Wie öffentlich wird in Flörsheim noch Politik gemacht? Die jüngste Sitzungsrunde machte es wieder einmal deutlich: Die Gremien der Stadtverordnetenversammlung tagen zwar öffentlich, so dass alle Bürgerinnen und Bürger die Chance haben live mitzuerleben, wie Beschlüsse mit welchen Mehrheiten gefasst werden. Und wenn es gut läuft, streiten sich die Fraktionen sogar um die richtige Haltung und bringen Argumente für ihre Positionen vor. Alleine: Das ist in Flörsheim derzeit kaum noch so zu erleben.
Die Ortsbeiratssitzungen etwa entfallen immer wieder mangels Themen, und wenn sie stattfinden, mit dünner Tagesordnung. Selbst der Ortsbeirat Stadtmitte ging bei der Septembersitzung nach 24 Minuten wieder auseinander, das Programm für die nächste Sitzung am kommenden Mittwoch (11.), diesmal zusammengelegt mit dem Beirat für Keramag/Falkenberg, umfasst genau einen Tagesordnungspunkt. Der Beschluss der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit sowie der Behörden und weiteren Träger öffentlicher Belange, wie es genau heißt, ist eine reine Formalie bei der Entwicklung des Gewebegebietes West V.2.
Die nächsten Sitzungen der Ortsbeiräte Wicker und Weilbach sind mangels Themen bereits wieder abgesagt, ebenso jene des Sozial- und Kulturausschuss und damit auch des Ausländerbeirates. Und wenn die Tagesordnung mal was hergibt, so bei den anstehenden Sitzungen des Bauausschusses und des Haupt- und Finanzausschusses, handelt es sich um zwar wichtige, aber als Formalitäten anzusehende Nachträge und Fortschreibungen von Satzungen.
Markus Ochs (SPD) griff das Thema bei der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung auf, deren Tagesordnung aus zwei Kenntnisnahmen vorliegender Berichte und zwei Beschlussfassungen bestand und daher recht schnell abgearbeitet war.
Ochs überraschte die nicht auf eine Diskussion eingestellten Fraktionen (inklusive der eigenen) mit einem schlechtgelaunten Statement zur Kostenbeitragssatzung für die städtischen Kitas. „Die Sitzungen werden immer kürzer und es gibt immer weniger Beschlussfassungen, wir sollen nur noch zur Kenntnis nehmen“, monierte er. „Wir werden es nicht hinnehmen, dass der Diskurs fehlt.“
Der Vorstoß überraschte nicht zuletzt deshalb, weil Ochs im vorgelagerten Haupt- und Finanzausschuss zu dem Thema lediglich nachgefragt hatte, ob der Kindertagesstättenentwicklungsplan im Zusammenhang mit der Beschlussfassung in der Stadtverordnetenversammlung thematisiert werde. Das hatte die Erste Stadträtin Renate Mohr verneint und Besuche bei den Fraktionen zu dem Thema angeboten.
Das war Ochs aber offenbar zu wenig. Flörsheim brauche dem absehbaren Bedarf nach zwei zusätzliche, vollwertige Kitas, verdeutlichte er, dies besonders in Weilbach. Die Bemühungen unter Bürgermeister Michael Antenbrink, dies auf den Weg zu bringen, seien von den damaligen Mehrheiten ausgebremst worden. „Der heutige Mangel ist hausgemacht“, betonte er daher. Dass seine Fraktion im Haupt- und Finanzausschuss der Satzungsvorlage zustimmte, habe den Grund gehabt, die neuen Regelungen für den Naturkindergarten zu beschließen. Proteste der Eltern gegen die Unterversorgung gebe es nicht mehr, „weil sie es aufgegeben haben“. Er kündigte die Enthaltung der SPD bei dem Tagesordnungspunkt an „als Zeichen des guten Willens, Blockadepolitik überlassen wir anderen“. Für die anstehendem Haushaltsberatungen kündigte Ochs Vorschläge seiner Fraktion an, in denen sich die Forderungen der SPD zur Kitaentwicklung niederschlagen sollen.
Allen Kindern, die bis März drei Jahre alt werden, könne die Stadt einen Ü3-Kitaplatz anbieten, schilderte Mohr die aktuelle Situation. Ein gewisser Puffer für inzwischen Zuziehende sei ebenso vorhanden. Durch die Zusammenlegung von I-Gruppen seien weitere Kapazitäten geschaffen worden. Der Ausbau der jüngsten Jahre sei von allen Fraktionen unterstützt worden. „Sie sollten auf das, was Sie erreicht haben, stolz sein und es nicht schlechtreden“, empfahl die Stadträtin daher.
Die Panik, die die SPD zu schüren versuche, sei „nicht angebracht“, sagt GALF-Fraktionschef Frank Laurent. In Flörsheim seien in jüngster Zeit im U- und Ü3-Bereich mehr Kitaplätze entstanden als je zuvor. „Die Panikmache wird auf Sie selbst zurückfallen“, sagte er in Richtung von Markus Ochs. Der weitere Ausbau des Angebots werde viel Geld kosten. „Wir können froh sein, dass wir über Rücklagen verfügen. Wir werden sie brauchen.“
SPD-Fraktionschefin Melanie Ernst verwies darauf, dass die Klagen der Mehrheit, unter Bürgermeister Antenbrink sei zu wenig für den Ausbau der Kapazitäten geschehen, fehl am Platz seien, denn „der Zuständige damals war Sven Heß“, verwies sie auf den Ersten Stadtrat der GALF.
