Al-Wazir hatte Verständnis für den Unmut der Anwesenden und erläuterte die politischen Vorgänge und gesetzlichen Rahmenbedingungen, die auch er als Minister nicht außer Kraft setzen könne. Für die Betroffenen waren die Verweise auf entsprechende Bundesgesetze doch nichts als Ausflüchte. Al-Wazir zitierte Ergebnisse der NORAH-Studie, um dann die Frage: „Was machen wir daraus?“ zu erläutern. Lärm schade den Menschen und so sei beispielsweise auch der Schienenverkehr im Mittelrheintal ein Thema, mit dem er sich ausgiebig beschäftige. Mit vielen kleineren Einzelmaßnahmen schaffe man es bis 2020, die Lärmbelastung der Anwohner der Bahnstrecken im Mittelrheintal zu halbieren. Flüsterbremsen, ein regelmäßiges Schleifen der Schienen und das Errichten von Lärmschutzwänden gehöre beispielsweise dazu.
Der Straßenlärm sei die größte Herausforderung, hätte doch quasi jeder Ort eine stark belastete Durchgangsstraße. Zudem hätten in Deutschland bereits errichtete Verkehrswege wie auch alte Fahrzeuge Bestandsschutz und jeder Logistiker habe ein Recht auf Transport seiner Waren. „Wir müssen den Lärm an der Quelle packen und da hat das persönliche Konsumverhalten jedes einzelnen Einfluss“, so der Minister. Die meisten Anwesenden warteten vor allem auf Ausführungen zum Thema Fluglärm. Wie beim Schienenlärm auch setzt der Offenbacher Politiker hier auf viele kleinere Einzelmaßnahmen, könne er doch am gültigen Planfeststellungsbeschluss des Flughafens nichts ausrichten.
„Den Ausbau des Frankfurter Flughafens haben Vorgänger beschlossen“, so der Minister. Dennoch setze er sich beispielsweise für die Modernisierung der Flotten, für eine Forschungsförderung für leisere Techniken oder die Veränderung der An- und Abflugverfahren ein. Für die Lärmgeplagten waren diese Vorschläge meist doch Maßnahmen, die zu lange dauerten und einen zu geringen Nutzen hätten. Al-Wazir erklärte, dass er an Bundesrecht gebunden sei, gemeinsam mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aber eine stärkere Berücksichtigung des Lärmschutzes erwirken wolle. „Dafür im Bundesrat eine Mehrheit zu finden, wird aber schwierig“, sagte Al-Wazir, der im Sommer auch einen Vorschlag für eine Lärmobergrenze auf den Tisch legen möchte. „Ich habe mich auf den Weg gemacht, dafür zu sorgen, dass die Belastungen nicht unermesslich schlimmer und in kleinen Schritten gar kleiner werden“, erklärte der Minister.
Carola Gottas, Elternbeirätin der Paul-Maar-Schule, warf dem Grünen-Politiker dennoch Untätigkeit vor, da die Schule direkt unter der Einflugschneise bis heute keinerlei bauliche Verbesserungen oder individuelle Förderungen zum Nachteilsausgleich erhalten habe. Tarek Al-Wazir erklärte, dass dies aber nicht an der Politik des Landes liege, da die Mittel für die Paul-Maar-Schule, die in der Tagschutzzone I Fraport-Gelder erhalte, seit über einem Jahr abrufbereit daliegen würden. „Hier ist der Kreis als Schulträger in der Pflicht“, sagte Al-Wazir. Für Verbesserungen an Schulen in der Tagschutzzone II hätte das Land nach Bekanntwerden der Ergebnisse der NORAH-Studie ein Maßnahmenpaket erarbeitet, dessen Gelder nun im Haushalt eingestellt seien und wo nun die Umsetzungsrichtlinie folge, sodass auch diesen Schulen bald Lärmschutz- und Fördermaßnahmen zustünden.
Der auf der Keramag lebende Enrico Böhme beklagte, dass er zwar nicht unmittelbar unter einer Einfluglinie lebe, dafür aber von zwei Seiten Fluglärm zu ertragen habe. „In eine Lärmschutzzone fallen wir nicht, dennoch sind wir doppelt belastet“, so der Keramager, der hofft, dass der Minister prüft, ob nicht auch solche Betroffene ein Anrecht auf Lärmschutzmaßnahmen hätten. Hans Glock aus Niederrad kreidete die Fehler der NORAH-Studie an, wären die Blutdruckmessungen doch beispielsweise über der Kleidung gemessen worden. Al-Wazir gab jedoch zu bedenken, dass die Studie dazu genutzt werden sollte, um Verbesserungen zu erwirken. „Ein Diskreditieren der Studie bringt uns nicht weiter“, empfahl Al-Wazir. Für Michael Flörsheimer liegt das Dilemma vor allem an der Anpassung der Grünen-Politik an den Koalitionspartner. „Wenn der Koalitionspartner die Kernforderungen nicht mitträgt, muss man die Zusammenarbeit beenden“, sagte Flörsheimer. Al-Wazir sieht jedoch Chancen in der Zusammenarbeit mit einem starken Partner, denn wie sonst solle man betriebswirtschaftlich auf ein Unternehmen wie Fraport einwirken.
Der Grünen-Politiker verglich den Kampf gegen den Lärm mit dem Kampf für den Atomausstieg, denn auch da hätte es Jahre gedauert, bis es zu einem Einsehen gekommen wäre. Einziger Unterschied: Den Flughafen möchte im Vergleich zu den Atomkraftwerken niemand schließen. Kein Parlamentsbeschluss könne den rechtmäßigen Planfeststellungsbeschluss außer Kraft setzen und so könne die Politik nur auf betriebswirtschaftlichem Wege Einfluss nehmen und beispielsweise Anreize für den Einsatz moderner Flugzeuge schaffen. Der Vorsitzende des Vereins Für Flörsheim, Hans Jakob Gall, merkte an, dass die Politik nur auf veränderte Gesetze reagiere und so müssten die Flörsheimer, wenn nötig, bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um beim Lärmschutz das zu erreichen, was beim Passivrauchen gelungen sei. „Wir kämpfen weiter“, sagte Gall, der sich sogar an seinem Geburtstag dem Thema Fluglärm nicht verwehrte und die Ausführungen des Ministers verfolgte.
Die Flughafengegner warfen dem Politiker die Finanzierung des Ausbaus durch Landesmittel vor, doch Al-Wazir versicherte, dass Fraport den Ausbau selbst zahle und kein Geld von der Landesregierung erhalte. Einen kleinen Ausflug zum Thema Verkehrslärm machte Werner Siebel, der sich als lärmgeplagter Weilbacher für die Öffnung der Behelfsauffahrt zur A3 vor Eddersheim aussprach. „Autobahnen fallen in die Zuständigkeiten des Bundes“, erklärte Al-Wazir, der dennoch das Machbare prüfen möchte. Der Grünen-Politiker sieht in der weltweiten Forderung nach einer Reduktion des CO2-Ausstoßes noch eine Chance für eine Verbesserung der vorgetragenen Anliegen.
Für die GALF-Fraktionsvorsitzende Renate Mohr hatte der Abend bedeutenden Charakter, denn endlich hätte sich ein Minister auf Einladung der GALF einmal Zeit für die konkreten Anliegen vor Ort genommen und viel aufgestaute Wut und Verärgerung hätten ein Ventil bekommen. „Wir dürfen im Kampf für unsere Interessen nicht nachlassen. Doch müssen wir stets fair und friedlich kämpfen“, schloss Mohr den Abend.
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