„Jeder Mensch hat ein Talent“

Sozialkaufhaus: Fünf Jahre berufliche Perspektiven für Langzeitarbeitslose

Jede Kiste ein Überraschungspaket – mit dem richtigen Blick suchen die im Sozialkaufhaus Tätigen nach gut erhaltenen Gegenständen, die sich zum Wiederverkauf eignen. Jörg Jäger und Zahra Mohamed (ehrenamtliche Helferin) packen gerne mit an. Unterstützung leistet auch Diplom-Pädagoge Marcus Sünder (Mitte). 
(Foto: R. Dörhöfer)

FLÖRSHEIM (drh) – Das Gefühl des Gebrauchtwerdens sei mit die wichtigste Errungenschaft, die Menschen im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme im Sozialkaufhaus in Flörsheim erwerben können. Seit fünf Jahren werden im Sozialkaufhaus, das durch den Main-Taunus-Kreis und die Diakonie gefördert wird, nicht nur gut erhaltene Gebrauchtmöbel verkauft, sondern auch zahlreichen Menschen eine neue berufliche Perspektive gegeben.

Im Sozialkaufhaus gibt es 24 Qualifizierungsplätze, wo Menschen nach einer Langzeitsarbeitslosigkeit erstmalig wieder für sechs Stunden am Tag einer Arbeit nachgehen. „Viele Menschen sind schon fünf oder gar zehn Jahre arbeitslos und erfahren durch die tägliche Arbeit bei uns erstmalig wieder eine Form des beruflichen Alltages. „Jeder Mensch hat ein Talent. Man muss es nur finden“, sagt der Leiter des Hauses, Ulrich Levin. So haben die Menschen im Rahmen der bis zu zwölfmonatigen Qualifizierungsmaßnahme die Möglichkeit, sich im Sozialkaufhaus auch in verschiedenen Bereichen auszuprobieren. „Eine über 50-jährige Frau, die ursprünglich im medizinischen Bereich tätig war, entdeckte bei uns ihr Verkaufs- und Beratungstalent. Sie war so gut, dass wir sie selbst angestellt haben“, gab Levin ein Beispiel. Das Sozialkaufhaus müsse, um für die Kundschaft attraktiv zu sein, stets einen gleichbleibenden Service bieten, und so arbeiteten im Sozialkaufhaus auch einige festangestellte Mitarbeiter, um die erforderliche Kontinuität sicherzustellen.
Insgesamt waren schon 198 Menschen im Sozialkaufhaus auf der Suche nach einem beruflichen Neuanfang. „Etwa 30 Prozent der Menschen finden im Anschluss an ihre Beschäftigung bei uns einen Platz im regulären Arbeitsmarkt“, erklärt Levin. Die Quote sei aufgrund der Vielzahl an Problematiken, die diese Menschen mit sich bringen würden, nicht schlecht. Das Sozialkaufhaus verkaufte in fünf Jahren Möbel und Gebrauchtwaren im Wert von 940.000 Euro. 50.000 Menschen suchten das Haus als Kunde auf. Der Main-Taunus-Kreis unterstützte die Arbeit des Hauses bislang mit insgesamt 1,35 Millionen Euro, wobei 840.000 Euro allein für die Qualifizierungsmaßnahmen der Langzeitarbeitslosen verwandt wurden. Die Diakonie förderte das Projekt mit weiteren 290.000 Euro.
Das Sozialkaufhaus legt Wert darauf, dass jeder im Haus einkaufen kann und niemand eine Stigmatisierung zu fürchten habe. „Wer bei uns einkauft, unterstützt die gute Sache und hilft, Müllberge zu reduzieren“, sagt Levin. Auch der Sozialdezernent des Main-Taunus-Kreises, Johannes Baron, lobte das Engagement des Hauses, sei das Leben im Main-Taunus-Kreis für sozial benachteiligte Menschen doch nicht gerade einfach. „Bei uns gibt es wenig Helfer-Jobs. Die Menschen haben es schwer, eine einfache Beschäftigung zu finden“, erklärte Baron, der selbst vor einer Woche eine gut erhaltene Küche aus seinem Privathaushalt ans Sozialkaufhaus abgab, die bis zum Pressegespräch am Freitag dann aber auch schon wieder einen neuen Besitzer gefunden hatte. „Das Haus lebt von den Spenden der Menschen. Jeder, der etwas gut Erhaltenes abzugeben hat, tut etwas Gutes“, sagt Baron, der diese Form der Einbringung der Bürger des Main-Taunus-Kreises sehr schätzt. Die Menschen, die an der Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen, werden bei ihren Arbeiten unter anderem durch Sozialpädagoge Markus Sünder betreut und erhalten unter anderem auch Hilfe bei Bewerbungen. „Bei uns arbeiten Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen. Asylbewerber, Schülerpraktikanten, Menschen, die Arbeitsstunden zu leisten haben, Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Langzeitarbeitslose treffen aufeinander. Das ist nicht immer einfach, aber es schult fürs Berufsleben“, ist Sünder überzeugt. Stolz ist Sünder auch auf eine Reihe Ehrenamtlicher, die aus freien Stücken beispielsweise bei Schreinerarbeiten oder beim Auspacken von Hausratskisten mit anpacken.
Das fünfjährige Jubiläum wurde am Samstag, 4. Juli, in der Zeit zwischen 10 und 18 Uhr gefeiert. Unter anderem spielte der ehemalige Leiter des Diakonischen Werkes Main-Taunus, Agim Kaptelli, mit seiner Band und die Theatergruppe „Die schrägen Vögel“ des Psychosozialen Zentrums der Diakonie Schwalbach führten einen Auszug ihres neuen Stückes auf. Zudem gab es im Kaufhaus eine 50%-Rabattaktion.

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