Viele Flörsheimer Kinder besuchten Kitas außerhalb der Stadt, in Weilbach sei die Unterbringung von Flüchtlingen geplant, verwies Ernst darauf, dass der Bedarf größer sei oder sein werde als bisher kalkuliert. Sie erklärte sich einverstanden, dass die zusätzlichen Kapazitäten nicht unbedingt über Neubauten geschehen müssten. „Das können auch mal Container sein, aber es muss etwas geschehen.“
Für „pragmatische Lösungen“ sprach sich auch Thorsten Press (FDP) aus. Für den Naturkindergarten habe sich seine Fraktion allerdings eine andere Lösung gewünscht als es die Satzungsänderung nun festlege. Die in der Satzung enthaltene automatische Erhöhung der Elternbeiträge (alle zwei Jahre um fünf Prozent) bis zum Jahr 2029 hält er für „unfair“, und zwar gegenüber den künftigen Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung. Die aktuellen Fraktionen hätten hier Festlegungen beschlossen, die sie nach der nächsten Kommunalwahl möglicherweise nicht mehr vertreten müssten.
Bei der Zustimmung zur Beschlussvorlage sei die FDP dabei, um den Kindern, Eltern und Erzieherinnen des Naturkindergartens die darin neu festgeschriebene, pragmatische Lösung ihrer Wünsche zu ermöglichen. Sein Fraktionskollege Werner Duchmann wich davon allerdings ab und enthielt sich mit der SPD, nachdem seinem Vorschlag einer getrennten Abstimmung der Themen Beiträge und Naturkindergarten nicht gefolgt wurde.
CDU-Fraktionschef Marcus Reif bescheinigte Markus Ochs „eine immense Entfernung von der Realität“. Als Erster Stadtrat habe er einst dafür gekämpft, dass keine Kita über mehr als vier Gruppen verfüge, jetzt sollten es sieben sein. Auch die Prognosen der SPD bezweifelte er. Die Flüchtlingsunterkunft in der Weiherstraße werde vorerst nicht kommen, für das Baugebiet Krimling sei zudem eine Kita eingeplant.
Die fehlenden freien Grundstücke limitierten die Möglichkeiten der Stadt, auf die Entwicklungen zu reagieren. Es sei aber ein logischer Weg, dass erst die Kapazitäten geschaffen werden sollten, wie durch die Erweiterung der Kita in Weilbach schon umgesetzt. In den Gremien habe es bei dem Thema viel Konstruktivität gegeben. „Es ist eine Menge passiert, worauf wir stolz sein können, die SPD hat das zum Teil mitgetragen“, sagte Reif.
Bürgermeister Bernd Blisch wehrte sich gegen die Kritik, die Thorsten Press an den automatischen Beitragserhöhungen geäußert hatte. „Sie tun so, als ob das mit niemandem abgesprochen war“, sagte er. Vor der Einführung der Regelung seien die Elternbeiträge zehn Jahre lang nicht erhöht worden, das sei nicht mehr gewollt gewesen und so habe die Stadtverordnetenversammlung eine Anhebung alle zwei Jahren festgelegt. „Sie können morgen sagen, dass Sie es anders machen wollen, wir als Verwaltung setzen nur die gültigen Beschlüsse um“, stellte Blisch klar. Noch mal eben über die Arbeitsteilung in der Stadtpolitik aufgeklärt, beschlossen die Fraktionen einstimmig bei Enthaltung der SPD und von Werner Duchmann (FDP) den Nachtrag zur Kostenbeitragssatzung über die Kitas.
Mittelfeld-Klimakommune
Eine Kenntnisnahme genügte am Ende der Besprechung der Vergleichsprüfung „Klima- und Energiemanagement“ in der Verantwortung des Landes Hessen (die FZ berichtete). Auch hier war Markus Ochs derjenige, der keine Lust hatte auf ein kommentarloses Durchwinken der Auswertung mit Noten für die 16 beteiligten Kommunen für ihre Leistungen im Bereich ihres Status als „Klimakommunen“.
„Es ist kein Ruhmesblatt für die Stadt. Flörsheim rangiert im Mittelfeld, ist in wenigen Prüffeldern über dem Schnitt, aber in vielen darunter“, sagte der SPD-Stadtverordnete. Positiv sei die gute Personalausstattung für die Aufgaben zu sehen, negativ die fehlende zentrale Koordination. So gebe es das notwendige Personal, dennoch bewege sich in vielen Bereichen nichts. „Wir sollten den Maßnahmenkatalog annehmen und umsetzten“, empfahl er, den Verbesserungsvorschlägen in der Studie zu folgen. „Die SPD wird 2024 einen Sachstandsbericht einfordern“, kündigte Ochs zudem an.
Auch Thorsten Press empfahl die Handlungsfelder anzunehmen, die der Bericht aufweise. Es sei schließlich eine schöne Sache, 25 Prozent des Stromverbrauchs einzusparen, wie es der Bericht als Potenzial ausweise. Der FDP-Fraktionschef würde jedoch gerne genauer wissen, „warum wir bei den Stromkosten so schlecht dastehen“.
Das eine oder andere in dem Prüfbericht stimme nicht, stellte der Bürgermeister klar. Das habe vor allem mit dem weit zurückliegenden Stichtag der Erhebung zu tun. Dass Flörsheim im Gesamtbild im Mittelfeld der 16 Kommunen landete, findet Bernd Blisch eher motivierend als enttäuschend. „Genau der richtige Platz, um sich nach vorne zu arbeiten.“
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