Hauptwerk von Richard Zorn veröffentlicht In Hofheim entstand die Kernobstlehre für Deutschland / Über 1.500 Aquarelle und circa 700 Beschreibungen

Der Richard-Zorn-Weg und der Richard-Zorn-Apfelsortengarten erinnern an den herausragenden Pomologen, der von 1884 bis 1945 in Hofheim lebte, professionellen Obstanbau betrieb und an der Aufstellung einer Kernobstlehre für Deutschland arbeitete. Dieses Werk umfasst mehr als 1.500 detailgetreue Aquarelle und etwa 700 handschriftlich verfasste Beschreibungen von Apfel-, Birnen- und Speierlingsorten.

Das wertvolle Original fand in der Bibliothek der Hochschule Geisenheim einen Platz und blieb lange Zeit unbeachtet. Dank des Diplom-Biologen Ulrich Kaiser, Hauptkustos am Hessischen Landesmuseum für Kunst und Natur, wurde das Hauptwerk von Richard Zorn vor kurzem veröffentlicht. Kaiser hat die handschriftlich verfassten Texte in liebevoller Kleinarbeit mit Hilfe eines Sütterlinschlüssels transkribiert. Unterstützt wurde er von den Beschäftigten der Hochschulbibliothek, die sich schon öfter mit der teils fantasievollen Handschrift des Pomologen auseinandergesetzt hatten.

Ein Exemplar des 720 Seiten umfassenden Buches „Richard Zorn: Verzeichnis aller in Deutschland angebauten Kernobstsorten“ hat Kaiser am Donnerstag – natürlich im Richard-Zorn-Apfelsortengarten – Bürgermeisterin Gisela Stang überreicht.

Die Obstwiesen rund um Hofheim sind heute ein vertrautes Bild. Schon mancher hat die verschiedenen Früchte alter Sorten gekostet, sich bei einem Kurs im Obstbaumschnitt erprobt oder einfach nur bei einem Spaziergang die Landschaft mit ihren blühenden, im Winter auch teils bizarr anmutenden Bäumen genossen.

An diesem Bild hat auch Richard Zorn seinen Anteil. Der Obstanbau hat im Vordertaunus von 1850 bis 1970 geboomt und wurde von dem Pomologen sehr gefördert.

Geboren am 7. März 1860 in Groß-Schierstedt (Sachsen-Anhalt), ging Zorn von 1873 bis 1877 in Halle zur Schule. Es folgte eine Lehre als Gärtner in Eisenach. Allerdings hatte er wenig Interesse an der Gartenkultur, vielmehr entwickelte er eine Liebe zum Obstbau und der Obstsortenkunde. Ab 1880 studierte Zorn Pomologie am Pomologischen Institut in Reutlingen, von 1881 bis 1884 folgten weitere Studien in Belgien, Niederlanden, England und Frankreich. Richard Zorn lernte das Zeichnen von Pflanzen, besuchte die Formobstschule in Gäbertz und die renommierte Baumschule Späth in Berlin.

Nachdem er 1884 nach Hofheim gezogen war, erwarb er Grundstücke auf dem Hochfeld und an der Hattersheimer Straße. Zunächst gründete er eine erfolgreiche Baumschule.

Dann begann er – als Erster in Deutschland – auf 10,5 Hektar edelstes Tafelobst für den Verkauf zu kultivieren: Äpfel wie Marxheimer Streifling, Hofheimer Klarapfel und Glanzrenette, Wildsächser Spitzapfel, aber auch Birnen, Pflaumen, Aprikosen, Stachel-, Johannis- und Himbeeren sowie Erdbeeren.

Bedingt durch das milde Klima am Südrand des Taunus und der Nähe zum Absatzmarkt in Frankfurt bot Hofheim als Standort gute Voraussetzungen. Seinem Beispiel folgten weitere Obstbauern und so entstand die Tafelobstkultur in der Landschaft um Hofheim und Kriftel.

Richard Zorn baute die Früchte jedoch nicht nur an, sondern stellte die Beschreibung von etwa 700 Obstsorten zusammen, jede mit Ansichts- und Querschnittszeichnung versehen – die Kernobstlehre für Deutschland.

1923 verpachtete er seine Obstanlagen.1928 verkaufte er diese zum größten Teil an die Stadt Hofheim.

Richard Zorn war vielseitig interessiert, schrieb Aufsätze zur Pomologie und den Gartenbau für Fach- und Tageszeitungen und wirkte auch als Heimatforscher.

Zu seinen wichtigsten Publikationen gehörten unter anderem „Das Nassauische Trachtenbuch“, mit 1.000 Abbildungen längst vergangener Trachten, sowie die Beschreibung mit 60 Tafeln von 760 Grenzsteinen des Rhein-Main-Gebietes. Sieben historische Grenzsteine, die bei Richard Zorn verzeichnet sind, befinden sich übrigens im Hof des Stadtmuseums.

Seit 1885 war Zorn Mitglied des Deutschen Pomologen-Vereins. 1887 wirkte er als Initiator und Mitbegründer des Hofheimer Obst- und Gartenbau-Vereins. Im Taunusklub-Verschönerungsverein Hofheim war er nachweislich ab 1896 aktives Mitglied, und ab 1926 gehörte er der neu gegründeten Ortsgruppe des „Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung“ an.

Er hinterließ eine Adoptivtochter, Hildegard Petersen, welche ihn lange betreut hatte. Diese stellte dem Hofheimer Stadthistoriker Günter Rühl seinen schriftlichen Nachlass zur Verfügung.

Auf einer Obstwiese zwischen Marxheim und Diedenbergen wurden seit 1997 mehr als 100 alte und neue Apfelsorten angepflanzt, um die Sortenvielfalt zu erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Zum 150. Geburtstag von Richard Zorn wurde dieser Apfelsortengarten des Main-Taunus-Streuobst e.V. (heute: Main-Taunus Naturlandschaft und Streuobst e.V.) am 11. April 2010 nach dem Apfelkundler benannt. Der Pomologen-Verein hatte eine extra für diesen Anlass gezogene „Bischofsmütze“ gepflanzt. Auch dieser seltene Apfel wurde natürlich von Richard Zorn beschrieben.

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