkwasserereignisses befassen will, muss sich in einer direkt am Main gelegenen Kernstadt erst einmal klarmachen, dass der Fluss zu Fuße der Stadt mit dem Thema nichts zu tun hat. Die Hochwasserthematik wurde in jüngster Vergangenheit mehrfach Inhalt von Gremiensitzungen und gar einer Bürgerversammlung, weil das Land in den Gemarkungen Flörsheim und Hattersheim nun in ein Dammsanierungs- und Erweiterungsprojekt einsteigt, das die Landesbehörde in den nächsten Jahren angehen will.
Bei den Fließpfadkarten geht es ausschließlich um Starkregenereignisse, wie das gute alte sommerliche Hitzegewitter. Mit dem Unterschied, dass der Klimawandel dafür sorgen dürfte, dass diese Ereignisse künftig heftiger ausfallen als gewohnt und auch die Zeitpunkte unberechenbarer werden. Das können lokal sehr begrenzte Regenfälle sein, so dass immer nur ein Teil der Fließpfade, wie die Karte sie verzeichnet, relevant werden dürfte. Was es im Falle des Falles nicht einfacher macht für die Betroffenen. „So treten die höchsten Intensitäten meist in Bereichen auf, die nicht größer als ein Quadratkilometer groß sind“, betont die Präsentation.
Was die Karte in diesem ersten Status für nahezu unbrauchbar macht für eine Prävention, ist ihre Unvollständigkeit: Es ist eine rein die topografischen Verhältnisse, Gebäudebestände und Bodenbeschaffenheit berücksichtigende Erhebung. Verzeichnet sind Wasserabläufe ab mit einem Einzugsgebiet von mindestens einem Hektar sowie einer Ausdehnung von zehn Metern zu jeder Seite. Dabei ist es besonders in Städten nicht zuletzt die Leistungsfähigkeit der Kanalisation, von der die Auswirkungen eines Starkregens abhängt. Auch Gräben, die in der Gemarkung nicht zuletzt als Wasserableitungen ausgehoben wurden, sowie Details wie bauliche Durchlässe in den Straßen oder Brücken finden in der vorgelegten Karte keine Berücksichtigung.
Daher stellt das HLNUG klar, dass in der Fließpfadkarte in diesem Stadium trotz der hohen, auf einen Quadratmeter reichenden Auflösung der Erfassung „keine realen Überflutungstiefen ermittelt werden“. Eine Sturzflutwelle etwa könne auch eine erhöhte Stelle überfließen. Erst, wenn alle genannten, fehlenden Faktoren ermittelt und eingearbeitet sind, können Wasserstände, die in den Gassen und auf den Grundstücken bei einem Starkregenereignis drohen, einigermaßen verlässlich erfasst werden, dann macht so eine Information deutlich mehr Sinn. Diese zweite Version sollt bereits in der Entstehung sein.
Auch ein anderer Umstand führt dazu, dass weder die Kernstadt, noch Wicker durch Starkregen besonders gefährdet werden dürfte: Es fehlen die Faktoren Bach oder Flüsschen, die durch mehrere Starkregenereignisse in der weiteren Region zu Monsterfluten ansteigen können, wie es bei der Katastrophe im Ahrtal passiert ist. Sammel- und Beschleunigungseffekte des Wassers durch abfallendes Gelände im Hinterland gibt die Topographie weder in Wicker, wo der Bach zu Fuße des Stadtteils entlangfließt, noch in Flörsheim her. So eine Fließpfadkarte sei eben eher „geeignet für kleinere Orte und Ortsteile“, stellt die Landesbehörde klar.
Etwas differenzierter, aber auch nicht zum Alarmismus taugend ist die Situation wegen des dort durchfließenden Wickerbaches in Keramag/Falkenberg, vor allem aber in Weilbach einzuordnen. Dort ist ausgerechnet der Flussabschnitt des Weilbachs südlich der Brücke im Ortszentrum ein potenzieller Gefahrenpunkt. Dies gilt es in den Berechnungen mit allen Details im Auge zu behalten. Genau darum gehe es bei dieser vorgelegten Fließpfadkarte, betont die HLNUG: Sie „sensibilisiert in der Kommune betroffene Bürgerinnen und Bürger sowie sonstige Anlieger und Interessengruppen. Gemeinsam lassen sich Lösungen entwickeln, die Gefahren zu reduzieren.“
Eines stellte der Vortrag klar: „Mit zunehmendem Klimawandel steigt die Starkregengefahr!“, hält die Landesbehörde fest. Und niemand darf erwarten, dass die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner im Falle des Falles über die Medien rechtzeitig gewarnt werden können, die lokale Begrenztheit der Ereignisse lässt das einfach nicht zu. „Es sind nur generelle Vorhersagen möglich.“ Der Deutsche Wetterdienst hat für seine Warnungen die Stufen „Markantes Wetter“, „Unwetter“ und „Extremes Unwetter“ entwickelt. Die höchste Stufe, um die es hier geht, wird bei 40 Liter Wasser pro Quadratmeter in einer Stunde oder 60 Liter in sechs Stunden erreicht. Hauptgefahrenzeit für solche Ereignisse sei von Mai bis September.
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