Immer wieder freitags

Tag der Offenen Moschee besticht durch Gastfreundlichkeit und Informationsfülle

FLÖRSHEIM (ak) – Am Sonntag, 22. Januar, lud der Flörsheimer Christlich-Islamische Arbeitskreis zu einem Tag des Offenen Gesprächs in die Begegnungs- und Gebetsräume des Türkischen Kulturvereines in der Wickerer Straße.

 

Thema war zunächst die Bedeutung der Pilgerfahrt nach Mekka für gläubige Muslime. Dazu schilderten Adem Karacan und Ibrahim Cifci interessierten Zuhörern aller Konfessionen persönliche Eindrücke ihres „Haddsch“ im letzten Jahr. Zur Verdeutlichung der örtlichen Gegebenheiten rund um die Kaaba (das nach islamischem Glauben erste Gotteshaus und das Zentrum aller Muslime) sah man sich gemeinsam einen Film an. Danach fasste Ümit Özdilek, ein Imam in Ausbildung, in einem Vortrag alle Informationen über die wichtigsten Riten eines Haddsch zusammen und erklärte deren Ursprung und Bedeutung. Für die Gäste war es interessant zu hören, dass eine Pilgerfahrt nach Mekka für alle Frauen und Männer muslimischen Glaubens eine Pflicht ist, von der sie sich nur unter ganz bestimmten Umständen – wenn sie etwa aufgrund widriger Umstände, Krankheit oder finanzieller Probleme keine Reise antreten können – befreit sehen können. Diese Pilgerfahrt muss zu einer ganz bestimmten Zeit nach dem islamischen Kalender stattfinden, die vorgeschriebenen sieben Umrundungen der Kaaba müssen nach dem höchsten Islamischen Feiertag, dem Opferfest, erfolgen. Während der Reise nach Mekka und während der rituellen Handlungen dort müssen alle muslimischen Männer bestimmte weiße Tücher tragen, sie dürfen sich nicht rasieren, nicht kämmen und keine Nägel schneiden. Auch sexuelle Enthaltsamkeit ist während dieser Zeit vorgeschrieben, streiten, drängeln und laut sein ist nicht erlaubt. Ümit Özdilek erklärte diese Vorschriften des Islam damit, dass bei einem Haddsch alle Gläubigen ihre eigenen Bedürfnisse nach „Außenwirkung“ zur Seite schieben und nach außen gleich erscheinen sollen. Kulturelle oder soziale Unterschiede sollen nicht mehr bemerkbar sein. Das symbolische Kürzen der Haupthaare vor dem Umrunden der Kaaba bedeutet, so Özdilek, eine Art „Opferung des eigenen Seins“ und den Beginn eines neuen Lebensabschnittes für die Gläubigen. Nicht nur das Umschreiten der Kaaba gehört zu einem Haddsch, die Pilger müssen auch sieben Mal zwischen den ehemaligen Hügeln Mina und Arafat hin- und herlaufen, dabei findet an bestimmten Orten eine symbolische „Steinigung Satans“ statt. 
Im anschließenden Gespräch konnten die nicht-muslimischen Gäste auch erfahren, wie der Saudi-Arabische Staat versucht, die Massen, die für einen Haddsch in jedem Jahr nach Mekka pilgern (man geht heute von mehr als drei Millionen Menschen aus) zu bewältigen. „Alle kleineren Hotels wurden abgerissen, für die Pilger wurden inzwischen riesige Hotelkomplexe errichtet. Die eigentlich hügelige und bergige Gegend um Mekka wurde praktisch eingeebnet, damit weniger Tunnels zu Engpässen und Unfallgefahren werden können. Saudi-Arabien teilt jedem Land auf der Welt, in dem Muslime leben, ein bestimmtes Kontingent zur Einreise-Obergrenze zu, mehr Menschen aus dem jeweiligen Land bekommen dann kein Visum mehr, um für ihren Haddsch dort einzureisen, sie müssen es im nächsten Jahr wieder versuchen“, erklärte Adem Karaca. Auch andere praktische Dinge, die Pilgerfahrt betreffend, konnte man erfahren: etwa, dass sie aus Deutschland im Schnitt etwa 3000 Euro kostet und dass Opfertiere im Islam keinen nutzlosen Tod sterben müssten, sondern entweder selbst verspeist oder an arme Menschen verteilt würden.
Selbstverständlich wurden alle Besucher mit heißem Tee und einem kleinen türkischen Buffet bewirtet. „Wenn es meine Zeit zulässt, komme ich immer gerne hier her“, sagte Hildegard Hart. „Ich finde es gut, dass hier nicht missioniert wird, sondern dass man einfach Informationen darüber bekommen kann, was Muslime glauben – sie sind ja unsere Mitbürger.“ 
Bei einem anschließenden Rundgang durch die weiteren Räume erklärte Ibrahim Cifcik, dass die Mitglieder des Türkischen Kulturvereines dort so gut wie alles selbst renoviert und auch finanziert hätten. Es gibt im Dachgeschoss einen großen Raum und eine kleine Küche, sie ist für den Nähkurs der Frauen gedacht und wird im Winter aus Kostengründen nicht beheizt und genutzt. In der Etage darunter befindet sich eine kleine Bücherei beziehungsweise ein Büro und der Gebetsraum. Ein solcher Gebetsraum ist für Muslime wichtig: „Die anderen Gebete kann man auch zu Hause sprechen“, erklärte Adem Karaca. „Aber das Freitagsgebet muss mit einem Imam in einer Moschee gesprochen werden.“ Ein Imam ist eine Art Beamter, der für größere Moscheen von dem Staat bezahlt wird, dessen Landsleute die Moschee nutzen. Er muss nicht nur den Koran studiert haben, sondern auch die Sprache derer beherrschen, denen er die arabischen Verse des Heiligen Buches dann beim Freitagsgebet vorliest und übersetzt. 
Die Pflicht zum Freitagsgebet besteht für männliche und weibliche Muslime gleichermaßen, allerdings gibt es außer beim Haddsch nach Mekka die Regel im Islam, dass die beiden Geschlechter getrennt beten. „Wir knieen uns ja hin zum Gebet und beugen uns nach vorne – ich kann mir vorstellen, dass es für einige Frauen angenehmer ist, diese Gebetsbewegungen nicht im Beisein von Männern machen zu müssen, sie sind durch die Trennung dabei vor deren Blicken geschützt und können sich freier bewegen“, erläuterte Karaca den interessierten Besuchern und zeigte den Vorhang, mit dem man den Flörsheimer Gebetsraum in zwei Bereiche trennen kann. Neben dem Gebetsraum befindet sich das Zimmer, in dem Kinder mit dem Imam den Koran lesen lernen, nach alter Tradition zunächst in arabischer Sprache. „Ja, unsere Kinder haben es in dieser Beziehung schwer“, sagte Adem Karaca lachend.
Der „Tag der Offenen Moschee“ wartete mit einer Fülle von Informationen auf und vermittelte den Besuchern in gastfreundlicher Atmosphäre den Eindruck, dass die muslimischen Nachbarn auch als Flörsheimer verstanden werden wollen.

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